Abkürzungen
AAP:
American Academy of Pediatrics
AHA:
American Heart Association
HWS:
Halswirbelsäule
NEF:
Notarzteinsatzfahrzeug
PALS®
:
Paediatric Advanced Life Support
PAT®
:
Paediatric Assessment Triangle
RTW:
Rettungswagen
SpO2
:
pulsoxymetrisch gemessene Sauerstoffsättigung
Mit dem Einsatzstichwort „allergische Reaktion mit Luftnot“ werden an einem Sonntagnachmittag
ein RTW und ein NEF in ein Wohngebiet alarmiert. Nach Eintreffen des RTW erfolgt umgehend
eine Rückmeldung an die Leitstelle und die durch längere Anfahrt verzögert eintreffende
NEF-Besatzung: Es handelt sich um ein 5-jähriges Mädchen mit ausgeprägten Schwellungen
im Mund-Rachen-Raum, bei Bewusstsein, jedoch dyspnoisch.
Bis zum Eintreffen des NEFs können folgende Vitalparameter erhoben werden: SpO2 99 %, Atemfrequenz etwa 50/Minute, ein exspiratorischer Stridor ist deutlich zu vernehmen,
Pulsfrequenz laut Pulsoxymetrie 114/Minute – eine Blutdruckmessung sei bei dem aufgelösten,
ängstlichen Kind noch nicht zu etablieren gewesen. Auch sei keine Ursache für das
Geschehen zu erheben.
Psychologische Aspekte
Kindern ist es, in Abhängigkeit von ihrer Entwicklungsstufe, nicht immer möglich,
die Situation zu erfassen, in der sie sich befinden. Daraus können situativ Verhaltensweisen
entstehen, die den Zugang zum Kind erschweren oder gar unmöglich machen. Unter Umständen
verzögert dies beispielsweise die Venenpunktion und eine notwendige Analgesie.
Unerwartetes Verhalten wie Weglaufen oder Wegziehen der Hand beim Anblick von Kanülen
ist häufig, sodass Kinder niemals unbeobachtet sein sollten. Zur weiteren Verunsicherung
kann beim Rettungsdienstpersonal und bei Bezugspersonen führen, dass Kinder sich nicht
immer adäquat zu ihren Beschwerden äußern und je nach Entwicklungsstufe zum Fremdeln
neigen.
Ersteinschätzung
Zur Ersteinschätzung empfehlen die American Heart Association und die American Academy
of Pediatrics die Anwendung des pädiatrischen Untersuchungsdreiecks (PAT, Pediatric
Assessment Triangle) [2]. Mithilfe des PAT können bereits binnen weniger Sekunden und ohne technisches Equipment
strukturiert die folgenden Qualitäten erfasst werden:
-
Aussehen/Verhalten
-
Atmung
-
Hautkolorit
Ergeben sich bei Anwendung des PAT Auffälligkeiten wie veränderte Atemfrequenz oder
verändertes Hautkolorit, können bereits Rückschlüsse auf die Dringlichkeit der Situation,
von Maßnahmen und ggf. auf die Ursache von Störungen (z. B. Zyanose und Apathie bei
Bradypnoe) gezogen werden. Die Erfassung von Vitalparametern ist kein Bestandteil
dieses Vorgehens; diese werden im weiteren Verlauf erhoben.
Neben dem strukturierten Vorgehen ist es von Vorteil, dass das Kind zur Ersteinschätzung
oftmals in der körperlichen Nähe seiner Bezugsperson belassen werden kann. Dies erleichtert
den Beziehungsaufbau und reduziert den Stress bei allen Beteiligten.
Die Ersteinschätzung durch Notarzt und RTW-Besatzung erfolgt durch die Anwendung des
PAT. Während sich Notarzt und Besatzung des RTW weiter dem Kind zuwenden, versucht
der Notfallsanitäter des NEF bei der ebenfalls aufgeregten Großmutter eine Fremdanamnese
zu erheben: Insbesondere in den Frühlingsmonaten leide die junge Patientin unter „Schnupfen
und Kurzatmigkeit“, Medikamente nehme sie keine und sei sonst auch gesund.
