Psychiatr Prax 2006; 33(2): 100
DOI: 10.1055/s-2006-933638
Fortbildung und Diskussion
Stellungnahme
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

zum offenen Brief von Karl. H. Beine (Arbeitskreis der Chefärztinnen und Chefärzte von Kliniken für Psychiatrie und Psychotherapie an Allgemeinkrankenhäusern in Deutschland) zum Thema "Anstaltsneubau in Gütersloh", Psychiat Prax 2005; 32:372-373

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Publication Date:
03 March 2006 (online)

 

Sehr geehrter Herr Prof. Beine,

sehr geehrte Damen und Herren,

Der Landesverband Psychiatrie-Erfahrener e.V. NRW (LPE NRW) hält die Anbindung der psychiatrischen Abteilungen an die Allgemeinkrankenhäuser, wenn überhaupt, lediglich für einen eher vernachlässigbaren Vorteil. Der Sichtweise, dass psychische Störungen so evtl. gesellschaftlich entstigmatisiert würden, weil man sie ja mit anderen somatischen Erkrankungen gleichsetzt, stimmen große Teile unserer Mitgliedschaft so nicht zu. Sie halten vielmehr die dadurch eingehandelten Risiken einer rein somatisch-medizinischen Sicht- und Behandlungsweise, die psychische Störungen lediglich für eine Entgleisung des Hirnstoffwechsels hält, und die eigentlichen, tiefer liegenden psychosozialen Ursachen ausklammert, für ungleich größer. Wir können uns von daher auch nicht Ihrer Empfehlung für einen Neubau einer psychiatrischen Abteilung mit 88 Krankenhausbetten für die von Ihnen veranschlagten Kosten von € 9670000,- an einem der Allgemeinkrankenhäuser in Gütersloh anschließen. Zumal dies gegenläufig zu dem auch in der Psychiatrie inzwischen geltenden Behandlungsgrundsatz ambulant vor stationär wäre.

Dies würde vielmehr den immer stärker zu beobachtenden Trend in der Medizin zur rein stofflichen Behandlung von psychischen Störungen mit Psychopharmaka unserer Meinung nach nur noch verstärken. Dem können wir unter gar keinen Umständen Vorschub leisten. Wirklicher Fortschritt wäre u.E. erst erreicht, wenn nicht nur die Chefärztinnen und Chefärzte der Kliniken für Psychiatrie und Psychotherapie an Allgemeinkrankenhäusern sich vor Augen führten, dass mit der isolierten medizinischen Sicht- und Behandlungsweise von so genannten psychischen Erkrankungen mit den verschiedenen Psychopharmaka, wie Neuroleptika u.ä. nur eine rein symptomatische Behandlung erfolgt - mit einem hohen Rückfall- und Spätschädenrisiko - auch und gerade bei einer prophylaktischen Behandlung mit Psychopharmaka über einen längeren Zeitraum.

Speziell bezogen auf den geplanten Neubau auf dem Gelände der WKPPN Gütersloh, können wir nur unser Unverständnis äußern. Nachdem in Detmold und Herford die gemeindenahe stationäre Versorgung aufgebaut wurde und die westfälische Klinik Gütersloh nunmehr ausschließlich den Pflichtversorgungsauftrag für Stadt und Kreis Gütersloh wahrzunehmen hat, halten wir einen Neubau für eine Verschwendung von Steuermitteln, zumal in den letzten Jahren eine ganze Reihe von Stationshäusern vollständig saniert und renoviert worden sind. Wir nennen hier nur das Fritz-Leßner-Haus I und II sowie das Hermann-Simon-Haus I und II. Egal, wo die psychiatrische Klinik Gütersloh künftig organisatorisch angebunden wird, ob sie eine Klinik des Landschaftsverbandes bleibt oder ob sie einem Allgemeinkrankenhaus angegliedert wird, so lässt sich mit wesentlich weniger finanziellem Aufwand eine verbesserte Wohnsituation für die dortigen Patienten schaffen, wenn in der bestehenden Bausubstanz noch ein paar Stationen durchrenoviert werden und das Ergebnis wäre atmosphärisch angenehmer als ein steriler Neubau.

Mit freundlichem Gruß

Lothar Bücher

für den Vorstand des LPE NRW

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