Rofo 2018; 190(08): 792-795
DOI: 10.1055/a-0590-2813
Radiologie und Recht
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Nachfolger gesucht – Der Radiologe in Einzelpraxis zwischen Chancen und Risiken

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Publication Date:
25 July 2018 (online)

 

In investitionsstarken und kostenintensiven Fachgebieten wie der Radiologie wird der niedergelassene Vertragsarzt in Einzelpraxis zunehmend zu einem Auslaufmodell. Die Zahlen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung belegen, dass der Anteil der niedergelassenen Radiologen in Einzelpraxis kontinuierlich sinkt. 2010 lag der Anteil der niedergelassenen Radiologen in Einzelpraxis (375) bei 13 %, 2016 bei 12 % (400), während 2017 nur noch 10 % der radiologischen Vertragsärzte in Einzelpraxis (368) niedergelassen waren.[1] Neben den Vorzügen, die ärztliche Kooperationsformen bieten, sind auch die Vorteile der Einzelpraxis – Eigenverantwortlichkeit, Selbstständigkeit, Flexibilität in der Praxisgestaltung und -führung – nicht zu verkennen. Je nach Präferenz kann diese Organisationsform der Berufsausübung die passende Wahl sein.

Problematisch gestaltet es sich oftmals erst, wenn der Vertragsarzt seine Einzelpraxis aus Altersgründen auf einen Praxisnachfolger übertragen möchte. Da die Praxis typischerweise nicht veräußert wird, wenn der Nachfolger den Vertragsarztsitz nicht erhält, bedarf es der Zulassung des Praxisnachfolgers als Vertragsarzt. Die Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung ist als öffentlich-rechtliche Berechtigung nicht durch den Inhaber übertragbar. Sie unterliegt nicht der Verfügungsberechtigung des Vertragsarztes. In einem überversorgten, gesperrten Planungsbereich können Zulassungen zur vertragsärztlichen Versorgung entweder im Rahmen des Ausschreibungs- und Nachbesetzungsverfahrens nach § 103 Abs. 3a und 4 SGB V oder durch Verzicht zugunsten der Anstellung nach § 103 Abs. 4a und b SGB V auf einen Nachfolger übertragen werden.

Risiken des Nachbesetzungsverfahrens für den niedergelassenen Radiologen in Einzelpraxis

Dabei gestaltet sich das Nachbesetzungsverfahren seit dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz (GKV-VSG) vom 16.07.2015 (BGBl. I, S. 1211) besonders für niedergelassene Vertragsärzte in Einzelpraxis als risikoreich und nicht mehr kalkulierbar.

Das Nachbesetzungsverfahren ist geprägt durch gesetzlich definierte, nicht abschließende Kriterien, die einen Bewerber bei der Auswahl privilegieren. In der ersten Stufe des Nachbesetzungsverfahrens entscheidet der Zulassungsausschuss auf Antrag des Vertragsarztes gemäß § 103 Abs. 3a SGB V, ob ein Nachbesetzungsverfahren für den Vertragsarztsitz durchgeführt werden soll. Der Zulassungsausschuss kann den Antrag ablehnen (und den Vertragsarztsitz einziehen), wenn eine Nachbesetzung des Vertragsarztsitzes aus Versorgungsgründen nicht erforderlich ist. Dies gilt wiederum nicht, sofern die Praxis von einem Nachfolger weitergeführt werden soll, der dem gesetzlich definierten privilegierten Personenkreis zuzuordnen ist. In diesem Fall ist das Nachbesetzungsverfahren zwingend durchzuführen. Zu dem privilegierten Personenkreis nach § 103 Abs. 4 S. 5 Nr. 4 bis 6 SGB V gehören neben Ehegatten, Lebenspartnern und Kindern des bisherigen Vertragsarztes auch solche Personen, die zuvor als angestellter Arzt des bisherigen Vertragsarztes tätig waren oder ein Vertragsarzt, mit dem die Praxis bisher gemeinschaftlich, d. h. als Berufsausübungsgemeinschaft, betrieben worden ist.

