Dtsch Med Wochenschr 2018; 143(16): 1141
DOI: 10.1055/a-0481-5569
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Eine Einheit: Knochen, Gelenke – und der Stoffwechsel

Bones, Joints and Metabolic Disease
Prof. Dr. med. Elisabeth Märker-Hermann
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07 August 2018 (online)

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Prof. Dr. med. Elisabeth Märker-Hermann

Bei den klassischen entzündlich-rheumatischen Erkrankungen mit Gelenk- oder Wirbelsäulenbefall (wie rheumatoide Arthritis, Kollagenosen oder Spondyloarthritiden) sind Autoimmunreaktionen lokal und systemisch entscheidend für die Pathogenese. Daher gibt es heute zielgerichtete Therapien, die gegen pro-inflammatorische Zytokine und B- und T-Lymphozyten-Rezeptoren gerichtet sind. Diese Form der rheumatischen Krankheiten muss man im klinischen Alltag abgrenzen von stoffwechselbedingten Arthropathien mit lokaler Entzündungsaktivität und chronischer Knorpel- und Knochendestruktion. Bei metabolischen Osteoarthropathien wird eine spezifische Immunsuppression nicht erfolgreich sein – umso wichtiger ist hier die differenzialdiagnostische Abgrenzung:

Die Kristallarthropathien, also Gicht und Pseudogicht, haben in den vergangenen 50 Jahren erheblich zugenommen, mit einem signifikanten Beitrag zur globalen Krankheitslast. Hausärzte, Internisten und Rheumatologen sind deutlich häufiger mit der akuten und polyartikulären Gicht konfrontiert. Dies lässt sich auf den Lebensstil (Ernährungsfaktoren) zurückführen, aber auch auf den vermehrten Einsatz von Diuretika. Unsere Autorinnen Monika Reuss-Borst und Anne-Kathrin Tausche erläutern, dass die Kristall-induzierten Arthritiden heute als auto-inflammatorisch angesehen werden: Monozyten/Makrophagen nehmen Kristalle durch Phagozytose auf, wodurch das angeborene Immunsystem aktiviert und Interleukin-1ß als Schlüssel-Zytokin freigesetzt wird. Ätiopathogenetisch handelt es sich bei der Pseudogicht, die durch Kalziumpyrophosphat-Dihydrat-Kristalle ausgelöst wird, um ein heterogenes Krankheitsbild. Dies erfordert eine differenzialdiagnostische Abklärung zu spezifischen Stoffwechselerkrankungen wie Hyperparathyreoidismus oder Hämochromatose.

Letzteres leitet direkt über zum Beitrag zur Hämochromatose-assoziierten Arthropathie: Kristallarthritiden, Chondrokalzinosen, sekundäre Arthrosen und auch Osteoporose sind häufige Manifestationen der genetischen Hämochromatose. Axel Braner gibt einen ausführlichen und aktuellen Überblick über die klinischen Erscheinungen der Hämochromatose und deckt dabei die rheumatischen Manifestationen, Pathogenese, Diagnostik und genetische Diagnostik sowie Therapie ab.

Schließlich widmet sich Volker Nehls den Osteoarthropathien und Myopathien bei Schilddrüsenerkrankungen: Trijodthyronin (T3), das aktive Schilddrüsenhormon, beschleunigt immunologische und metabolische Prozesse – und ist unverzichtbar für Entwicklung und Funktion des muskuloskelettalen Systems. Bei Hyper- sowie Hypothyreose kommt es zu krankhaften Veränderungen an Knochen, Gelenken und Muskeln. Die autoimmunen Schilddrüsenerkrankungen (Hashimoto-Thyreoiditis und Morbus Basedow) zeigen weitere Antikörper-vermittelte Symptome und klinische Phänotypen. Fortschritte in der molekularen Thyreologie haben unser Bild der Interaktion von Schilddrüse, muskuloskelettalem System und Immunsystem verändert und ergänzt und neuere Forschung untersucht die Beziehung von Stoffwechsel und Immunsystem. Störungen des immun-metabolischen Gleichgewichts können zur Entstehung von Autoimmunerkrankungen beitragen. Dabei scheinen neben T3 auch Adipokine ein wichtiges Bindeglied darzustellen: Sie tragen bei zu Ätiopathogenese des metabolischen Syndroms, Regulation inflammatorischer Prozesse und Autoimmunität im Verlauf rheumatischer Erkrankungen.

Wir hoffen, dass Sie als Leser unser Interesse an dieser Gruppe rheumatischer und metabolischer Erkrankungen aus dem Themenkomplex „Stoffwechsel – Knochen – Gelenke“ teilen und dass Sie neue Erkenntnisse und einen geschärften differenzialdiagnostischen Blick gewinnen können.