Notfall & Hausarztmedizin 2006; 32(6): 331
DOI: 10.1055/s-2006-948542
Medizin & Internet

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80-100 Stunden privat am Arbeitsplatz surfen - Kein Kündigungsgrund

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Publication Date:
14 July 2006 (online)

Ob und in welchem Umfang die Nutzung betrieblicher Kommunikationseinrichtungen wie Internet und Telefon zu privaten Zwecken arbeitsvertragswidrig ist, richtet sich vorrangig nach den vertraglichen Regelungen. Fehlt eine solche Regelung, so muss der Arbeitgeber in der Regel berechtigter Weise derartige Handlungen in angemessenem Umfang dulden, sagt das Landesarbeitsgericht Köln [1].

So genannte „sozialtypische” Internetnutzung ist legitim

Im konkreten Fall führte eine Anwaltsgehilfin während ihrer anderthalbjährigen Tätigkeit in einer Anwaltkanzlei private Telefonate in einem Umfang von etwa 55 Stunden und 22 Minuten. Darüber hinaus surfte sie - privat - mit Hilfe des Internetanschlusses an ihrem Arbeitsplatz in einem Umfang von etwa sechs Stunden, hauptsächlich zum Zweck, ihre private E-Mail abzufragen. Nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses verklagte sie der Arbeitgeber auf Schadensersatz. Er behauptete, dass er die private Nutzung des Telefons und des Internetanschlusses von Anfang an verboten habe. Zudem habe er während des Arbeitsverhältnisses nicht bemerkt, dass die Mitarbeiterin sich über das Verbot hinweggesetzt habe. Die in den Telefonrechnungen aufgeführten Einzelverbindungsnachweise habe er nicht kontrolliert. Ihm stehe über die entstandenen Kosten (ca. 175 Euro) hinaus eine Entschädigung auch für die entgangene Arbeitszeit zu (ca. 1660 Euro).

Vor dem Landesarbeitsgericht Köln bekam er jedoch nicht recht. Für einen Schadensersatzanspruch fehle es, so das Gericht, an einer Pflichtverletzung der Mitarbeiterin. Eine solche hätte nur dann vorgelegen, wenn die privaten Telefonate sowie die private Nutzung des Internetanschlusses gegen die Pflichten aus dem Arbeitsvertrag verstießen. Hierzu bedürfe es eines ausdrücklichen Verbotes. Der Arbeitgeber habe nicht nachgewiesen, dass ein solches bestanden habe. Hiergegen spreche allein schon, dass er seine Mitarbeiterin nicht durch Überprüfung der Einzelverbindungsnachweise kontrolliert habe. Insgesamt kommt das Gericht zu der Auffassung, dass „selbst bei einem Zeitraum von 80 bis 100 Stunden privater Internetnutzung am Arbeitsplatz innerhalb eines Jahres noch kein Ausmaß erreicht ist, in dem der Arbeitnehmer zwingend damit rechnen muss, dass die Duldung durch den Arbeitgeber ausgeschlossen ist.” Sprich, selbst bei einer solchen „sozialtypischen” Internetnutzung - wie das Gericht formuliert -, dürfen Mitarbeiter nicht gekündigt werden (100 Stunden entsprechen immerhin rund 5 % der Arbeitszeit!).

Überwachungssysteme sind in Deutschland unzulässig

Hinweis: Die Verallgemeinerung der vom Gericht geforderten „Kontrolle von Einzelverbindungsnachweisen der Telefongesellschaft” auf eine umfassende Kontrolle auch der Internet-Nutzung von Arbeitnehmern (ohne ihr Wissen) ist in Deutschland illegal [2]. Selbst wenn es zahlreiche, extra hierfür programmierte Software auf dem Markt gibt. Solche Überwachungssysteme für die Internetnutzung greifen nämlich tief in das allgemeine Persönlichkeitsrecht beziehungsweise Fernmeldegeheimnis ein und sind daher, soweit keine Rechtfertigung für diesen Eingriff vorliegt (zum Beispiel eine richterliche Erlaubnis), unzulässig. Gut zu umgehen sind alle diese Klippen, enthält ein Arbeitsvertrag klar und eindeutig die Bedingungen, unter denen die private Nutzung von Einrichtungen des Arbeitgebers geregelt oder vollständig verboten ist. Die unter (2) genannte Broschüre der BITKOM (www.bitkom.org, Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V.) macht hierzu alle nötigen Angaben.

Rainer H. Bubenzer, Hamburg

Quellen:

  • 1 LAG Köln .Urteil vom 11.2.2005, Aktenzeichen 4 Sa 1018/04. Volltext: www.justiz.nrw.de/nrwe/arbgs/koeln/lag_koeln/j2005/4_Sa_1018_04urteil20050211.html
  • 2 Kuhlmann K. et al. .Die Nutzung von Email und Internet im Unternehmen - Rechtliche Grundlagen und Handlungsoptionen (v1.3). Berlin, 12/2005. Volltext (40 Seiten): www.bitkom.org/files/documents/BITKOM_Leitfaden_Email_u._Internet_im_Unternehmen_Version_1_3.pdf
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