Aktuelle Neurologie 2005; 32 - P354
DOI: 10.1055/s-2005-919388

Aktivierung von aufmerksamkeitsassoziierten Strukturen bei MS-Patienten in Abhängigkeit von Aufmerksamkeitsdefiziten: eine fMRT-Studie

K Nebel 1, P Stude 1, H Wiese 1, J Seyfarth 1, E Gizewski 1, H.C Diener 1, V Limmroth 1
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Hintergrund: Im Rahmen der vorliegenden Studie wurde die zerebrale Aktivität von Multiple Sklerose (MS)-Patienten bei Aufgaben zur geteilten Aufmerksamkeit untersucht. MS-Patienten mit ausgeprägten Defiziten in Aufmerksamkeitsleistungen, insbesondere im Untertest zur geteilten Aufmerksamkeit, wurden Patienten ohne solche Defizite gegenübergestellt.

Methoden: Zwölf Patienten mit supratentoriellen Läsionen und schubförmig verlaufender MS wurden mit einer computergestützten Testbatterie zur Aufmerksamkeitsprüfung (TAP) untersucht und anschließend in zwei Untergruppen (Prozentränge der Testergebnisse kleiner bzw. größer gleich 16) eingeteilt. Sechs MS-Patienten mit prominenten Aufmerksamkeitsdefiziten, sechs unbeeinträchtigte Patienten sowie alters-, geschlechts- und bildungsgematchte gesunde Probanden wurden mittels funktioneller Kernspintomographie (fMRT) untersucht. Das experimentelle Paradigma bestand aus visuellen Aufgaben, die geteilte Aufmerksamkeit erforderten.

Ergebnisse: MS-Patienten mit Defiziten in höheren Aufmerksamkeitsleistungen reagierten langsamer und fehlerhafter. In der funktionellen Bildgebung zeigte diese Patientengruppe im Vergleich zu Kontrollpersonen eine verminderte kortikale Aktivität im linken Gyrus frontalis superior, im bilateralen Gyrus frontalis medius und Gyrus praecentralis, im inferioren Parietallappen sowie im Cuneus. Hinweise auf kompensatorische Aktivität fanden sich nicht. MS-Patienten ohne Defizite unterschieden sich weder in den Verhaltensdaten noch in der funktionellen Bildgebung von Kontrollprobanden.

Schlussfolgerungen: Mit der vorliegenden Untersuchung konnte das funktionell anatomische Korrelat von Defiziten in der geteilten Aufmerksamkeit bei MS-Patienten ermittelt werden. Präfrontale und parietale Areale, die höhere Aufmerksamkeitsleistungen unterstützen, zeigten bei Patienten mit entsprechendem Defizit weniger Aktivierung. Diese verminderte Rekrutierung aufmerksamkeitsassoziierter Areale spiegelte sich in schlechteren Leistungen auf der Verhaltensebene wieder. Umgekehrt zeigten MS-Patienten ohne nachweisbare Defizite normal funktionierende neuronale Netzwerke, die Aufmerksamkeit und exekutive Kontrolle unterstützen. Hinweise auf kompensatorische Aktivität als ein Marker von Reorganisation im wenig fortgeschrittenen Erkrankungsstadium fanden sich in der untersuchten Stichprobe nicht.