Aktuelle Neurologie 2005; 32 - P521
DOI: 10.1055/s-2005-919552

Kompensationsmechanismen innerhalb des zerebro-zerebellären Netzwerkes zur Steuerung von Augen- und Handbewegungen bei Patienten mit hereditärer spinocerebellärer Ataxie (SCA)

J Riesel 1, F Binkofski 1, C Erdmann 1, C Klein 1, D Kömpf 1, A Wolters 1, A Rolfs 1, M Nitschke 1
  • 1Lübeck, Rostock

Einleitung: Um herauszufinden,ob innerhalb des zerebro-zerebellären Netzwerkes bei Patienten mit hereditärer spinocerebellärer Ataxie (SCA) Kompensationsmechanismen existieren, untersuchten wir mittels fMRT die Aktivitierungen während visuell geführter Sakkaden und zielgerichteter Zeigebewegungen der rechten Hand. Die Ergebnisse wurden mit denen alters- und geschlechtskorrelierter Kontrollpersonen verglichen.

Methoden: Neun rechtshändige Patienten (5 SCA17, 3 SCA1, 1 SCA3) und neun alters- und geschlechts-gematchte Kontrollen nahmen an der Studie teil (12 Männer, 6 Frauen, 20–65 Jahre). Die Messung erfolgte bei 1,5 T (Siemens Symphony, EPI) und die Datenanalyse mit SPM 2. Die Probanden führten pseudorandomisiert Sakkaden oder zielgerichtete Zeigebewegungen der rechten Hand aus. Die Sakkaden und Zeigebewegungen, jeweils getriggert durch Farbwechsel des Zielpunktes, wurden durch Positionswechsel des Laserpunktes von der Mitte ausgehend pseudorandomisiert nach rechts oder links geführt. Als Kontrollbedingung diente die zentrale Fixation. Die Augenbewegungen und damit die Task-Performance wurden während der Messung mittels MR-kompatibler Infrarot-Okulographie aufgezeichnet.

Ergebnisse: Patienten und Normalpersonen aktivierten das zerebrale Netzwerk bestehend aus kortikalen Augenfeldern (v.a. frontale und supplementäre Augenfelder (FEF, SEF) und aus parietalen Arealen. Zeigebewegungen der rechten Hand aktivierten überlappend Regionen im FEF und parietalen Kortex sowie M1 und supplementär motorische Areale. Das Zerebellum zeigte bei Normalprobanden hauptsächlich im Vermis und in den Hemisphären (Lobuli IV–VI) lokalisierte Aktivität. Bei den Patienten zeigte sich eine reduzierte Aktivität in diesen Arealen. Im Gegensatz dazu fanden wir mehr Aktivität in fronto-parietalen Arealen sowie zusätzliche Foci im posterioren Zerebellum (Lobuli VII–VIII) für alle SCA-Typen.

Schlussfolgerung: Mit dieser Studie konnten wir plastische Kompensationsmechanismen innerhalb des cerebro-cerebellären Netzwerkes zur Steuerung von Augen- und Handbewegungen bei Patienten mit SCA demonstrieren. Erwartungsgemäß zeigten sich die üblicherweise bei Normalpersonen aktivierten cerebellären Areale bei den Ataxie-Patienten minderaktiviert bei kompensatorisch zusätzlichen cerebralen Aktivierungen. Interessanterweise kam es bei den Patienten aber auch zu spezifischen Aktivierungen innerhalb des posterioren Cerebellums (Lobuli VII-VIII), die bei den Kontrollpersonen nicht beobachtet werden konnten.