Notfall & Hausarztmedizin 2006; 32(2): 55
DOI: 10.1055/s-2006-934063
Editorial

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Neue Leitlinien zur Kardiopulmonalen Reanimation - aber welche denn bitte?

Peter Knuth
Further Information

Publication History

Publication Date:
01 March 2006 (online)

Im November 2005 hat der European Resuscitation Council (ERC) seine Guidelines for Resuscitation 2005 publiziert. Im gleichen Monat veröffentlichte das Internationale Liaison Committee on Resuscitation

(ILCOR) gleichfalls Guidelines for Resuscitation und im Dezember 2005 erschien in Circulation die amerikanische Sicht der Reanimationsempfehlungen als American Heart Association (AHA) Guidelines for Cardiopulmonary Resuscitation and Emergency Cardiovascular Care.

Wesentlich ist, dass eigentlich sowohl die ERC, als auch die AHA-Empfehlungen auf dem ILCOR-Konsensus beruhen sollten. So weit so gut, könnte man meinen.

Studiert man dann die einzelnen Empfehlungen genauer, wird sehr schnell deutlich, dass sich nicht nur die Prozeduren bei der Kardiopulmonalen Reanimation erheblich verändert haben, sondern dass auch die einzelnen Empfehlungen von ERC, ILCOR und AHA in wichtigen Punkten widersprüchlich und untereinander abweichend sind.

Das Verhältnis Thoraxkompression/Ventilation ändert sich auf 30 zu 2. Eine Unterscheidung nach Ein- oder Zwei-Helfer-Methode hinsichtlich der Ventilations- / Kompressionsverhältnisse besteht nicht mehr. Nach den Empfehlungen der AHA wird die Reanimation immer mit zwei primären Beatmungen vor den 30 folgenden Thoraxkompressionen gestartet, laut ERC werden 30 Thoraxkompressionen appliziert, aber immer ohne vorhergehende Beatmungen.

Bei den ERC-Empfehlungen zu den Medikamenten, die bei der Reanimation angewandt werden sollen, taucht plötzlich für die Diagnose Asystolie oder pulslose elektrische Aktivität Theophyllin auf, während bei den AHA-Empfehlungen das Wort Theophyllin, verständlicherweise, an keiner Stelle auftaucht. Einmal davon abgesehen, dass Theophyllin für die genannten Anwendungsbereiche nicht zugelassen ist, gibt es keine Evidenz für die Wirksamkeit von Theophyllin. Diese Auflistung ließe sich fast beliebig erweitern.

Nun könnte man die Situation als eine der nicht seltenen akademischen Auseinandersetzungen um die „Richtigkeit einer Methodik” bewerten, wenn nicht einheitliche Reanimationsrichtlinien zwingend erforderlich wären.

Die in der Herz-Lungen-Wiederbelebung ausbildenden Hilfsorganisationen brauchen klare, eindeutige und einheitliche Vorgaben für das Wissen, das sie Laien und auch Rettungsdienstpersonal vermitteln. Dies ist schon deshalb erforderlich, weil die Schulung der Ausbilder und die Gestaltung der Unterrichtsmedien davon abhängen.

Es ist wieder eine Situation eingetreten, die es vor etwa 15 Jahren schon einmal gab, als eine Vereinheitlichung der in Deutschland gültigen Reanimationsrichtlinien erforderlich wurde. Das Gremium, das diese Aufgabe übernehmen muss, gibt es noch, nämlich den Deutschen Beirat für Erste Hilfe und Wiederbelebung bei der Bundesärztekammer, damals in Köln, jetzt in Berlin.

Prof. Dr. med. Peter Knuth

Wiesbaden

    >