Die Privilegierung des Anstellungsverhältnisses oder des gemeinsamen Praxisbetriebes in einer Berufsausübungsgemeinschaft greift nach § 103 Abs. 3a S. 4 SGB V nur, sofern beide mindestens 3 Jahre lang angedauert haben. Der Gesetzgeber verfolgt damit die Intention, Vertragsarztsitze in überversorgten Planungsbereichen abzubauen. Der Abbau von Überversorgung soll nicht dadurch umgangen werden können, indem der Vertragsarzt kurzzeitig ein Anstellungs- oder Job-Sharing-Verhältnis mit seinem späteren Praxisnachfolger begründet.[2] Nur die langfristige, gemeinsame Zusammenarbeit von Ärzten führt zu einer Privilegierung im Nachbesetzungsverfahren. Das Recht des Praxisabgebers, die Einzelpraxis (möglichst) gewinnbringend zu verwerten, kollidiert dabei mit dem Interesse des Gesetzgebers, Überversorgung abzubauen und Vertragsarztsitze einzuziehen. Die Kommerzialisierung von Vertragsarztsitzen ist vom Gesetzgeber nicht gewollt.[3] Diesen Umstand hat der Vertragsarzt in Einzelpraxis, der seine Praxisnachfolge plant, in angemessenem Umfang zu berücksichtigen.

Hat der abgebende Vertragsarzt einen potenziellen Wunschkandidaten für seine Praxisnachfolge bereits gefunden und wurde seinem Antrag auf Durchführung des Nachbesetzungsverfahrens für den Vertragsarztsitz entsprochen, hat die zuständige Kassenärztliche Vereinigung den Vertragsarztsitz in den für ihre amtlichen Bekanntmachungen vorgesehenen Blättern unverzüglich auszuschreiben. Der potenzielle Praxisnachfolger hat sich auf den ausgeschriebenen Vertragsarztsitz zu bewerben. Aussichtsreich ist der Fall, sofern keine weiteren Bewerbungen innerhalb der Bewerbungsfrist eingehen. Dann kann der Bewerber die Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung beantragen. Stehen Hinderungsgründe nicht entgegen, kann das Nachbesetzungsverfahren zugunsten des bevorzugten Praxisnachfolgers durchgeführt werden.

Kritisch ist die Situation zu bewerten, wenn nach Ablauf der Bewerbungsfrist neben der Bewerbung des Wunschkandidaten weitere Bewerbungen zur Fortführung der Einzelpraxis vorliegen. Der Zulassungsausschuss hat dann den Nachfolger nach pflichtgemäßem Ermessen anhand der normierten, nicht abschließenden Auswahlkriterien auszuwählen (vgl. § 103 Abs. 4 S. 4 SGB V). Die (wirtschaftlichen) Interessen des ausscheidenden Vertragsarztes werden nur insoweit berücksichtigt, als der Kaufpreis die Höhe des Verkehrswertes der Praxis nicht übersteigt (§ 103 Abs. 4 S. 8 SGB V).

Wählt das Zulassungsgremium den von dem Vertragsarzt privilegierten Bewerber nicht aus oder kommt eine Einigung zwischen dem abgebenden Vertragsarzt und dem durch das Zulassungsgremium ausgewählten Bewerber nicht zustande, so ist das Nachbesetzungsverfahren gescheitert. Der abgebende Vertragsarzt kann seinen Antrag auf Ausschreibung und Durchführung des Vertragsarztsitzes zurücknehmen und das Nachbesetzungsverfahren beenden.

Prekär gestaltet es sich, sofern der abgebende Vertragsarzt zu einem späteren Zeitpunkt einen erneuten Antrag auf Durchführung des Nachbesetzungsverfahrens stellt und sich damit erhofft, dass im zweiten Ausschreibungsverfahren keine weiteren Bewerbungen neben der des Wunschkandidaten eingehen. Das Bundessozialgericht (BSG) hat mit Urteil vom 23.03.2016[4] über einen derartigen Fall entschieden. Der Entscheidung lag der folgende Sachverhalt zugrunde:

Der Kläger, ein zugelassener Vertragsarzt, nahm seinen gestellten Antrag auf Ausschreibung seines Vertragsarztsitzes 1 Woche vor der Sitzung des Zulassungsausschusses zurück. Zu diesem Zeitpunkt lagen 3 Anträge von medizinischen Versorgungszentren (MVZ) auf Anstellung von Ärzten im jeweiligen MVZ zur Fortführung der Praxis des Klägers vor. Einen zweiten Antrag auf Ausschreibung seines Vertragsarztsitzes stellte der Kläger 1 Monat nach Rücknahme seines ersten Antrags. Über ihn sollte in der Sitzung des Zulassungsausschusses 3 Monate später entschieden werden. Am Tag der zweiten geplanten Sitzung lagen noch 2 Anträge von MVZ vor. Nachdem der Kläger zunächst erfolglos um Vertagung seines Verfahrens gebeten hatte, nahm er am Sitzungstag seinen Antrag erneut zurück und stellte 2 Tage später einen dritten Antrag auf Durchführung des Nachbesetzungsverfahrens für seine Praxis.

Das BSG sah in dem Verhalten des Klägers den rechtsmissbräuchlichen Versuch, in unberechtigter Weise auf das Nachbesetzungsverfahren Einfluss zu nehmen und entschied:

„Stellt der Praxisabgeber einen erneuten oder sogar dritten Antrag, muss er ein berechtigtes Interesse hierfür sowie die Gründe für die vorherige Rücknahme nachvollziehbar gegenüber der [Kassenärztlichen Vereinigung] und den Zulassungsgremien darlegen. Das gilt umso mehr, wenn Umstände erkennbar sind, die darauf hindeuten, dass der Praxisabgeber mit seiner Antragstellung bzw. -rücknahme Einfluss auf die Nachbesetzung nehmen will. Ein Praxisinhaber darf das Nachfolgeverfahren nicht dazu nutzen, um außerhalb seines berechtigten Interesses an der Zahlung des Verkehrswertes Einfluss auf das Nachfolgeverfahren zu nehmen (vgl. auch BSG Urteil vom 05.11.2003 – B 6 KA 11/03 R – Juris RdNr. 32, insoweit nicht abgedruckt in BSGE 91, 253 = SozR 4 – 2500 § 103 Nr. 1). Die Einschätzung der Geeignetheit der Bewerber im Übrigen obliegt nach § 103 Abs 4 Satz 3 SGB V allein dem Zulassungsausschuss. Wenn der Praxisabgeber mit dem rechtsfehlerfrei ausgesuchten Praxisbewerber einen Vertrag nicht abschließen möchte, so bedeutet dies nicht, dass der von ihm bevorzugte Praxisbewerber auszuwählen ist, sondern es kommt zum Scheitern des Nachfolgeverfahrens. Es besteht auch aus eigentumsrechtlicher Sicht keine Notwendigkeit, insofern die Willensfreiheit des Praxisabgebers zu schützen (vgl. SG Marburg Beschluss vom 25.11.2011 – S 12 KA 797/11 ER – Juris RdNr. 42). Die Regelungen über die Auswahl eines Bewerbers sollen sicherstellen, dass der nach Maßgabe der Kriterien des § 103 Abs 4 Satz 5 SGB V am besten geeignete Bewerber die Nachfolgezulassung erhält. Missbräuchlich ist daher eine Einflussnahme des Praxisinhabers auf das Verfahren vor den Zulassungsgremien zur Durchsetzung des ‚Wunschkandidaten‘. Die Auswahl des Nachfolgers obliegt allein den Zulassungsgremien (vgl. dazu BSG SozR 4 – 2500 § 103 Nr. 12 RdNr. 44 ff). Umstände, die unter diesen Gesichtspunkten für einen Wegfall des Nachbesetzungsrechts sprechen, haben die Zulassungsgremien aufzuklären. Können ausreichende Gründe für die Rücknahme des ersten Ausschreibungsantrags und die spätere Erneuerung des Ausschreibungsbegehrens nicht festgestellt werden, geht dies zu Lasten des Praxisabgebers.“

Durch die wiederholte Antragstellung und Rücknahme des Antrags läuft der Praxis-Abgeber daher Gefahr, die Nachbesetzung seines Vertragsarztsitzes und damit auch die Praxisübergabe zu riskieren.


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Rechtssichere Übertragung des Vertragsarztsitzes auf einen Nachfolger durch eine Übergangsgesellschaft?