Allgemeine Verhaltenshinweise
Allgemeine Verhaltenshinweise
Noch mehr als bei Erwachsenen muss eine vertrauensvolle Atmosphäre für das Kind und
-sofern vorhanden – für die Begleitperson geschaffen werden. Neben einer kindgerechten,
ruhigen Ansprache sollte das Rettungsdienstpersonal sich dem Kind und seiner Bezugsperson
ruhig nähern und diese mit in die Behandlung einbinden.
Beiden wird in angepasster Sprache alles erläutert, was geschieht oder geplant ist.
Oftmals empfinden Eltern bzw. Bezugspersonen es als belastend, wenn sie ihrem erkrankten
Kind nicht helfen können und keinen Zugang zu ihrem Kind haben [1]. Zudem können Eltern wichtige Hinweise für die Anamnese oder Informationen zu den
körperlichen Gegebenheiten (Alter, Größe, Gewicht, Allergien) liefern.
Maßnahmen, die ein Kind nicht toleriert und die medizinisch nicht dringend geboten
sind, sollten keinesfalls erzwungen werden.
Wann immer möglich, sollte den Eltern bzw. Bezugspersonen auch während der Versorgung
der Zugang zum Kind ermöglicht werden – sofern darunter die Qualität der medizinischen
Versorgung nicht leidet und das Rettungspersonal frei arbeiten kann.
Tipp
Neben den Eltern empfiehlt es sich, abhängig von der Situation im Einsatz und den
sozialen Verhältnissen, Großeltern, ältere Geschwister oder – je nach Entwicklungsstufe
– auch Freunde des Kindes als Informationsquelle und als Bezugspersonen einzubinden.
Neben dem reinen Informationsgewinn kann dies bei nicht vital bedrohlichen Notfällen
zur Entspannung der Situation beitragen und den Beziehungsaufbau des Einsatzteams
zum Kind erleichtern.
Noch mehr als bei Erwachsenen gilt, dass sich Stress auf Kinder überträgt und den
Einsatz erschwert.
Den eingesetzten Kollegen gelingt es nach „Talk-down“ und kindgerechtem Erläutern
aller Maßnahmen, die Anamnese zu vervollständigen: Nach dem Trinken aus einer Getränkedose
hatte die Patientin einen schmerzhaften Stich in der Zunge verspürt. Kurz darauf sei
die Zunge angeschwollen und das Atmen erschwert gewesen.
Anatomische Besonderheiten
Anatomische Besonderheiten
Allgemeines
Neben psychologischen Aspekten gibt es bei Kindern deutliche Unterschiede in der Anatomie.
Diese müssen aufgrund der enormen Bedeutung für die Behandlung den Mitarbeitern im
Rettungsdienst zumindest in groben Zügen bekannt sein.
Größenverhältnisse
Im Gegensatz zu Erwachsenen besitzen Kinder einen großen und im Verhältnis schwereren
Kopf, der bei Dezelerationstraumata größeren Scherkräften ausgesetzt ist als bei Erwachsenen
und damit ein erhöhtes Risiko für HWS-Verletzungen aufweist. Je nach Alter sind der
Thorax und die Extremitäten noch klein, das Abdomen ist groß [3].
Temperaturregulation
Kinder haben eine im Vergleich zur Körpermasse große Körperoberfläche, sodass sie
stärker hypothermiegefährdet sind [4]. Bei Kleinkindern und Säuglingen ist dies besonders ausgeprägt, sodass – auch bei
normaler Umgebungstemperatur – besonderes Augenmerk auf den Wärmeerhalt gelegt werden
muss.
Zugang
Da kleinere Kinder ein größeres subkutanes Fettgewebe aufweisen [5] und die Blutgefäße relativ klein sind, sind Venenzugänge oftmals schwer zu platzieren
[1]
[4], und der Versuch endet bei Ungeübten oftmals in Fehlpunktionen. Intuitive Abwehrbewegungen
des Kindes tragen ein Übriges zum Misserfolg bei. Dies erhöht den Druck bei allen
Beteiligten, sodass die Indikation besonders gut abgewogen werden sollte.
Tipp
Als Alternative zum intravenösen hat sich insbesondere in den letzten Jahren der intraossäre
Zugang bewährt, der auch von Ungeübten gut etabliert werden kann und als gleichwertig
anzusehen ist [6]. Weite Verbreitung hat in den letzten Jahren z. B. die EZ- IO® gefunden, die in Abhängigkeit des Patientenhabitus und -alters mit unterschiedlich
langen Kanülen verwendet werden kann. Weitere Produkte (z. B. Cook®-Nadel) sind hierzu ebenfalls kommerziell erhältlich und regional unterschiedlich
vertreten.
