Psychother Psychosom Med Psychol 2008; 58 - PS14
DOI: 10.1055/s-2008-1061601

Werden Notoperationen anders verarbeitet als Wahleingriffe? – Psychische Belastung nach Ersatz des Aortenbogens unter elektiven oder Notfall-Bedingungen

S Schurig 1, HJ Schäfers 2, F Einsle 3, K Bernardy 4, V Köllner 4
  • 1Institut für Psychoanalyse, Psychotherapie und Psychosomatische Medizin, Homburg Saar
  • 2Klinik für Thorax- und Herz-Gefäßchirurgie, Universitätskliniken des Saarlandes, Homburg
  • 3Institut für Klinische Psychologie und Psychotherapie, TU Dresden
  • 4Fachklinik für Psychosomatische Medizin, Mediclin Bliestal Kliniken, Blieskastel

Der operative Ersatz des Aortenbogens wird sowohl elektiv bei Aneurysma als auch als Notfalleingriff bei Dissektion durchgeführt. Untersucht werden soll, ob der dramatische Verlauf einer Dissektion und die fehlende Vorbereitungszeit auf die Operation zu einer höheren psychischen Belastung führt.

Untersucht wurden 80 Patienten (64% m, Alter 71,8±9,85 Jahre) nach elektivem Ersatz von Aorta ascendens und Aortenbogen sowie 70 Patienten (67% m, Alter 62,9±15, 01 Jahre) nach identischem Aortenersatz als Notfalleingriff. Die OP lag mindestens 3 Monate zurück. Eingesetzt wurden der SF–36, die HADS-D, die Impact of Event-Scale (IES-R) sowie der Fragebogen zur Erfassung von Anpassungsstörungen (ADNM) von Einsle und Maercker.

Weder bei der gesundheitsbezogenen Lebensqualität (SF–36) noch bei allgemeiner Angst und Depressivität (HADS) fanden sich signifikante Gruppenunterschiede. Die Dissektions-Gruppe war signifikant stärker belastet auf den IES-R-Skalen Vermeidung und Hyperarousal, Intrusion lag tendentiell höher. Im ADNM zeigte sich eine signifikant stärkere Belastung durch gedankliches Verhaftetsein, Fehlanpassung, Angst und Depressivität. 14,3% lagen über dem dign. Wert für eine PTSD, 22,2% für eine Anpassungsstörung. Bei den elektiv Operierten waren dies 6,2% bzw. 7,6%.

Notfalleingriffe wirken stärker traumatisierend als elektiv durchgeführte OPs. Der ADNM erweist sich als geeignetes Instrument, um Belastungsreaktionen unterhalb der Schwelle einer PTSD nachzuweisen.

Literatur: Einsle F, Köllner V, Ende C, Neumann K, Strasser RH, Maercker A. Fragebogeninstrument zur Erfassung von Anpassungsstörungen – Erste Ergebnisse. Psychother Psychosom med Psychol 2004; 54: 88 Maercker, A., Schützwohl, M., 1998. Erfassung von psychischen Belastungsfolgen – die Impact of Event - Skala – revidierte Version (IES-R). Diagnostica. 44 (3), 130-144. Maercker, A., Einsle, F., Köllner, V., 2007. Adjustment disorder – a new concept of diagnosing. Psychopathology. 40, 135-146