Aktuelle Neurologie 2005; 32 - P350
DOI: 10.1055/s-2005-919384

Anwendbarkeit Ereignis-korrelierter Potentiale (EKP) zur Untersuchung neuronaler Plastizität nach Cochlea Implantat Versorgung

I Bohrer 1, A Lesinski-Schiedat 1, C Dethlefsen 1, R Dengler 1, T Lenarz 1, T Münte 1, C Schröder 1, M Bangert 1, J Möbes 1, W Nager 1
  • 1Hannover, Magdeburg

Die therapeutische Versorgung mit einem Cochlea Implantat (CI) nach sensorisch bedingter beidseitiger Ertaubung ist seit mehr als 30 Jahren erfolgreich etabliert. Die Untersuchung ertaubter CI-Patienten direkt im Anschluss an die operative Versorgung bietet die einzigartige Möglichkeit, die zeitliche Dynamik neuronaler Plastizität im auditiven System zu untersuchen. Darüber hinaus ist die Entwicklung verhaltensunabhängiger Messparameter der akustischen Stimulusdiskrimination zur Optimierung der Rehabilitation nach CI-Versorgung im höchstem Maße wünschenswert. Ereignis-korrelierte Potentiale (EKP) ermöglichen die nicht-invasive Untersuchung dieser Mechanismen mit hervorragender zeitlicher Auflösung und sind im Gegensatz zu fMRI unbedenklich anwendbar.

7 Tage nach Erstanpassung eines CI wurde die Entwicklung aktiver akustischer Stimulusdiskrimination (N2b, P300/P3b) und die verhaltensunabhängige automatische Signaldetektion (MMN, P3a) untersucht. Dafür wurden 10 postlingual ertaubte Patienten in einer aktiven und passiven Versuchsbedingung mit einem modifizierten „oddball“-Paradigma (Standard-Ton f=800Hz, p=0.8; abweichender Ton f=2100Hz, p=0.1; neuartige Wechseltöne, p=0.1) untersucht.

Für das passive „oddball“-Paradigma konnte bereits 7 Tage nach Erstanpassung eine deutliche MMN für seltene akustisch wechselnde Stimuli nachgewiesen werden. Die Latenz und frontale Skalptopographie dieser Komponente entsprach dabei den Ergebnissen bei gesunden Probanden und weist auf eine rasche Entwicklung der automatischen Stimulusdiskrimination bei CI Trägern hin. Eine P3a-Komponente konnte ebenfalls mit typischer Latenz und Topographie nachgewiesen werden und weist auf bereits etablierte Mechanismen akustischer Orientierungsreaktionen direkt nach Implantation des CI hin. Bei aktiver Stimulusdetektion konnte eine P3b mit parietalem Amplitudenmaximum nachgewiesen werden. Als frühestes Zeichen aktiver Stimulusdetektion konnte eine frontale N2b mit einer Anfangslatenz von 180ms nachgewiesen werden. Nicht nur die Amplitude der aufmerksamkeitsabhängigen Komponenten (N2b, P3b) sondern auch die Amplitude der verhaltensunabhängigen Komponenten (MMN, P3a) korrelierte dabei mit der erreichten Detektionsleistung.

Patienten lassen somit elektrophysiologisch sowohl auf der Ebene der automatischen Stimulusdiskrimination als auch auf der aufmerksamkeitsabhängigen Ebene eine erstaunlich rasche neuronale Anpassung nach Reafferenzierung des akustischen Kortex durch ein CI erkennen.