Bei vermutetem Insektenstich, der fremdanamnestisch zu eruierenden Allergieneigung
und mittlerweile vervollständigten Vitalparametern ergibt sich folgende Arbeitsdiagnose:
Allergische Reaktion mit Schwellung der oberen Atemwege, Bronchokonstriktion, kreislaufstabil
– der Notarzt entschließt sich zur medikamentösen Therapie mit H1/2-Blockern, Prednisolon i. v. sowie Salbutamol über eine Inhalationsmaske.
Der kindliche Atemweg
Eine weitere Besonderheit stellt der kindliche Atemweg dar. Neben einer überproportional
großen Zunge, die bei der Intubation den Blick auf die Stimmritze stören kann, besitzen
Kinder einen langen U-förmigen Kehlkopf. Der Larynx steht höher und ventraler als
beim Erwachsenen. Die engste Stelle befindet sich bis etwa zum 8.–10. Lebensjahr unter
der Stimmritze [3]
[5]
[7]. Beim Erwachsenen befindet sie sich in Höhe des Ringknorpels. Für die Praxis bedeutet
dies, dass bei der Intubation ein Tubus oder Führungsstab niemals mit Gewalt unter
diese Höhe geschoben werden darf, da dies sonst zu erheblichen Verletzungen führen
kann.
Ein Schleimhautödem infolge eines zu stark geblockten Cuffs muss unbedingt vermieden
werden: Wegen des geringen Trachealdurchmessers führen bereits kleinere Schwellungen
zu einer deutlichen Verengung der Trachea [3].
Tipp
Bei der Lagerung zur Intubation empfiehlt es sich, wegen des großen Hinterkopfes des
Kleinkindes bis ca. zum 2. Lebensjahr zwischen die Schulterblätter ein Tuch oder Ähnliches
zu platzieren. Liegen der Hinterkopf und die Schultern auf einer ebenen Unterfläche
auf, so kann es zu einem Verschluss der Atemwege kommen, und die Intubation wird durch
eine Veränderung der optischen Achse erschwert [2].
Physiologische Besonderheiten
Physiologische Besonderheiten
Allgemeines
Die physiologischen Gegebenheiten stellen Mitarbeiter des Rettungsdienstes mangels
Routine oftmals vor Herausforderungen: Während Herzfrequenz, Blutdruck und Atemfrequenz
wegen der vermeintlich geringen Bandbreite beim Erwachsenen routiniert eingeschätzt
werden können, variieren diese bei Kindern in Abhängigkeit vom Alter sehr stark ([Tab. 1]). Dies kann zu Fehleinschätzungen und damit zusätzlichem Stress im Team führen.
Tab. 1
Physiologische Parameter [8].
|
Alter in Jahren
|
Atemfrequenz (Atemzüge pro Minute)
|
Herzfrequenz
(Schläge pro Minute)
|
Blutdruck
(systolisch in mm Hg)
|
|
< 1
|
30 – 40
|
110 – 160
|
70 – 90
|
|
2 – 5
|
25 – 30
|
95 – 140
|
80 – 100
|
|
5 – 12
|
20 – 25
|
80 – 120
|
90 – 110
|
|
> 12
|
15 – 20
|
60 – 100
|
100 – 120
|
Je jünger das Kind, desto niedriger ist der systolische Blutdruck und desto höher
sind Herz- und Atemfrequenz.
Herz-Kreislauf-System und Atmung
Während die Atemfrequenz aufgrund eines relativ erhöhten Stoffwechsels und damit einer
erhöhten CO2-Produktion sowie eines erhöhten O2-Bedarfs bei gleichzeitig kleinen Lungenvolumina erhöht ist, beruht die erhöhte Herzfrequenz
auf dem niedrigen systemischen Gefäßwiderstand. Dieser nimmt erst mit dem Alter zu.
Das Herzminutenvolumen ist gerade bei jüngeren Kindern hauptsächlich von der Herzfrequenz
abhängig. Dies erklärt, warum eine für Erwachsene normwertige Herzfrequenz für Säuglinge
als lebensbedrohlich zu werten ist! Zugleich reagiert das kindliche Herz empfindlicher
auf Hypoxie, was schneller als beim Erwachsenen zur Bradykardie führt.
