Aktuelle Neurologie 2005; 32 - P635
DOI: 10.1055/s-2005-919666

Pregabalin-Interaktion und Intoxikation unter Dauertherapie mit Lithium in der Behandlung chronischer Schmerzen

M Bußmeyer 1, B Budde 1, J Vollmer-Haase 1, H Buchner 1, C.G Haase 1
  • 1Recklinghausen

Fallbeschreibung: Die 66jährige Patientin befand sich wegen chronischer Schmerzen, infolge einer lumbalen Spinalkanalstenose mit Radikulopathie in auswärtiger schmerztherapeutischer Behandlung. Wegen einer bipolare affektive Psychose wurde sie seit mehreren Jahren mit retardiertem Lithiumcarbonat [450mg (=10,8mmol Li+)] behandelt. Ansonsten nahm sie wegen einer arteriellen Hypertonie 10mg Torasemid, 12,5mg Hydrochlorothiazid und 16mg Atacand ein. Ein leichtgradiger Diabetes mellitus IIb ohne Zeichen einer Neuro-oder Nephropathie wurde diätetisch behandelt. Schmerztherapeutisch erhielt sie täglich 400mg Ibuprofen sowie 35mg Amitryptilin.

Wenige Tage vor der stationären Aufnahme war eine Medikation aus Pregabalin 2×75mg/Tag begonnen und am Aufnahmetag erstmalig auf 150mg gesteigert worden. Kurz danach stellte sich die Patientin wegen akut aufgetretenem ausgeprägten Schwindelgefühl, Gangunsicherheit und verwaschener Sprache vor.

In der klinisch-neurologischen Untersuchung zeigte sich ein Nystagmus in alle Blickrichtungen, eine Dysarthrie, eine Gangunsicherheit mit ungerichteter Fallneigung neben der bekannten distal betonten Fußhberparese links, zudem beidseitige periphere Beinödeme. Unter dem Verdacht einer Intoxikation wurden mittels CCT, EKG und Rö-Thorax sowie laborchemisch, einschl. Liquoranalyse weitere Ursachen ausgeschlossen. Der Li+-Spiegel betrug 0,63mmol/l (N 0,6–1,2mmol/l), Kreatinin war mit 1,19mg/dl, Harnstoff mit 61mg/dl erhöht. Nach Absetzen des Pregabalin unter Fortführung der Lithiumtherapie besserten sich die Symptome der Patientin rasch, so dass wir die Diagnose einer Überdosierung mit Pregabalin bei diabetischer Nephropathie/Niereninsuffizienz und in Kombination mit Lithium stellten.

Schlussfolgerung: Das Auftreten von Nystagmen unter Therapie mit Pregabalin wurde bisher nicht beschrieben und sind als akute Intoxikation zu werten. Wenngleich bei der Patientin die Niereninsuffizienz zuvor nicht bekannt war, kann jedoch die alleinige Erhöhung der Pregabalindosis die akute Intoxikation nicht erklären, so dass eine nephrologische Interaktion von Pregabalin und Lithium bei verminderter Nierenperfusion infolge NSAID Behandlung zu vermuten ist. Da Patienten mit bipolaren Psychosen und somit Lithium-Ko-medikation bisher in den Studien mit Pregabalin ausgeschlossen waren, empfehlen wir eine besondere Vorsicht beim kombinierten Einsatz der Medikamente in der Schmerztherapie.