Aktuelle Neurologie 2005; 32 - P318
DOI: 10.1055/s-2005-919352

Funktionelle Hirnkorrelate anterograder und/oder retrograder Gedächtnisstörungen bei zwei Patienten mit psychogener Amnesie

M Brand 1, L.W Kracht 1, J Kessler 1, H.J Markowitsch 1
  • 1Bielefeld, Köln

Hintergrund: Psychogene Gedächtnisstörungen können sowohl einen selektiven Verlust des Altgedächtnisses (retrograde Amnesie) als auch Einbußen der Neugedächtnisbildung (anterograde Amnesie) umfassen, ohne dass hierfür strukturelle Hirnänderungen verantwortlich sind. Vorgestellt werden ein 23jähriger Patient (QR), der in Folge eines Autounfalls seine gesamte Autobiographie nicht mehr erinnern konnte sowie ein 50jähriger Patient (ST), der nach einem Treppensturz bei der Arbeit und im Kontext von familiärem und beruflichem Stress ebenfalls hinsichtlich seiner gesamten Autobiographie amnestisch wurde. Während Patient ST im Neulernen seiner Autobiographie nicht gemindert war, berichtete Patient QR von „Blackouts“, die jeweils im Abstand von ca. drei Wochen zu einer erneuten Amnesie für das bis dahin Gelernte führten.

Methoden: Beide Patienten wurden ausführlich neuropsychologisch untersucht. Zusätzlich wurden bei beiden Patienten ein Test zur Erfassung von Simulationstendenzen, ein autobiographisches Gedächtnisinterview, diverse Tests zum semantischen Altgedächtnis und Persönlichkeitsfragebögen eingesetzt. Ebenso fand über die Methoden der strukturellen Bildgebung (Magnetresonanztomographie, MRT) hinausgehend eine Untersuchung mit funktioneller Bildgebung (FDG-Positronenemissionstomographie, FDG-PET) statt.

Ergebnisse: Patient QR zeigte unterdurchschnittliche anterograde und retrograde Gedächtnisleistungen sowie exekutive Minderungen. Patient ST wies vorrangig autobiographisch-episodische retrograde Gedächtniseinbußen auf. Simulationstendenzen waren bei beiden Patienten nicht feststellbar. In der FDG-PET Untersuchung stellten sich bei beiden Patienten bei normgerechtem Globalglucosestoffwechsel die Bereiche der medialen Temporallappen (beidseits) als hypometabol dar.

Schlussfolgerung: Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass auch bei fehlender Hirnschädigung durch Trauma- und Stresssituationen ausgelöste Amnesien sowohl anterograde als auch retrograde Gedächtnisminderungen umfassen können. Mittels funktioneller Bildgebung lassen sich spezifische Hirnänderungen demonstrieren, die als Korrelate der Gedächtnisstörungen angesehen werden können.