Aktuelle Neurologie 2005; 32 - P262
DOI: 10.1055/s-2005-919296

Mikrographie ist nicht alles: Akinese führt zur unterschiedlichen Veränderungen des Schreibens bei Morbus Parkinson

A Seidl 1, A Hoffmann 1, H Przuntek 1, P.H Kraus 1
  • 1Bochum

Einleitung: Das Schriftbild bei der Parkinson'schen Erkrankung ist sowohl durch Akinese als auch durch Tremor verändert. Im klinischen Alltag ist es augenfällig, dass nicht alle Patienten mit klinisch sichtbarer Akinese eine entsprechende Veränderung des Schriftbildes haben. Ziel unserer Arbeit ist die Entwicklung eines verbesserten standardisierten Schreibtests.

Methode: Wir untersuchten 50 Patienten mit Morbus Parkinson im Vergleich mit 20 Kontrollpersonen. Die Durchführung bestand aus mehreren Variationen von Schreibtests: Dem klassischen Schreiben einiger Modellsätze (1) und dem Schreiben einer Folge einzelner Ziffern – einmal in freier Version (2a), zum anderen in vorgedruckte Kästchen (2b). In jedem Fall erfolgte eine Wiederholung des Schreibtests über mehrere Zeilen. Die Auswertung erfolgte mittels manueller Ausmessung.

Ergebnisse: Trotz guter Korrelation mit dem klinischen Rating zeigten nicht alle Patienten mit Akinese eine Mikrographie. Die Schriftgröße und deren Änderung erwiesen sich als nicht besonders trennscharf. Allerdings zeigte sich eine von Zeile zu Zeile zunehmende deutlich ausgeprägte Verkürzung der Zeilenlängen in Tests 2a (s.o.). Dieses Phänomen zeigte die beste Trennschärfe im Vergleich zu den Kontrollpersonen.

Als neues Phänomen, fanden wir bei 22 Prozent der Patienten eine über eine gewisse Strecke abnehmende Schreibgröße und dann einen erneuten Beginn mit größerer Schrift. Dieses Phänomen liefert zusätzliche Informationen über den pathophysiologischen Ablauf von kontinuierlichen Bewegungen bei der Parkinson'schen Erkrankung: Die Schrift wird bis zu einem Punkt immer kleiner, wo das „Programm“ quasi neu gestartet werden muss, was dann erstaunlicherweise aber wieder mit der initialen Schriftgröße erfolgen kann.

Diskussion: Die vorliegende Auswertung von Schriftproben unter verschiedenen Testbedingungen lieferte uns einen wichtigen Hinweis auf verschiedene Parameter, die zur Beurteilung der Veränderung des Schreibens bei der Parkinson'schen Erkrankung herangezogen werden können. Die höchste Trennschärfe zeigte die kontinuierlich abnehmende Zeilenlänge, die der Bestimmung der Schriftgröße eindeutig überlegen ist. Die derzeit laufende Weiterentwicklung einer automatisierten computergestützten Auswertung lässt aufgrund der verbesserten Objektivität und des höheren Auflösungsvermögens eine weitere Verbesserung der Testauswertung erwarten. Gleichzeitig untersuchen wir nun das neu gefundene Neustarten im Bewegungsablauf mittels Infrarot-Videometrie.