Aktuelle Neurologie 2005; 32 - P256
DOI: 10.1055/s-2005-919290

Idiopathisches Parkinsonsyndrom und lokalisierte Myopathien – eine heterogene Entität

A Unrath 1, A.D Sperfeld 1, M Sabolek 1, A Storch 1, J Kassubek 1
  • 1Ulm, Dresden

Einzelfallberichte in der Literatur geben den Hinweis auf eine mögliche Koinzidenz von extrapyramidal-motorischen Syndromen und Myopathien. Hier wird vornehmlich ein erhöhtes Auftreten von Nackenextensoren-Myopathien mit dem daraus resultierenden Bild eines „dropped head“-Syndroms sowie das bei Auftreten einer Schwäche des M. erector spinae klinisch manifeste „bent-spine“-Syndrom bei Patienten mit atypischem Parkinsonsyndrom (MSA-P) beschrieben.

Wir präsentieren klinische, elektrophysiologische und pathomorphologische Daten vierer Patientinnen mit behandelten idiopathischen Parkinsonsyndromen (jeweils langjährige Verläufe mit deutlicher Dopaminergikaresponsivität und ohne klinische Hinweise auf eine MSA-P), welche im Verlauf ihrer Erkrankung einen Anterocollis als Ausdruck einer Schwäche der Nackenextensoren entwickelten. In einem Fall war die Kopfhalteparese gering ausgeprägt, jedoch bestanden zusätzlich generalisierte Myalgien. Die jeweiligen elektromyographischen Untersuchungen zeigten einen vorwiegenden myopathischen Umbau. Alle Patientinnen erhielten Muskelbiopsien aus dem Musculus trapezius (n=3) bzw. dem Musculus quadriceps femoris (n=1). Hier fanden sich mäßiggradige myopathische Schädigungszeichen mit ubiqitären Myophagozytosen ohne Anhalt für eine strukturelle oder entzündliche Genese (n=3) und in einem Fall das typische Bild einer idiopathischen Polymyositis. Zusätzliche biochemische Analysen der Atmungskettenkomplexe und elektronenmikroskopische Untersuchungen zeigten in einem Fall morphologische Veränderungen der Mitochondrien; bei zwei Fällen wurden Analysen des mitochondrialen Genoms im Muskel durchgeführt, jeweils mit Normalbefund. Letztlich erfüllten die drei rein myopathischen Muskelbiopsien die Kriterien einer toxischen Myopathie. Der vierte Fall wurde einer klassischen Polymyositis subsummiert.

Differentialdiagnostisch müssen zum Auftreten eines Anterocollis und/oder von Myalgien bei M. Parkinson sowohl direkt die Muskulatur schädigende Ursachen (endogen- oder exogen-toxisch) als auch nicht assoziierte Muskelerkrankungen in Betracht gezogen, eine syndromale Assoziation dieser Krankheitsbilder kann postuliert werden.