Aktuelle Neurologie 2005; 32 - P633
DOI: 10.1055/s-2005-919664

Okulogyre Krisen auch durch Tramadol?

C.J Bux 1, B Alber 1, A.M Schleyer 1, W Aurnhammer 1, B Widder 1
  • 1Günzburg

Einleitung: Bei der okulogyren Krise handelt es sich um eine extrapyramidale Nebenwirkung verschiedener Pharmaka. Typischerweise tritt sie bei der Behandlung mit Phenothiazinen auf. Das klinische Bild ist von periodischen tonischen Aufwärtsbewegungen beider Augen in Kombination mit Lidhebung und Hyperextension des Nackens gekennzeichnet.

Fallbericht: Die 20-jährige Patientin hatte sich Verbrühungen zugezogen und war deshalb im Rahmen der ambulanten chirurgischen Versorgung intravenös mit Tramadol, Metamizol und Pantoprazol behandelt worden. Einige Stunden später stellte sie sich in der neurologischen Notaufnahme mit dem typischen klinischen Bild einer okulogyren Krise vor. Auf Biperiden-Gabe kam es zur vollständigen Rückbildung der Symptomatik.

Diskussion: Das typische klinische Bild mit promptem Ansprechen auf die Behandlung mit Biperiden lässt die Diagnose einer okulogyren Krise als gesichert erscheinen. Neuroleptika waren nicht gegeben worden. Von den drei Pharmaka, die die Patientin erhalten hatte, sind prinzipiell zentralnervöse Nebenwirkungen am ehesten von Tramadol zu erwarten. Neben der allgemein bekannten Auslösung okulogyrer Krisen durch Neuroleptika, finden sich in der Literatur vereinzelt Fallberichte über das Auftreten dieser Nebenwirkung nach Gabe anderer zentralnervös wirkender Substanzen (u.a. Carbamazepin). Opioide betreffend fanden sich bei Literaturdurchsicht zwei Berichte über dadurch vermutlich induzierte okulogyre Krisen. Diese berichten über das Auftreten nach Pentazocin- bzw. Heroin-Applikation. Als pharmakologischer Mechanismus wird ein Agonismus am Sigma-Opiatrezeptor mit konsekutiver Modulation von Dopaminrezeptoren postuliert. Dieser Fallbericht legt nahe, dass okulogyre Krisen auch eine seltene Nebenwirkung von Tramadol sind.