Aktuelle Neurologie 2005; 32 - P525
DOI: 10.1055/s-2005-919556

Pathophysiologie der benignen familiären neonatalen Convulsionen (BFNC): immunhistochemische Analyse des KCNQ2 Kanals während der Entwicklung

Y.G Weber 1, J Geiger 1, K Kämpchen 1, K Lindenberg 1, B Landwehrmeyer 1, C Sommer 1, H Lerche 1
  • 1Ulm, Mainz

Benigne familiäre neonatale Convulsionen (BFNC) ist ein autosomal dominant vererbtes Syndrom. BFNC ist durch das Auftreten von unprovozierten epileptischen Anfällen in den ersten Lebenstagen gekennzeichnet, die im Laufe von Wochen bis Monaten sistieren. Es wurden generalisierte tonisch oder klonische Anfälle teilweise mit Apnoeattacken aber auch fokale Anfälle beobachtet. Wenige iktal abgeleitete EEGs zeigten sowohl einen fokalen Anfallsbeginn als auch generalisierte Anfallsmuster. Interiktuale EEGs und MRT-Untersuchungen sind regelrecht. Der benigne Verlauf ist durch ein permanent gutes Ansprechen auf Antikonvulsiva als auch durch eine normale psychomotorische Entwicklung gekennzeichnet. Lediglich ca. 15% der Patienten entwickeln weitere, seltene epileptische Anfälle im Laufe des späteren Lebens. In Familien mit BFNC wurde Mutationen in den Kaliumkanälen KCNQ2 und KCNQ3 nachgewiesen, die zu einem Funktionsverlust der Kanäle mit einer Reduktion des Kaliumstroms führen. Dies erklärt das Auftreten epileptischer Anfälle über eine Störung der Repolarisation der Zellmembran und eine resultierende neuronale Hyperexcitabilität. Bis heute ist jedoch unklar, warum die epileptischen Anfälle nahezu ausschließlich in den ersten Lebenstagen auftreten. Ein Erklärungsansatz könnte eine Veränderung des Expressionsverhaltens von KCNQ2 und KCNQ3 während der frühen postnatalen Entwicklung sein. Es wurde eine immunhistochemische Analyse von Mäusegehirnschnitten in verschiedenen Stadien der postnatalen Entwicklung mittels eines Antikörpers gegen den C-terminalen Anteil von KCNQ2 durchgeführt. Eine weit verbreitete Expression von KCNQ2 wurde nachgewiesen, insbesondere im Bereich des Hippocampus, Caudoputamen, Globus pallidum, Cortex, Thalamus, Hypothalamus und im Bereich des Mittelhirns. In Gehirnen erwachsener Mäuse fand sich ein vorherrschend axonales Färbemuster im wesentlichen im Bereich des Caudoputamens, des Alveus und des Moosfasergeflechtes des Hippocampus. Dieses Muster war nicht in den postnatalen Tagen (P) P1 bis P8 vorhanden und entwickelte sich von P11 bis P21. Da dieser Zeitraum mit der menschlichen Neonatalperiode vergleichbar ist, könnte eine sich langsam entwickelnde axonale Expression der KCNQ2 Kanäle eine erhöhte Anfallssuszeptibilität in der Neonatalperiode und eine Altersabhängigkeit von BFNC erklären.