PSYCH up2date 2018; 12(03): 177
DOI: 10.1055/a-0588-3816
Studienreferate
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Nicht pharmakologische Interventionen bei Demenz

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Publication History

Publication Date:
14 May 2018 (online)

Verhaltensstörungen bei Demenz sind mit erheblichen Versorgungsproblemen sowohl ambulant als auch in Pflegeheimen verbunden. Pharmakologische Ansätze können gewisse Symptome abmildern, sind jedoch aufgrund der Nebenwirkungen limitiert. Insbesondere Antipsychotika sind mit einer erhöhten Mortalitätsrate behaftet. Nicht pharmakologische Ansätze rücken daher zunehmend in den Fokus der Aufmerksamkeit, um sowohl den Patienten, aber auch den Pflegenden zu entlasten. Zahlreiche Studien mit relativ kleiner Fallzahl zeigen meist nicht konsistente Ergebnisse bezüglich dieser Interventionen. Interessant ist daher dieses systematische Übersichtsarbeit von europäischen Wissenschaftlern (Mitglieder des „Optimal Evidence-Based Non-drug Therapies in Older People“ [ONTOP]-Projektes), die kürzlich im BMJ Open veröffentlicht wurde. Es wurden systematische Reviews und Einzelstudien mit folgenden Interventionen eingeschlossen: sensorische Stimulation (u. a. Akupressur, Aromatherapie, Massage, kognitive Stimulation, Musik- und Tanztherapie, Snoezelen, transkutane elektrische Nervenstimulation), kognitiv/emotionsorientierte Interventionen (u. a. Reminiszenz-Therapie, Validationstherapie) sowie Verhaltensmanagement und andere Therapieformen wie tiergestützte Therapie und Spezialpflege. Insgesamt wurden 38 systemische Reviews und 142 Einzelstudien in dieses Review einbezogen. Für fast alle Therapieformen konnten in zahlreichen, jedoch meist qualitativ weniger repräsentativen Studien positive Ergebnisse insbesondere in Hinblick auf Aggression, Agitation oder Stimmung nachgewiesen werden. In Hinblick auf signifikante Wirksamkeit (Daten ausreichend für diese Aussage) konnten jedoch lediglich die Musiktherapie sowie das (kognitive) Verhaltensmanagement überzeugen. Musiktherapie zeigte sich insbesondere hinsichtlich der Reduktion von Agitation und Aggressivität wirkungsvoll. Hinsichtlich des Verhaltensmanagements waren insbesondere Techniken mit Fokus auf Kommunikationstraining und Angehörigentraining wirksam. Auch das „Dementia Care Mapping“ (beinhaltet u. a. genaue Beobachtung der Patienten/Bewohner mit Demenz zur personzertifizierten Pflege) zeigte positive Effekte.

Fazit

Dass von den vielen existierenden nicht pharmakologischen Interventionen lediglich eine Maßnahme eine direkte Symptomverbesserung am Patienten bewirkt und eine zweite indirekt v. a. durch Schulung des Personals/der Angehörigen, ist überraschend. Dies mag vor allen Dingen an den sehr heterogenen Studien mit teilweise sehr niedrigen Fallzahlen und deutlichen Qualitätsunterschieden liegen. Deswegen ist es zum jetzigen Zeitpunkt verfrüht, Interventionen wie die Aromatherapie oder Reminiszenz-Therapie in dieser Indikation abzuschreiben. Auf der anderen Seite hat man mit der Musiktherapie eine in der Regel niedrigschwellig einzusetzende Therapieform, die vielen Patienten, aber auch Pflegenden und Angehörigen helfen kann. Die aktuelle S3-Leitlinie Demenzen könnte insofern angepasst werden, dass die Musiktherapie aufgrund dieser Datenlage zumindest einen höherrangigen Empfehlungsgrad (aktuell Empfehlungsgrad 0) bekommt.