Notfall & Hausarztmedizin 2008; 34(1): 43
DOI: 10.1055/s-2008-1061618
Bücher

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Gängige Krankheitsbilder in der Primärversorgung – Das soll der Arzt wissen

Ulrich Rendenbach
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Publication Date:
21 February 2008 (online)

Rebhandl E, Rabady S, Mader F (Hrsg.). Evidence based Medicine-Guidelines für Allgemeinmedizin. Deutscher Ärzte-Verlag 2007; 2. überarbeitete und erweiterte Auflage, 1584 Seiten, ISBN 978–3–7691–1241–2. D 99,95 EUR (D), 102,80 EUR (A)

Die jetzt in zweiter Auflage vorliegenden „Evidence based Medicine-Guidelines für Allgemeinmedizin“ wurden ursprünglich in Finnland in enger Zusammenarbeit mit der finnischen Gesellschaft Duodecim, der wissenschaftlichen Vereinigung der finnischen Ärzteschaft, verfasst. Die zweite überarbeitete und erweiterte Auflage gibt den aktuellen Stand der englischen Guidelines wieder, angepasst auf die Verhältnisse in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Diese Leitlinien sind für die an der Basis arbeitenden, mit dem unausgelesenen Krankengut konfrontierten Ärzte konzipiert. Fachärzte finden hier Antworten auf Fragen außerhalb ihres Fachgebietes. Das Werk ist zweigleisig aufgebaut: Problembasiert werden viele typische Symptome der medizinischen Primärversorgung abgehandelt. Aus der Diagnostik folgend werden die gängigen Krankheitsbilder dargestellt. Dabei werden auch wesentliche, wenn auch seltene Erkrankungen nicht ausgespart. Die ursprüngliche Konzeption des Buches findet sich noch im Versuch, neben der primären Versorgung Kranker auch auf chirurgische Techniken einzugehen und invasive Methoden vorzustellen.

Es sind in der Tat „Leitlinien“, das heißt Anweisungen, wie bei Krankheiten und Beschwerden zu verfahren ist. Doch beweisorientiert (evidence based im Sinne von Guyatt und Sackett) sind die Handlungsanweisungen in der Regel nicht. Das kann auch nicht sein, da wissenschaftlich anerkannte Beweise, als „Leitlinien in der Allgemeinmedizin“ formuliert, nur zu wenigen Problemen publiziert sind. So vermag der Rezensent nicht zu glauben, dass „...die Phenolisierung...“ (S. 563) in der Tat das Merkmal „A“ (Beweislage hoch, vergl. S. 23) bekommen hat. Phenol als Antiseptikum, besser als Karbolsäure (acidum carbolicum crudum) bekannt, wurde 1856 eingeführt, wegen seiner zum Teil gefährlichen, unerwünschten Wirkungen aber bald ersetzt.

Das vorliegende Buch ist von hohem Wert, enthält es doch aus der Krankheitslehre, was der Arzt wissen soll oder nachlesen können muss. Auch häufige Symptome werden abgehandelt, zum Beispiel Juckreiz (S. 505). Das empfohlene Vorgehen ist zielgerichtet und wird präzise vermittelt. Ob es für an der Basis arbeitende Ärzte hilfreich ist, wenn eine Beweislage nach Buchstaben zugeordnet wird, erscheint eher fraglich. Auch umfangreiche Literaturangaben – bei der Lumbago immerhin 156 – sind für den praktischen Arzt eher zweitrangig. Hinweise (Links) in der elektronischen Fassung sind da hilfreicher. Spezifitäten der Allgemeinmedizin, zum Beispiel Fachbegriffe wie „abwendbar gefährlicher Verlauf“, Arzt-Patientenverhältnis oder spezielle Probleme des deutschen Kassenarztrechts fehlen. Daher ist das vorliegende Buch auch kein Lehrbuch der Allgemeinmedizin, sondern ein Buch, in dem viele Autoren den Stand der Medizin darstellen. Die Mühe, den „Evidenzgrad“ soweit möglich mitzuliefern, werden sicher auch einige Ärzte zu schätzen wissen. Die „Guidelines“ sind ein ausgezeichnetes Buch, das eine Fülle von Kenntnissen über Diagnostik und Therapie enthält. Es sollte auf jedem hausärztlichen Schreibtisch liegen. Aber es ist kein Lehrbuch der Evidence based Medicine.

Dr. med. Ulrich Rendenbach

Leipzig

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