Aktuelle Neurologie 2005; 32 - P627
DOI: 10.1055/s-2005-919658

Kopfschmerzzuordnung: Cave naheliegende Diagnose

U Pulkowski 1, U Grzyska 1, C Weiller 1, H Henningsen 1
  • 1Lüneburg, Hamburg

Ein 60-jähriger Patient ohne ernste Vorerkrankungen, ohne Kopfschmerzanamnese und ohne Vormedikation klagt zweimalig in Wochenabstand jeweils direkt nach dem Orgasmus nach Masturbation über kurz anhaltende, bifrontal mäßig ausgeprägte Kopfschmerzen, nach dem zweiten Ereignis für einige Tage über allgemeines Unwohlsein. Seine telefonische Nachfrage eine Woche nach dem Zweitereignis in der neurologischen Klinik lässt anhand der Anamnese den primären Kopfschmerz bei sexueller Aktivität wahrscheinlich erscheinen, trotzdem wird er um eine sofortige Vorstellung in der Notfallambulanz gebeten.

Dort zeigt sich ein unauffälliger neurologischer Befund, insbesondere kein Nachweis eines Meningismus. Das angefertigte CCT ist neben diskreten mikroangiopathischen Veränderungen ohne Blutungshinweis, die anschließend durchgeführte Liquorpunktion weist eindeutig frisches Blut nach, so dass die Diagnose einer Subarachnoidalblutung I° nach Hunt und Hess gestellt wird.

Nach Verlegung in ein interventionelles Zentrum zeigt sich angiographisch ein 1,5mm großes, breitbasiges Aneurysma der A. communicans anterior. Aufgrund der geringen Größe und der schwierigen Basiskonfiguration erfolgt die neurochirurgische Versorgung mittels Clipping.

Im weiteren Verlauf treten generalisierte, unter Nimodipin rückläufige Vasospasmen auf mit nachfolgend multiplen kleineren frischen Infarkten, vor allem im linken Mediastromgebiet und im rechten Posteriorstromgebiet.

Unter einer rehatherapeutischen Behandlung zeigte sich die verbleibende Feinmotorikstörung der rechten Hand rückläufig.

Schlussfolgerung: Die Diagnostik der „gefährlicheren“ Differentialdiagnose sollte auch bei dafür nicht gänzlich typischer Befundkonstellation immer konsequent bis zum Ende geführt werden, um für den Patienten tragische und forensisch relevante Fehldiagnosen zu vermeiden.