Soll ein Kind notfallmäßig narkotisiert und intubiert werden, wird vor diesem Hintergrund
oft zu einer modifizierten schnellen Narkoseeinleitung geraten. Statt der üblichen
Abfolge (Gabe der Narkosemedikamente, keine Zwischenbeatmung, Intubation) kann das
Kind mit möglichst geringen Spitzenbeatmungsdrücken zwischen der Medikamentengabe
und der Intubation zwischenbeatmet werden. Damit wird der Sicherheitsfaktor für das
Kind erhöht.
Blut, Volumen und medikamentöse Besonderheiten
Blut, Volumen und medikamentöse Besonderheiten
Das Blutvolumen ist beim Kind im Vergleich zum Erwachsenen pro Kilogramm Körpergewicht
zwar erhöht (rund 80 ml/kg KG) [3], das Gesamtvolumen (in Litern) ist aber wesentlich geringer. Somit führt der Verlust
kleinerer Blutmengen im Vergleich zum Erwachsenen prozentual gesehen zu einem höheren
Blutverlust.
Blutverluste werden bei Kindern oft unterschätzt! Kinder kompensieren Volumendefizite,
lange bevor die Situation rasch dekompensiert.
Bezogen auf die Gesamtmasse des Körpers haben Kinder zudem einen höheren Wasseranteil,
der sich erst im Laufe des Wachstums dem des Erwachsenen angleicht. Dies hat praktische
Konsequenzen für den Alltag: Kinder dehydrieren bei Infekten und höheren Temperaturen
schneller [4]. Allerdings muss die Flüssigkeitszufuhr bei Infusionen im Auge behalten werden:
Für Erwachsene übliche Volumenmengen können beim Kind schnell zu einer Überwässerung
führen [4].
Bewährt hat sich eine an das Körpergewicht angepasste statt der blinden Flüssigkeitsgabe.
Zudem müssen Medikamente u. a. wegen anderer Verteilungsvolumina, veränderten Abbaus
und anderer Ausscheidung differenziert dosiert werden [5] bzw. sind im Kindesalter nicht zugelassen.
Während der Notarzt auf seinem Smartphone nach der geeigneten Dosierung für die Patientin
sucht, holt die Rettungssanitäterin eine Kinderinhalationsmaske aus dem RTW und bereitet
anschließend den Transport in die Kinderklinik des Nachbarorts vor.
Hilfsmittel und logistische Besonderheiten
Hilfsmittel und logistische Besonderheiten
Equipment zur Sicherung der Atemwege und weitere Hilfsmittel
Die Mindestausstattung für die Notfallausrüstung legt die DIN 13 232 fest. Neben Basisausstattung
und Material für die Versorgung Erwachsener beschreibt der Teil C die Materialvorhaltung
für Kinder und Säuglinge. Das Material kann modular in verschiedenen Koffer- oder
Rucksacksystemen oder kombiniert mitgeführt werden. Es bietet sich jedoch an, Equipment
für den Kindernotfall separat vorzuhalten.
Aufgrund regional unterschiedlicher Ausstattungsstandards kann das vorgehaltene Material
in Umfang, Qualität und Verlastung variieren [9]. Um Zeitverluste bei der Durchführung lebensrettender Maßnahmen zu verhindern, müssen
die jeweils eingesetzten Materialen und ihre Verlastung in Rucksack oder Koffer dem
Rettungsfachpersonal bekannt sein.
Hilfsmittel zur Sicherung der Vitalfunktionen sind prinzipiell denen erwachsener Patienten
gleich. Jedoch sind sie naturgemäß kleiner und variieren nach den altersbedingten
anatomischen Gegebenheiten. Die richtige Größenauswahl kann das Rettungsdienstpersonal
vor Probleme stellen, da oftmals die Routine fehlt.
Unter den Beatmungsmasken sollen möglichst solche mit geringem Totraumvolumen genutzt
werden. Um bei den geringen Lungenvolumina eine Verabreichung zu hoher Tidalvolumina
zu vermeiden, bieten sich spezielle Kinderbeutel mit kleinerem Volumen an. Die Atemfrequenz
muss altersadaptiert sein und kann beim Säugling bei bis zu 70/min liegen [1].