Zu einer (vermeintlich) rechtssicheren Übertragung des Vertragsarztsitzes auf einen genehmen Praxisnachfolger im Ausschreibungs- und Nachbesetzungsverfahren kann der in Einzelpraxis niedergelassene Vertragsarzt, der bereits einen möglichen Praxisnachfolger gefunden hat, mit diesem eine sog. Übergangsgesellschaft als Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) nach § 33 Abs. 2 Ärzte-ZV gründen. Vor Inkrafttreten des GKV-VSG von 2015 war für eine derartige Übergangsgesellschaft keine Dauer der gemeinsamen Tätigkeit vorgeschrieben, bis eine Privilegierung im Ausschreibungs- und Nachbesetzungsverfahren nach § 103 Abs. 6 SGB V eintrat. In der Regel konnte die Ausschreibung des Vertragsarztsitzes nach einer Schamfrist von 6 bis 12 Monaten erfolgen. Durch die Regelung in § 103 Abs. 3a S. 5 SGB V wird nun eine mindestens 3-jährige Dauer der sog. Übergangsgesellschaft gefordert, bevor die Privilegierung angenommen wird. Die Rechtsprechung des BSG, wonach den in einer Gemeinschaftspraxis tätigen Ärzten ein besonderer Schutz im Rahmen der Ausschreibung und Nachbesetzung eines aus der Gemeinschaftspraxis ausscheidenden Vertragsarztes zusteht, kommt daher erst nach Ablauf der 3-Jahres-Frist zum Tragen. Zur Gründung einer Übergangsgesellschaft kann der abgabewillige Vertragsarzt dazu entweder einer bereits bestehenden Gesellschaft bzw. Berufsausübungsgemeinschaft von Vertragsärzten beitreten oder eine neue Gesellschaft bzw. Berufsausübungsgemeinschaft mit dem späteren Praxisnachfolger gründen.

Hintergrund der Übergangsgesellschaft ist neben der dargelegten Gesetzesprivilegierung die Regelung in § 103 Abs. 6 S. 2 SGB V, der normiert, dass im Nachbesetzungsverfahren die Interessen des oder der in der Praxis verbleibenden Vertragsärzte bei der Bewerberauswahl angemessen zu berücksichtigen sind.[5]

Dass die Gründung ausschließlich den Zweck verfolgt, den gewünschten Praxisnachfolger im späteren Nachbesetzungsverfahren zu privilegieren, steht der Gründung der Berufsausübungsgemeinschaft nicht entgegen. Der Beschluss der Zulassungsgremien über die Genehmigung der gemeinsamen Berufsausübung entfaltet Drittbindungswirkung. Die Zulassungsgremien müssen (später) bei der Auswahl des Praxisnachfolgers von dem Bestehen einer Berufsausübungsgemeinschaft ausgehen. Sie sind nicht verpflichtet zu überprüfen, ob die Zusammenarbeit der Gesellschafter den Anforderungen an eine Berufsausübungsgemeinschaft entspricht oder ob die Berufsausübungsgemeinschaft vor allem oder nur deshalb gegründet wurde, um die Auswahlentscheidung im Verfahren um die Praxisnachfolge zu beeinflussen.[6] Ein etwaiger Missbrauch wird von den Zulassungsgremien eingeschränkt, indem eine kurze Zusammenarbeit bei der Ermessensausübung zur Bewerberauswahl im Nachbesetzungsverfahren Berücksichtigung findet.


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Gesellschaftsrechtliche Risiken einer Übergangsgesellschaft

Auch wenn die Vorteile der mindestens 3-jährigen Übergangsgesellschaft für den abgebenden Vertragsarzt in Einzelpraxis zu überwiegen scheinen, so dürfen die daraus erwachsenden Risiken und Nachteile nicht unbeachtet bleiben, die aus dem Beitritt zu einer bestehenden Gesellschaft bzw. der Gründung einer neuen Gesellschaft resultieren.

Durch den Gesellschaftsvertrag verpflichten sich die Gesellschafter gemäß § 705 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) gegenseitig, die Erreichung eines gemeinsamen Zweckes, die Ausübung der (vertrags-) ärztlichen Tätigkeit, in der durch den Vertrag bestimmten Weise zu fördern. Wo der Arzt in Einzelpraxis vorher nach Belieben agieren konnte und Abstimmungen und Rücksichtnahme nicht erforderlich waren, besteht nun die Notwendigkeit, die Praxisführung im gegenseitigen Einvernehmen zu gestalten, um Konflikte zu vermeiden. Anderenfalls können voneinander abweichende Vorstellungen die gemeinsame Arbeit in der Praxis be- oder verhindern.

