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DOI: 10.1055/s-2005-919357
Worte machen einen Unterschied: diagnostische Wertigkeit des geschriebenen Satzes im „Mini Mental Status“
Der „Mini Mental Status“ (MMS) ist das am häufigsten zum Demenzscreening verwandte neuropsychologische Testverfahren. Die Gründe dafür liegen in der schnellen und einfachen Anwendbarkeit und der weiten Verbreitung des Verfahrens. Kritik am MMS bezieht sich auf die mangelnde Sensitivität, geringe Berücksichtigung von Gedächtnis- und zeitgebundenen Aufgaben sowie fehlende alters- und bildungsbezogenen Normwerte. Wünschenswert wäre eine maximale Nutzung der im MMS enthaltenen Information.
Fasziniert von formalen und inhaltlichen Auffälligkeiten der Sätze, die Demenzkranke im MMS schrieben, untersuchten wir den diagnostischen Wert der einzelnen geschriebenen Sätze im Hinblick auf ihre mögliche diagnostische Wertigkeit bei Demenzerkrankungen.
Fünfzig der im MMS geschriebenen Sätze von 50 kognitiv gesunden Patienten aus einer geriatrischen Klinik wurden in Kategorien eingeteilt. Nur 3 (6%) der geschrieben Sätze fielen nicht in die folgenden Kategorien: „Name“, „Aufenthaltsort/Umgebung“, „Wetter“, „Wünsche“ und „Sprichwörter/Redensarten“. Diese 5 Kategorien wurden auf die im MMS geschriebenen Sätze von 100 altersentsprechenden Patienten mit demenziellen Erkrankungen angewandt. Nur 45% der von Dementen geschriebenen Sätze fielen in die genannten 5 Kategorien. Hinzu kamen insbesondere Sätze unangemessenen emotionalen Gehaltes („Ich liebe Dich“, 5%), sogenannte „bizarre Sätze“, die in keinem Bezug zur Situation oder dem vorangegangenen Gespräch standen („Bismarck wohnt im Sachsenwald“, 22%) oder unlesbare Schreibversuche (16%). Weitere 12% fielen in keine fassbar zu beschreibende Kategorie.
Der Zusammenhang zwischen Satzkategorie und Zugehörigkeit zu einer der beiden diagnostischen Gruppen (kognitiv gesund vs. dement) war signifikant (Chi-Quadrat nach Pearson, p=0,000), die Höhe des Zusammenhangs lag im mittleren Bereich (Phi 0,571). Die Sensitivität der drei einzelnen Kategorien „emotional“, „bizarr“ oder „nicht lesbar“ war gering, ihre Spezifität jedoch betrug jeweils 100%. Im MMS geschriebene Sätze, die komplett unleserlich, unangemessenen emotionalen Gehalts oder nicht situationsadäquaten Inhalts sind, weisen aufgrund der o.g. Ergebnisse hochgradig auf eine Demenzerkrankung hin.