Werden Beatmungsgeräte genutzt, muss besonderes Augenmerk auf den einstellbaren Atemzugvolumina
liegen. Bei manchen Respiratoren kann im Kindernotfallmodus das Atemzugvolumen unbegrenzt
gesteigert werden!
Endotracheale Intubation
Lässt sich eine Intubation nicht vermeiden, gilt als Faustregel bei Endotrachealtuben,
dass die benötigte Größe mit dem Durchmesser des Kleinfingers des Kindes korreliert.
Alternativ bietet die folgende Gleichung Hinweise auf den Innendurchmesser des Tubus
[7]:
Das Bereitlegen je eines nächstgrößeren bzw. kleineren Durchmessers hat sich angesichts
der individuellen anatomischen Unterschiede bewährt.
Zur Vermeidung bronchialer Intubationen muss eine dem Alter angepasste Intubationstiefe
beachtet werden. Da insbesondere im 1. Lebensjahr die anatomischen Gegebenheiten noch
deutlich vom Kleinkind differieren können, wird zur Intubation ein gerader Spatel
empfohlen, der dieser Tatsache Rechnung trägt [3].
Bewertende Stellungnahme
In der Fallschilderung stand zunächst die Feststellung einer möglichen vitalen Bedrohung
im Vordergrund. Nach Stellen der Arbeitsdiagnose liegen nun weitere Stolpersteine
vor dem eingesetzten Personal: Da Einsätze mit Kindern selten sind, die speziellen
Anforderungen der verschiedenen Altersgruppen variieren und es wenig Routine mit dem
vorgehaltenen Equipment gibt, ist besondere Aufmerksamkeit gefragt.
Medikamentengabe
Dosierungsfehler sind bei Kindern häufig. Schätzfehler beim Körpergewicht, Verdünnungs-
und Rechenfehler können gravierende Folgen haben [10].
Der Einsatz von Hilfsmitteln ist daher nicht nur für den pädiatrisch unerfahrenen
Anwender sinnvoll und kann Dosierungsfehler vermeiden. Taschenrechner, Apps mit voreingestellten
Medikamenten oder im Notfallkoffer bereitliegende Tabellen sind mögliche Beispiele.
Ein bekanntes Hilfsmittel ist das Pädiatrische Notfalllineal®. Das Lineal wird neben das zu versorgende Kind gelegt und die Körpergröße abgelesen.
Da die Körpergröße für einen Altersbereich typisch ist, werden dem mutmaßlichen Alter
entsprechende physiologische Normalwerte, Standardgrößen für Material wie Tuben oder
Laryngoskopiespatel sowie Dosierungen der wichtigsten Medikamente – basierend auf
dem Idealgewicht – zugeordnet.
Schätzungen des Gewichts ebenso wie das Zugrundelegen des tatsächlichen Gewichts können
insbesondere bei adipösen Kindern zur Überschätzung des Verteilungsvolumens der Medikamente
und damit zu Überdosierungen führen [11].
Anhaltspunkte zur Einschätzung des Alters und des Körpergewichts gibt [Tab. 2] im Überblick.
Tab. 2
Einschätzung des Alters pädiatrischer Patienten.
|
Merkmal
|
Alter ca.
|
Gewicht (kg) ca.
|
|
Keine Zähne
|
6 – 8 Monate
|
6
|
|
Sitzt frei
|
8 Monate
|
8
|
|
Steht mit Hilfe
|
10 Monate
|
9
|
|
Läuft ohne Hilfe
|
15 Monate
|
10
|
|
Einzelne Wörter
|
18 Monate
|
12
|
|
Zwei-Wort-Sätze
|
2 Jahre
|
13
|
|
Motorik koordiniert
|
3 Jahre
|
15
|
|
Zahnlücken
|
6 – 7 Jahre
|
22
|
Das Verwenden dem Personal bekannter Hilfsmittel kann das Risiko von Dosierungsfehlern
verringern und Handlungssicherheit schaffen.
Transport
Ist eine klinische Weiterversorgung notwendig, wird idealerweise eine Einrichtung
mit pädiatrischer Abteilung ausgewählt. Steht diese nicht zeitnah zur Verfügung, müssen
in Zuweisungskonzepten im jeweiligen Rettungsdienstbereich alternative Versorgungseinrichtungen
benannt sein.
