psychoneuro 2006; 32(6): 290
DOI: 10.1055/s-2006-948050
Im Gespräch

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Interview mit Prof. Max Schmauß, Augsburg - Rezidive versuchen zu vermeiden

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Publication Date:
10 July 2006 (online)

 

Max Schmauß

Neben der Symptomkontrolle ist die effektive Verhinderung von Rezidiven ein wesentliches Ziel antipsychotischer Langzeittherapien. Inwiefern ist man diesem Ziel mit der Einführung atypischer Antipsychotika näher gekommen?

Prof. Schmauß: Neben Clozapin stehen andere atypische Antipsychotika seit Mitte der 90er-Jahre für die Behandlung der Schizophrenie zur Verfügung. Mit deren Verfügbarkeit haben sich auch die Therapieziele und damit die Outcome-Kriterien der Behandlung geändert: Die Positivsymptomatik steht nicht mehr alleine im Fokus unserer Bemühungen, wir wollen mit einer modernen antipsychotischen Therapie auch die Negativsymptomatik und die Kognition unserer schizophrenen Patienten bessern. Wesentlicher Aspekt einer Therapie mit atypischen Antipsychotika ist auch die Rezidivprophylaxe schizophrener Erkrankungen. Wir wissen, dass sich mit jedem Rezidiv eines Patienten die Zeit bis zur Remission deutlich verlängert. Nach dem ersten Rezidiv beträgt diese im Mittel 47 Tage, nach dem dritten Rezidiv bereits 130 Tage. In einer Metaanalyse zeigen atypische Antipsychotika in der Rezidivprophylaxe schizophrener Erkrankungen bessere Ergebnisse als die klassischen Antipsychotika. Die Rückfallrate beträgt in den in die Metaanalyse integrierten Studien für atypische Antipsychotika 15%, für klassische Antipsychotika 23%. Diese Differenz von 8% ist bei der großen Anzahl schizophren Erkrankter erheblich und klinisch relevant.

Besteht für Sie ein Widerspruch zwischen Rezidivschutz und Selbstbestimmung des Patienten?

Schmauß: Wesentliche Voraussetzung für eine effektive medikamentöse Rezidivprophylaxe ist die gute Compliance unserer Patienten. Dies setzt eine gewisse Krankheitseinsicht voraus, die durch Psychoedukation geschult werden kann. Nach einer akuten Behandlungsphase nimmt die Compliance der schizophrenen Patienten im weiteren Krankheitsverlauf häufig ab. Unter einer oralen antipsychotischen Therapie sind viele Patienten nicht oder nur teilweise compliant, selbst wenn sie mit den deutlich besser verträglichen atypischen Antipsychotika behandelt werden.

In der CATIE-Studie sind für die insgesamt hohen Abbruchraten unter allen verordneten Antipsychotika hauptsächlich Patienten assoziierte Gründe verantwortlich. Eine Möglichkeit, die Compliance unserer Patienten zu verbessern, könnte in der Verabreichung atypischer Depotpräparate bestehen. Laut einer Umfrage unter 300 Patienten an saarländischen psychiatrischen Kliniken (FAME-Studie) würde jeder vierte Patient eine derartige Behandlung ohnehin bevorzugen! Die behandelnden Ärzte sollten diese Wünsche der Patienten einer geeigneten Rezidivprophylaxe ernst nehmen. Risperidon ist als Depotantipsychotikum besonders gut verträglich und bietet einen effektiven Schutz in der Rezidivprophylaxe schizophrener Störungen. Für alle Patienten, die prinzipiell mit einer langfristigen medikamentösen Therapie einverstanden sind, und das sind laut FAME-Umfrage etwa 75%, ist ein atypisches Depotantipsychotikum eine sinnvolle Wahl.

Offenbar ist der Rezidivschutz eines der wichtigsten Ziele in der Therapie schizophrener Patienten. Warum sind die Rückfallraten denoch relativ hoch?

Schmauß: Eine Reihe von schizophrenen Patienten wird nach wie vor mit klassischen Antipsychotika behandelt. Die Verordnung dieser Substanzen ist mit einer hohen Rate an extrapyramidalmotorischen Störungen assoziiert. Dies führt zu deutlichen Problemen in der Compliance. Die Verträglichkeit der atypischen Antipsychotika ist deutlich besser und das Risiko für tardive Dyskinesien minimiert. Eine höhere Compliance bedeutet bessere Erfolge in der Rezidivprophylaxe, weniger Rückfälle, damit verbunden sind geringere direkte und indirekte Krankheitskosten.

Welche Rolle kann Ihrer Meinung nach langwirksames Risperidon (Risperdal® Consta®) zur effektiven Rezidivprophylaxe einnehmen?

Schmauß: Depotpräparate atypischer Antipsychotika wie Risperdal® Consta® sind in der Langzeitbehandlung schizophrener Erkrankungen eine extrem wichtige Therapieoption. Die Vorteile der Depotpräparate gegenüber der oralen Applikationsform sind die Vermeidung der hepatischen First-pass-Metabolisierung, die Stabilisierung des Serumspiegels und der gesicherte Applikationsmodus. Dies alles lässt einen verbesserten Rezidivschutz bei sehr guter Verträglichkeit der Langzeittherapie erwarten. Ob damit auch sehr hochgesteckte neue Behandlungsziele wie eine Patientenautonomie und eine völlige Wiederherstellung des prämorbiden Ausgangsniveaus erreicht werden können, bleibt abzuwarten.

Ein Rezidiv einer schizophrenen Erkrankung bedeutet für den Patienten einen gravierenden Einschnitt in seine Lebensgestaltung. Die Integration eines Patienten in sein berufliches und soziales Umfeld nach einer Krankheitsphase kann Jahre dauern. Eine gute Rezidivprophylaxe ist deshalb absolute Grundlage in der Langzeittherapie schizophrener Erkrankungen. Aus den S3-Leitlinien Schizophrenie der DGPPN lässt sich entnehmen, dass bereits nach der Erstmanifestation einer Schizophrenie eine mindestens 12monatige medikamentöse Behandlung erforderlich ist. Nach dem ersten Rezidiv einer schizophrenen Erkrankung erscheinen mindestens zwei, besser fünf Jahre für eine adäquate Rezidivprophylaxe sinnvoll. Bei multiplen Rezidiven ist häufig eine lebensbegleitende Behandlung notwendig und erforderlich.

Vielen Dank für das Gespräch!

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