Aktuelle Neurologie 2005; 32 - P306
DOI: 10.1055/s-2005-919340

Fehldiagnose psychogener Anfälle bei Jeavons-Syndrom

D Uzun 1, B Pleger 1, F Knossalla 1, E Sindern 1, S Kotterba 1
  • 1Bochum

Bei komplex-partiellen Anfällen ist häufig die Abgrenzung gegenüber psychogenen Anfällen sehr schwierig. Insbesondere bei seltenen Anfallsformen vergehen oft Jahre bis zu einer adäquaten Therapie.

Kasuistik: Eine 19 jährige Patientin wurde nach einem Grand mal Anfall bei einem hochfieberhaftem Infekt aufgenommen. 6 Jahre zuvor war erstmals ein Grand mal Anfall aufgetreten. Eine Einstellung auf Carbamazepin hatte nach Angaben der Patientin die Anfallsfrequenz erhöht. Sie wurde als noncompliant bezüglich der Medikation eingestuft. 3 Monate vor der jetzigen Aufnahme hatte die Patienten entbunden, insgesamt lebte sie in einer sehr schwierigen sozialen Situation. Sie berichtete, dass sie seit der Entbindung kaum wage, zu schlafen. Bei Augenschluss träten immer wieder Zuckungen und Verkrampfungen der oberen Extremitäten auf. Mehrfach seien Zuckungen früher in der Diskothek aufgetreten. Eine psychiatrische Intervention wurde erwogen.

Der neurologische Aufnahmebefund war unauffällig, der Carbamazepinspiegel lag im Normbereich. Bei Augenschluss bot die Patientin wiederholt kloniforme Zuckungen der oberen Extremitäten, war immer ansprechbar. Die Myoklonien sistierten beim Augenöffnen. Der Prolaktinspiegel war wiederholt unauffällig.

Nach Schlafentzug konnten im EEG generalisierte Poly-Spike-Wave Komplexe nachgewiesen werden, dabei kloniforme Entäußerungen der oberen Extremitäten. Deutliche Zunahme der Poly-Spike-wave Komplexe unter Photostimulation. In der Polysomnographie im Stadium II ebenfalls Poly-Spike-Wave Komplexe.

Insgesamt bot die Patientin das typische Bild der Lidschluss-Myoklonie (Jeavons-Syndrom), die mit und ohne Absencen auftreten kann. Es handelt sich um eine seltene, genetisch determinierte Form der Reflexepilepsien (3% aller Erwachsenen), die nicht in der Liste der Epilepsiesyndrome der internationalen Liga Gegen Epilepsie aufgeführt ist. Typisch ist der Beginn in der Jugend, alle Patienten sind photosensibel. Carbamazepin, Viagbatrin und Tigabin verstärken die Anfallsfrequenz. Daher war es auch bei unserer Patientin zur Steigerung der Anfallsfrequenz gekommen.

Fazit: Die Diagnose des Jeavons-Syndrom ist mittels EEG und direkter oder Video-Beobachtung einfach zu stellen, wenn an diese Diagnose differentialdiagnostisch gedacht wird. Bei vielen Patienten vergehen, wie im vorgestellten Fall, oft Jahre bis zur Diagnose.