Aktuelle Neurologie 2005; 32 - P374
DOI: 10.1055/s-2005-919408

Ein Fall einer paraneoplastischen Myelitis mit Anti-Ri-Antikörpern: Steuerung einer dreijährigen immunsuppressiven Therapie anhand klinischer und paraklinischer Parameter

F Leypoldt 1, A Münchau 1, J Lewerenz 1
  • 1Hamburg

Der antineuronale Antikörper Anti-Ri (ANNA-2) wurde bei einer Reihe von Patienten mit Hirnstammsymptomen – klassischerweise einem Opsoklonus-Myoclonus-Syndrom – als Ausdruck eines paraneoplastischen neurologischen Syndromes (PnS) beschrieben, kann jedoch auch mit anderen klinisch-neurologischen Manifestationen assoziiert sein. Dieser auch unter den PnS seltene Antikörper richtet sich gegen neuronale und nur im ZNS vorkommende Zellkernproteine (Nova-1 und Nova-2). Aufgrund der ektopen Expression im Tumor kommt es zur Autoimmunisierung und im folgenden zu einer Kreuzreaktivität gegen zentralnervöse Nervenzellen. Oft geht die klinische Manifestation des PnS um Jahre der Identifizierung des zugrunde liegenden Tumors voraus. Eine kausale Therapie des PnS besteht einzig in der kurativen Entfernung des Tumors. Ansonsten werden meist Immunsuppressiva mit geringem Erfolg angewandt.

Wir berichten den Fall einer 65-jährigen Patientin mit Anti-Ri positiver Myelitis und axonal-demyelinisierender Polyneuropathie. Klinisch besteht eine hochgradige Paraspastik mit normalen Muskeleigenreflexen, Bauchwandschwäche, Hypothenaratrophie und deutliche Pallhypästhesie (2/8). Die Myelitis stellte sich initial cervico-thorakal langstreckig und mit streng symmetrischer Kontrastmittelanreicherung in den Seitensträngen im MRT dar. Durch einer Kombination aus Cortison und Cyclophosphamid gelang es, nach klinischen, elektrophysiologischen (SEP, TMS) und liquoranalytischen Parametern die Erkrankung zum Stillstand zu bringen. Anhand wiederholter Rezidive unter Reduktion der Therapie können wir zeigen, dass die Zellzahl und der Albuminquotient im Liquor sowie SEP wertvolle Verlaufsparameter sind, die die Effektivität der Immunsuppression als auch subklinische Rezidive frühzeitig anzeigen können. Im Verlauf über drei Jahre unter Immunsuppression fand sich bisher kein Tumor, was für ein Anti-Ri-Syndrom nicht untypisch ist. Der wahrscheinlichste Ort der ektopen Proteinexpression des Zielantigenes Nova-1 und-2 ist ein mikroskopisches, okkultes Neoplasma der Mamma oder Lunge oder mastopathisch, degenerativ verändertes Brustdrüsengewebe.

Dieser Fall macht deutlich, dass sich bei PnS mit Nachweis von Anti-Ri-Antikörpern mittels einer durch paraklinische Parameter gesteuerten Immunsuppression über Jahre eine gute Stabilisierung erzielen lässt. Damit besteht ein deutlicher Unterschied zu der Prognose und Behandlung anderer PnS.