Beim abschließenden Transport gilt es die Besonderheiten im Kindesalter zu beachten:
Die geringere Körpergröße macht spezielle Sicherungsmaßnahmen obligat. Sind keine
Kinderrückhaltesysteme in den Tragen verbaut, stehen Nachrüstsysteme für Tragesysteme
aller gängigen Hersteller zur Verfügung. Deren Anwendung und die jeweiligen Grenzen
für Körpergröße und Gewicht müssen dem Personal bekannt sein.
Für kleinste Patienten bieten auch Kindersicherungsschalen der Eltern Transportsicherheit,
sofern die Platzverhältnisse eine adäquate Sicherung des Systems im RTW zulassen.
Der Transport kleiner Patienten ohne eigenen Sitzplatz mit Sicherungssystem oder -gurt
auf dem Schoß der Eltern ist selbst angesichts des Arguments der vermeintlichen Beruhigung
des Kindes in jedem Fall abzulehnen [12]. Es obliegt dem Fahrer des Rettungsmittels zu überprüfen, ob bei Fahrtantritt alle
Insassen gesichert sind.
Prinzip
Jeder Insasse im Rettungsmittel muss zwingend auf einem Sitz- oder Liegeplatz mit
einem Rückhaltesystem gesichert sein. Bei Kindern muss dieses zu Körpergröße und Gewicht
passen.
Teammanagement
Die Kommunikation im Team hat nicht nur beim Kindernotfall einen hohen Stellenwert.
Die Nutzung aller Ressourcen und die Einbeziehung von Meinungen aus dem Team können
den Einsatzverlauf positiv bestimmen. Klare Ansagen und die Bestätigung des Empfängers
im Ping-Pong-Prinzip („Bereite bitte 2 mg Fenistil vor“ – „Ich habe 2 mg Fenistil
aufgezogen“) vermeiden Unklarheiten und reduzieren Fehler.
Tipp
Insbesondere bei ungewohnten Medikamentendosierungen bietet das Wiederholen der Dosierungen
einen Sicherheitspuffer: Alle Teammitglieder hören die Anforderungen ein zweites Mal
und können bei als falsch empfundenen Dosierungen Bedenken äußern.
Kindereinsätze werden häufig als Belastung wahrgenommen [13]. Die Nachbesprechung im Team, insbesondere nach ungünstigem Verlauf, hilft bei der
Verarbeitung von Eindrücken. Gemeinsam können Fehlerquellen konstruktiv aufgearbeitet
und auch positive Abläufe besprochen werden und so eine größere Routine für zukünftige
Einsätze schaffen.
Fazit
Kindernotfälle erfordern ein spezielles Vorgehen. Da sie im Alltag selten sind, empfiehlt
sich eine Vorbereitung durch entsprechendes Training wie z. B. den Besuch auf Kindernotfälle
ausgerichteter Kurse (z. B. PALS®) und Fortbildungen. Dies erhöht die Sicherheit und reduziert auftretende psychische
Belastungsfaktoren bei allen Beteiligten.
-
Kindernotfälle sind selten und erfordern ein strukturiertes, altersabhängiges Vorgehen
unter Beachtung des jeweiligen Entwicklungsstandes des Kindes.
-
Die Teilnahme an speziellen Kursformaten kann die Sicherheit beim Personal im Umgang
mit Kindernotfällen erhöhen und damit Stress bei allen verringern.
-
Eltern bzw. Bezugspersonen sollten wann immer möglich mit in die Versorgung eingebunden
und betreut werden, da dies auf alle Anwesenden beruhigend und stabilisierend wirkt.
-
Die Kenntnis physiologischer Besonderheiten ist essenziell für eine adäquate Notfallversorgung.
-
Unerfahrene sollten Hilfsmittel nutzen, um physiologische Parameter, Medikamentendosierungen
oder die Größe benötigter Materialien einschätzen zu können.
-
Gelebte Teamarbeit und gleichberechtigte Kommunikation ermöglichen es, Fehlerquellen
aufzudecken und anzusprechen.
-
Konstruktive Nachbesprechungen im Team helfen, auch kritische Einsätze zu verarbeiten
und gemeinsam Routine für folgende Notfallsituation mit Kindern zu festigen.