TumorDiagnostik & Therapie 2018; 39(04): 218
DOI: 10.1055/a-0583-8867
Kongressbericht
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Ernährung und Krebs: Warum Ernährungsmedizin bei der Therapie von Tumorpatienten eine entscheidende Rolle spielt

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Publication Date:
14 May 2018 (online)

Mindestens 1,5 Millionen Menschen in Deutschland leiden an Mangelernährung. Aktuelle Studien gehen sogar von einer Dunkelziffer in Höhe von circa 6,5 Millionen aus. Besonders gefährdet sind Krebspatienten: Jeder zweite Krebspatient hat bereits bei Diagnosestellung einen relevanten Gewichtsverlust. Für Tumorpatienten können Mangelernährung und Gewichtsverlust schwerwiegende Folgen haben. Jährlich sterben allein 20 bis 30 Prozent aller Krebspatienten nicht an ihrer Grunderkrankung, sondern an den Folgen ihrer Mangelernährung.

Nicht nur die Tumorerkrankung selbst, sondern auch die Diagnostik mit häufig langen Nüchtern-Phasen im Krankenhaus und die Tumortherapien (Operationen mit nicht ausreichender Ernährung, Übelkeit und Erbrechen nach Strahlen- oder Chemotherapien) führen zu einer Verstärkung der verminderten Nahrungsaufnahme und Appetitlosigkeit, die die Mangelernährung in Gang hält.

„Mangelernährung hat schwerwiegende Auswirkungen auf den Tumorverlauf“, betont Professor Dr. med. Hartmut Bertz, Sektionsleiter Ernährungsmedizin und Diätetik und Oberarzt der Klinik für Innere Medizin I (Hämatologie/Onkologie/Stammzelltransplantation) am Universitätsklinikum Freiburg. „Es gibt eindeutige Untersuchungen, die zeigen, dass bei Mangelernährung die Operationen komplikationsreicher sind, die Wundheilung schlechter ist, die Chemotherapie schlechter vertragen wird, mehr Infektionen auftreten und die geplanten Abstände zwischen den Therapien häufiger verlängert werden müssen.“ Dies alles hat Folgen auf das Tumorwachstum. Denn jede Verzögerung gibt den Tumorzellen Zeit, sich zu vermehren.

Eine möglichst frühzeitige, individuelle Intervention, die sich auf aktuelle, evidenzbasierte, ernährungsmedizinische Erkenntnisse und internationale Leitlinien stützt, ist daher unbedingt notwendig. „Tumorpatienten können von einer passenden Ernährung enorm profitieren“, so der Experte. Mögliche ernährungsmedizinische Interventionen sind beispielsweise frühzeitige Ernährungsberatungen, additive Ernährungsdrinks oder aber auch die additive künstliche Ernährung. „Diese Maßnahmen sollten bereits frühzeitig und nicht erst dann, wenn sich der Patient in einem Stadium des Auszehrsyndroms (Kachexie) befindet, durchgeführt werden“, betont Professor Dr. Bertz.

Auch in der Nachsorge des Tumorpatienten spielt die Ernährung eine wichtige Rolle. Die ehemaligen Patienten haben mit den Auswirkungen der Anti-Tumor-Therapie auf ihren Körper zu kämpfen. Mit einer angepassten Ernährungsweise können die Folgen der Therapienebenwirkungen beeinflusst, die Lebensqualität verbessert und die Widerstandskraft des Körpers erhöht werden.

Auch Rezidive müssen vermieden werden. Dazu sind dringend ernährungsmedizinische Empfehlungen sowie regelmäßige körperliche Aktivität umzusetzen. Viele ehemalige Tumorpatienten haben ein sogenanntes „metabolisches Syndrom“: Übergewicht, Fettstoffwechselstörung, Entstehung von Diabetes, Bluthochdruck und eine erhöhte Harnsäure. „Das alles sind Dinge, die sich durch intensivierte Bewegungstherapie und ernährungsmedizinische Beratung sowie Betreuung beeinflussen lassen“, so Professor Dr. Bertz, „man muss nur daran denken.“ Die primären Empfehlungen zur Vermeidung eines Tumors, wie sie zuletzt 2007 vom World Cancer Research Fund International (WCRF) und der World Health Organization (WHO) formuliert wurden, beinhalten eine ausgewogene Ernährung, tägliche Bewegung und die Verminderung von Gewichtszunahme.

Welche Rolle die Ernährungsmedizin in der Prävention und Therapie von Krebserkrankungen spielt, diskutieren Experten aus den Bereichen Onkologie und Ernährungsmedizin auf dem diesjährigen Kongress ERNÄHRUNG 2018 in Kassel. „Wir freuen uns, mit der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG) und der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie (DGHO) in gemeinsamen Sitzungen neue Erkenntnisse zum Thema „Ernährung bei Krebs“ zu erörtern“, so Professor Dr. med. Christian Löser, Kongresspräsident des Ernährungskongresses der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin e. V. (DGEM). „Krebs und Ernährung beeinflussen sich intensiv gegenseitig. Die Ernährung sollte bei Krebserkrankungen deshalb sowohl in der Prävention als auch in der Therapie eine hohe Beachtung finden“, sind sich die beiden Experten einig.

Das Kongressprogramm sowie weitere Informationen zur Tagung sind unter www.ernaehrung2018.de abrufbar.

Stephanie Balz

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Abb. 1 Der Kongress ERNÄHRUNG wird sich in diesem Jahr intensiv mit der Rolle der Ernährung in der Prävention und Therapie von Krebserkrankungen auseinandersetzen.