psychoneuro 2007; 33(3): 95-100
DOI: 10.1055/s-2007-976505
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Psychopathologie und Kunst - Übung in Enthaltsamkeit

Psychopathology and ArtRalf Erkwoh1
  • 1Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik, Helios Klinikum Erfurt GmbH (Ärztlicher Direktor Prof. Dr. med. Dirk Esser)
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Publication Date:
02 April 2007 (online)

Es ist ein gerüttelt Maß an Unbefangenheit vorauszusetzen, diese beiden Terme gemeinsam in einem Satz zu nennen, ohne vor der Wucht auch nur eines der beiden einzuknicken. Eine solche Unvoreingenommenheit stellt sich nicht schon dadurch ein, dass man einen Schritt zurück tritt, sondern sie ist eine Übung in einer bestimmten Form von Enthaltsamkeit. Die methodische Mindestforderung wäre, so etwas wie Unmittelbarkeit zu postulieren, und dies nicht nur als zufälliges Akzidenz, sondern als notwendiges Ingredienz aufzuweisen. Beides, Psychopathologie und Kunst, haben nie für sich reklamiert, strenge Wissenschaften zu sein, dennoch, aus der Sicht der ersten ist Unbefangenheit fast Naivität, und aus der anderen Sicht wäre sie eine kultische Frühform.

A lack of inhibition is needed by anyone who can combine these two terms in a single idea with no fear of being crushed by the gravitas of either of them. Such a degree of unprejudiced impartiality does not result from taking a step back, but illustrates a level of habituation in the practice of a certain form of abstention. A minimum methodological demand would be the postulation of such a thing as immediacy, not as a fortuitous accidental, but as an essential ingredient. While neither pathopsychology nor art has ever claimed the status of a strict science, in the view of the former, a lack of inhibition is almost equitable with naivety, while in the other view it represents an early form of ritual.

Literatur

  • 1 Dalí S. Das geheime Leben des Salvadore Dalí. München, Verlag Schirmer/Mosel, Paris, London, 3. Aufl 1990
  • 2 Lange-Eichbaum W, Kurth W. Genie, Irrsinn und Ruhm. Genie-Mythos und Pathograpie des Genies. München, Basel, Ernst Reinhardt Verlag 1967
  • 3 Adorno TW. Ästhetische Theorie. Frankfurt/Main, Suhrkamp, 1.Aufl 1973: 11-12
  • 4 Livesley WJ, Jang KL. Toward an empirically based classification of personality disorder.  J Personal Disord. 2000;  14 137-151
  • 5 Hegel GFW. Wissenschaft der Logik I. Frankfurt am Main, Suhrkamp, Werkausgabe 1969: 143
  • 6 Bonnefoy Y. Melancholie, Wahnsinn, Genie - Poesie. In: Katalog zur Ausstellung „Melancholie, Genie und Wahnsinn in der Kunst” Berlin 2006
  • 7 Olivier R. Wonach sollen wir suchen? Hirnforscher fragen nach ihrer Frage. In: Geyer C (Hrsg.). Hirnforschung und Willensfreiheit. Frankfurt/Main, Suhrkamp 2004: 153-157

1 „Ich sollte der Prototyp par excellence des phänomenal 'Polymorph-Perversen' werden” [1]

2 „Dass die Grenze, die am Etwas überhaupt ist, Schranke sei, muss es zugleich in sich selbst über sie hinausgehen, sich an ihm selbst auf sie als auf ein Nichtseiendes beziehen” [5]

Korrespondenz

Prof. Dr. med. Ralf Erkwoh

Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik, Helios Klinikum Erfurt GmbH

Nordhäuserstraße 74

99089 Erfurt

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