Aktuelle Neurologie 2005; 32 - P312
DOI: 10.1055/s-2005-919346

Der „Testing-the Limits“-Ansatz in der Frühdiagnostik bei Demenzen vom Alzheimer-Typ

I Uttner 1, N Schurig 1, M Riepe 1
  • 1Ulm, Berlin

Gedächtnisbeeinträchtigungen gelten als Leitsymptom einer beginnenden Alzheimerdemenz (DAT), finden sich aber auch beim normalen Alterungsprozesses und bei affektiven Störungen. Versuche, diese Prozesse psychometrisch zu differenzieren, basieren üblicherweise auf wenig trennscharfen statusorientierten Verfahren. Eine Alternative hierzu könnte das Testing-the-Limits-Paradigma (TtL) sein, das nach dem Prinzip der Messwiederholung arbeitet und Messwertänderungen als quantifizierbaren Ausdruck kognitiver Plastizität interpretiert. Seine besondere Bedeutung ergibt sich aus dem Umstand, dass DAT-Patienten bereits im frühen Erkrankungsalter weniger von Lernhilfen profitieren als Depressive oder Personen mit gutartiger Altersvergesslichkeit (Baltes et al., Psychol Aging 1995;10:167–72).

Mit Blick auf einen Einsatz in der Demenzfrüherkennung erprobten wir ein aus Prä- und Posttest und zwischengeschalteter Orientierungsaufgabe bestehendes TtL-Paradigma. Jeder Versuchsdurchgang beinhaltete 10 Lernvorlagen sowie eine Wiedererkennungsaufgabe, die zusätzlich zu den 10 Zielitems 40 Distraktoren enthielt. 20 dieser Füllitems waren von den Zielbildern nur anhand ihrer semantischen Tiefeninformation unterscheidbar. Die Orientierungsaufgabe diente dazu, den Probanden die für die Enkodierung der Lernvorlagen relevante Strategie (Verbalisierung der semantischen Information) zu vermitteln. Eine clusteranalytische Auswertung erster Einsatzversuche an 30 stationären gerontopsychiatrischen Patienten und 30 gesunden altersgematchen Kontrollen zeigte hypothesenkonform einen signifikanten Benefit der Depressiven/Gesunden in Orientierungsaufgabe und Posttest, während demenzverdächtige Patienten von der Strategievermittlung nicht profitierten. Im Prätest zeigte sich erwartungsgemäß kein Unterschied zwischen den Patientengruppen.

Zielgruppe des aktuell laufenden Projekts sind Patienten der Gedächtnissprechstunde unserer Klinik, die nach differentialdiagnostischer Einordnung auf der Basis klinisch-neurologischer Untersuchung, klassischer psychometrischer Verfahren und Bildgebung auch das TtL-Wiedererkennungsparadigma durchlaufen. Die Durchführung dieses Verfahrens erfolgt unabhängig von der diagnostischen Charakterisierung der Patienten durch einen geblindeten Untersucher. Abschluss der Datenerhebung und Auswertung der Befunde sind für Juni 2005 geplant, ihre Vorstellung erfolgt vor dem Hintergrund aktueller Konzepte zu neuronaler/kognitiver Plastizität.