Neben der zwischenmenschlichen Komponente stellt das größte und kaum kalkulierbare Risiko des Gesellschaftsbeitritts oder der Neugründung einer Gesellschaft die Gesellschafterhaftung dar. Die Gesellschafter haften persönlich für Verbindlichkeiten der Gesellschaft gegenüber Dritten (analog § 128 Handelsgesetzbuch (HGB)).

Zwar können im Innenverhältnis die gesetzlichen Vorschriften zur Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit wenigen Ausnahmen grundsätzlich abbedungen werden, indem gesellschaftsvertraglich die Freistellung von der Haftung im Innenverhältnis vereinbart wird. Im Verhältnis zu Dritten entfalten die gesellschaftsvertraglichen Vereinbarungen aber keine Bindungswirkung. Gegenüber Dritten sind die Vereinbarungen des Gesellschaftsvertrages wirkungslos. Haftungsbeschränkungen oder sonstige Einwendungen, wie beispielsweise die vorrangige Inanspruchnahme eines Mitgesellschafters, sind individualvertraglich mit jedem Dritten zu vereinbaren. Wird eine solche Vereinbarung nicht geschlossen, haften die Gesellschafter persönlich, unabhängig von deren Rechtsgrund.

Die persönliche (Nach-) Haftung erfasst auch sämtliche Ansprüche der Gesellschaftsgläubiger gegen den aus einer Gesellschaft ausgeschiedenen Gesellschafter aus den vor seinem Ausscheiden begründeten Verbindlichkeiten, sofern sie vor Ablauf der 5-Jahres-Frist des Ausscheidens aus der Gesellschaft fällig geworden sind (§ 736 Abs. 2 BGB, § 160 HGB). Das ist vor allem von Bedeutung, wenn der abgebende Vertragsarzt nach 3 Jahren aus der Übergangsgesellschaft ausscheidet.

Wird der ausgeschiedene Gesellschafter von einem Dritten in Anspruch genommen, kann er von der Gesellschaft die Befreiung von der Verbindlichkeit verlangen. Dennoch ist auch der organisatorische Aufwand, der dadurch begründet wird, nicht zu verkennen.

Tritt der abgebende Vertragsarzt in eine bereits bestehende Gesellschaft ein und bringt seine Einzelpraxis in diese ein, so haftet er ab dem Beitritt für Verbindlichkeiten der Gesellschaft; auch solche, die bereits vor seinem Beitritt begründet worden sind. Unerheblich ist, ob er Kenntnis von den Verbindlichkeiten hatte. Aus den resultierenden Haftungsrisiken erwächst für den abgebenden Vertragsarzt die Pflicht, insbesondere bei einem Beitritt in eine bestehende Gesellschaft, die wirtschaftlichen, rechtlichen und steuerlichen Verhältnisse der Gesellschaft zu prüfen und einer Bestandsaufnahme zu unterziehen.


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Vermeidung des Nachbesetzungsverfahrens durch Verzicht zugunsten einer Anstellung

Zur Vermeidung der Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens und den damit verbundenen (Haftungs-) Risiken bietet es sich daneben für den Vertragsarzt in Einzelpraxis an, auf seine Zulassung zu verzichten, um in einem MVZ (§ 103 Abs. 4a S. 1 SGB V) oder bei einem Vertragsarzt bzw. einer BAG als angestellter Arzt tätig zu werden (§ 103 Abs. 4b S. 1 SGB V). Der Zulassungsausschuss hat die Anstellung zu genehmigen, wenn Gründe der vertragsärztlichen Versorgung nicht entgegenstehen. Bis 2016 konnte der Vertragsarzt, der auf seine Zulassung zugunsten der Anstellung verzichtete, nach einer kurzweiligen Übergangszeit der Anstellung die Tätigkeit wieder aufgeben und die Arztstelle vollumfänglich mit einem nachfolgenden angestellten Arzt nachbesetzt werden. Diese Form der Übertragung des Vertragsarztsitzes durch Verzicht zugunsten der Anstellung hat das BSG nunmehr eingeschränkt. Das BSG hat mit Urteil vom 04.05.2016 (Az.: B 6 KA 24/15 R) entschieden, dass für den Verzicht zugunsten einer Anstellung die zu fordernde Absicht des (ehemaligen) Vertragsarztes, in der Praxis tätig zu werden, sich zukünftig grundsätzlich auf eine Tätigkeitsdauer von 3 Jahren beziehen muss. Unschädlich soll lediglich die schrittweise Reduzierung des Tätigkeitsumfangs um ¼ in Abständen von 1 Jahr sein. Die Reduzierungsmöglichkeiten um den Faktor von jeweils 0,25 pro Jahr bedeutet für den angestellten Arzt jedoch bereits eine erhebliche Belastung. Nach §§ 51 Abs. 1, 58 Abs. 2 der Bedarfsplanungs-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses kann der zeitliche Umfang der Tätigkeit bereits nach dem ersten Jahr erheblich reduziert werden. Im dritten Jahr beträgt die Dauer der Tätigkeit nur noch bis zu 10 Stunden pro Woche.

