psychoneuro 2007; 33(12): 500
DOI: 10.1055/s-2007-1012560
Magazin

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Einblick ins Gehirn - Schmerzen sichtbar machen

Further Information

Publication History

Publication Date:
18 January 2008 (online)

 

Leistungsfähige bildgebende Verfahren ermöglichen es uns heute, Hirnfunktionen immer besser zu verstehen. Mit der funktionellen Magnetresonanztomografie (fMRT) kann das lebende Gehirn praktisch beim Denken beobachtet werden. Neurale Aktivität führt zu einem erhöhten Blutfluss in der betreffenden Hirnregion. Auch grundlegende Funktionen wie Motorik, Aufmerksamkeit oder Sprache sowie höhere kognitive Funktionen können direkt untersucht werden, z.B. die Verarbeitung von Emotionen im Gehirn.

Könnten die Muster in der Gehirnaktivität identifiziert werden, die mit der Aufrechterhaltung chronischer Schmerzen in Zusammenhang stehen, könnten so vielleicht auch neue Behandlungsmethoden entwickelt werden. Mit fMRT konnte bereits gezeigt werden, dass der chronische Rückenschmerz zu einer Volumenabnahme der grauen Substanz um etwa 11% führt, d.h. vor allem der Teil des Gehirns, der mit Kognition in Zusammenhang steht, ist beeinträchtigt. Je länger der Schmerz anhält, desto größer scheint die Atrophie zu sein. Chronische Schmerzen haben ihre Ursache zumindest zum Teil auch direkt im Gehirn. Im präfrontalen Kortex wird die Erinnerung an den Schmerz gespeichert und kann dort auch praktisch stecken bleiben und weiter Schmerzen vortäuschen, auch wenn die Ursache des Schmerzes bereits längst Vergangenheit ist. fMRT-Untersuchungen zeigen, dass Denken - und auch das Denken an Schmerzen - direkt die Schmerzwahrnehmung beeinflusst. Werden Schmerzen erwartet, sind die Personen auch schmerzempfindlicher. Nahezu jede psychiatrische Erkrankung, z.B. Depressionen oder Angststörungen, verursacht körperliche Symptome.

Bei Patienten mit chronischen Rückenschmerzen scheint vor allem die Gefühlsregulierung im Gehirn betroffen zu sein. Die Arbeitsgruppe um Prof. Vania Apkarian von der Northwestern University in Chicago versucht jetzt mit einem neuen Ansatz den Schmerz direkt im Gehirn auszuschalten. Mit dem partiellen N-Methyl-D-Aspartat(NMDA)-Rezeptor-Agonisten Cycloserin, einem Antibiotikum, das bisher z.B. bei Tuberkulose eingesetzt wurde, konnten sie im Tierversuch chronische Schmerzen offenbar lindern. Cycloserin wird derzeit auch zur Behandlung von posttraumatischer Belastungsstörung untersucht. Weitere Studien sollen jetzt folgen.

    >