psychoneuro 2005; 31(11): 541
DOI: 10.1055/s-2005-922537
Blickpunkt

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Wenn die Seele leidet - Warum leiden Frauen häufiger an Depressionen?

Further Information

Publication History

Publication Date:
25 November 2005 (online)

 

Rein statistisch treten Depressionen bei Frauen etwa zwei bis dreimal häufiger auf als bei Männern. Dieser Unterschied zeigt sich bereits ab der Pubertät. Als mögliche Ursache wird das Zusammenwirken einer Vielzahl von Faktoren diskutiert: Eine besondere biologische Veranlagung ebenso wie hormonelle Einflüsse, die jeweilige Lebens- und Partnerschaftssituation, spezifische Bewältigungsmechanismen und nicht zuletzt ein geschlechtsspezifischer Umgang mit Krankheitssymptomen.

Östrogen beeinflusst die Konzentration der Neurotransmitter Serotonin und Noradrenalin, deren Ungleichgewicht auf neurochemischer Ebene bei der Entstehung von Depressionen eine wichtige Rolle spielt. "Der Menstruationszyklus, eine Schwangerschaft, die Zeit nach der Entbindung, der Eintritt der Wechseljahre sowie eine eventuell erforderliche Hormonbehandlung sind Situationen, in denen manche Frauen teils ausgeprägte psychische Veränderungen erleben", so Frau Prof. Anke Rohde, Leiterin des Funktionsbereiches Gynäkologische Psychosomatik des Zentrums für Geburtshilfe und Frauenheilkunde der Universität Bonn. Psychische Störungen der Mütter treten bei 10-15% aller Geburten auf, manchmal auch noch Monate nach der Entbindung. Unbehandelt werden diese oft chronisch und können auch einen nachhaltig negativen Einfluss auf das Kind haben. Auch die Wechseljahre stellen eine Lebensphase dar, in der Frauen häufiger eine Depression entwickeln. Prof. Rohde: "Nie waren so viele Frauen so lange in den Wechseljahren wie heute". Frauen leben durch die gestiegene Lebenserwartung heute durchschnittlich noch 30 Jahre, nachdem die Wechseljahre begonnen haben. Eine Phase die von großen hormonellen Veränderungen geprägt ist. Das war früher nicht so, denn vor etwa 100 Jahren erreichten aufgrund der geringeren Lebenserwartung viel weniger Frauen dieses Alter.

Die Symptome einer Depression sind nicht nur seelischer, sondern oft auch körperlicher Natur z.B. Kopf-, Bauch- oder Rückenschmerzen, Libidoverlust oder Appetitstörungen. Somatische Störungen maskieren die Depression und erschweren die Diagnostik. Eine geeignete Therapie kann Betroffenen frühzeitig helfen, damit sie schnell gesunden und ihre Lebensfreude zurückgewinnen. Insbesondere Medikamente mit dualem Wirkmechanismus, wie die selektiven Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (sSNRIs) haben sich bei Depressionen, gerade auch bei den Formen, die mit körperlichen Symptomen einhergehen, bewährt. "Im Gegensatz zu den älteren Antidepressiva greifen diese modernen Medikamente selektiv in die Wiederaufnahme von Serotonin und Noradrenalin ein und sind gut verträglich", erklärte Prof. Klaus Wahle, niedergelassener Allgemeinarzt in Münster. sSNRIs sind vom Erkrankungsbeginn an einsetzbar. Auch die körperlichen Symptome können deutlich gebessert werden, da Serotonin und Noradrenalin auch in die Weiterleitung von Schmerzen involviert sind. Ein Vertreter dieser Wirkstoffklasse ist Venlafaxin. Er ist zur Behandlung von Depressionen mit und ohne Angstsymptomatik sowie für die Erhaltungstherapie und Vorbeugung von Rückfällen depressiver Erkrankungen zugelassen. Venlafaxin retard (Trevilor® retard) besitzt ferner die Zulassung zur Therapie der generalisierten Angststörung und zur Behandlung der sozialen Angststörung (soziale Phobie).

Die Rate vollständiger Gesundung unter sSNRIs wie Venlafaxin scheint höher zu sein als z.B. bei der Therapie mit Wirkstoffen, die allein die Wiederaufnahme des Serotonins hemmen. Dies zeigt u.a. eine umfassende Meta-Analyse, die 31 randomisierte, doppelblinde Studien weltweit verglich ([1]). Anhand des Hamilton-Depression-Score, HAM-D21 (Angst/ Somatisation Responder Raten) wurden die mit verschiedenen therapeutischen Ansätzen erzielten Remissionsraten analysiert. Untersucht wurde die Effektivität von Venlafaxin/Venlafaxin retard (n = 3258), von verschiedenen SSRI (n = 3204: n = 1640 Fluoxetin, n = 680 Paroxetin, n = 652 Sertralin, n = 198 Citalopram, n = 34 Fluvoxamin) sowie Plazebo (n = 930) über acht Wochen. Nach den HAM-D21-Werten beträgt die Remissionsrate der körperlichen Symptome unter Venlafaxin 38%, im Vergleich zu 32% unter SSRI und 25% unter Plazebo. Die Unterschiede waren signifikant (p < 0,001).

pm

Literatur

  • 3 Entusuah R . et al . Venlafaxine vs SSRIs: Comparison of Complete Somatic Symptom Resolution. Poster auf der 156. Jahrestagung der APA, 17.-23. Mai 2003, San Francisco. 
    >