Daraus resultiert, dass der abgebende Vertragsarzt nach erfolgtem Verzicht auf seine Zulassung für weitere 3 Jahre, ggf. unter Reduzierung seiner Arbeitszeit, als angestellter Arzt tätig werden muss. Bei Krankheit oder anderen wesentlichen Hinderungsgründen kann die Dauer gegebenenfalls verkürzt werden. Somit bedarf es auch bei dieser Übertragungsform des Vertragsarztsitzes einer längerfristigen Planung. Sie sollte nicht kurzfristig vor dem bevorstehenden Altersruhestand angegangen werden.

Zu beachten ist auch hier die Notwendigkeit einer zivilrechtlichen Absicherung der Abfindung für die Übertragung der Praxis und des Vertragsarztsitzes für den Fall des Verzichts zugunsten einer Anstellung. Wird die Abfindung nicht bereits zum Zeitpunkt des Verzichts vereinbart, geht der Vertragsarztsitz kraft Gesetz auf den anstellenden Vertragsarzt, die Berufsausübungsgemeinschaft oder das medizinische Versorgungszentrum über, zu dessen Gunsten der Verzicht erklärt wird, ohne dass hierfür eine Entschädigung zu gewähren ist.


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Fazit

Ein Patentrezept zur Praxisnachfolge gibt es auch für den Vertragsarzt in Einzelpraxis nicht. Deutlich wird, dass zur Gewährleistung der rechtssicheren Übertragung einer Einzelpraxis aufgrund der einschränkenden Regelungen des Nachbesetzungsverfahrens die unumgängliche Obliegenheit besteht, langfristig und im Voraus zu planen. Die Vor- und Nachteile der Übertragungsmöglichkeiten des Vertragsarztsitzes sind individuell abzuwägen. Ein pauschaler Ratschlag kann nicht erteilt werden, jeder Einzelfall ist zu beurteilen und die verschiedenen Einflussfaktoren, die relevant sind, in die Planung einzubeziehen, bevor eine wegweisende Entscheidung getroffen wird.

mm?>Prof. Dr. Peter Wigge
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Medizinrecht

Dina Gebhardt, B. A.
Rechtsanwältin

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1 Kassenärztliche Bundesvereinigung, Gesundheitsdaten, Stand: 15.06.2018, abrufbar unter: < http://gesundheitsdaten.kbv.de/cms/html/17 019.php >.


2 Gesetzentwurf zum GKV-Versorgungsstärkungsgesetz, BT-Drucksache 18/4095, S. 108.


3 BSGE 115, 57 = SozR 4 – 2500.


4 BSG, Urteil vom 23.03.2016, Az.: B 6 KA 9/15 R.


5 Vgl.: BSG, Urteil vom 25.11.1998, Az.: B 6 KA 70/97 R; BSG, Urteil vom 29.09.1999, Az.: B 6 KA 1/99 R; BSG, Urteil vom 05.11.2003, Az.: B 6 KA 11/03 R; BSG, Urteil vom 28.11.2007, Az.: B 6 KA 26/07 R.


6 BSGE 110, 43 = SozR 4 – 2500 § 103 Nr. 9, RdNr.. 16 ff; BSG, Urteil vom 11.12.2013, Az.: B 6 KA 49/12 R.