Drug Res (Stuttg) 2018; 68(S 01): S8-S9
DOI: 10.1055/a-0733-0783
Symposium der Paul-Martini-Stiftung
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Langzeitpharmakovigilanz bei Kinderarzneimitteln

Peter-Andreas Löschmann
1   Pfizer Pharma GmbH, Berlin
,
Gerd Horneff
2   Asklepios Klinik St. Augustin GmbH
› Author Affiliations
Further Information

Korrespondenzadresse

PD Dr. med. Peter-Andreas Löschmann
Pfizer Pharma GmbH, Berlin
Senior Country Medical Director
Linkstraße 10
10785 Berlin

 

Prof. Dr. med. Gerd Horneff
Asklepios Klinik St. Augustin GmbH
Arnold-Janssen-Straße 29
53757 Sankt Augustin

Publication History

Publication Date:
19 November 2018 (online)

 

Selbstverständlich gelten für die Zulassung von Kinderarzneimitteln ebenso strenge Regeln wie für alle übrigen Arzneimittel. Darüber hinaus gebietet die Behandlung von Kindern eine genaue Beobachtung und Dokumentation der Behandlung und auch der allgemeinen Entwicklung der behandelten Kinder. Hierfür sind nicht-interventionelle Studien in Form von Registern besonders geeignet. Bei Einführung des rekombinant hergestellten humanen Wachstumshormonpräparates Genotropin im Jahr 1987 wurde eine solche Datensammlung KIGS (Pfizer International Growth Database) begonnen [1]. Im Jahr 2011, d. h. 24 Jahre, später waren 58 603 Behandlungen aus mehr als 43 Ländern dokumentiert. Die Ergebnisse wurden in mehr als 78 Arbeiten publiziert und konnten nicht nur wichtige Fragen zu Sicherheit und Verträglichkeit der Behandlung beantworten [2], sondern erlaubten auch, die Behandlungskonzepte zu optimieren [3], [4].

Ein weiteres Beispiel ist das Biologika-in-der-Kinderrheumatologie-Register (BIKER). Das Register wurde im Jahr 2000 von Kinderrheumatologen in Deutschland und Österreich zur prospektiven Untersuchung der Langzeitsicherheit und Wirksamkeit von Etanercept begonnen, lange vor der Einführung von europäischen Regularien zur Durchführung von Post-authorization Safety Sudies (PASS) durch die EMA [5]. Auch dieses Register wurde von Pfizer von Beginn an unterstützt. In den Folgejahren wurde es jeweils um die Biologika erweitert, die eine Zulassung für die Behandlung von Kindern erhalten hatten.

Die Juvenile idiopathische Arthritis (JIA; auch: juvenile rheumatoide Arthritis) gehört mit einer jährliche Inzidenz von etwa 5 – 6 und einer Prävalenz von 20 – 30/100 000 Kindern unter 16 Jahren zu den seltenen Erkrankungen, ist aber eine der häufigsten Entzündungskrankheiten in der Kindheit und stellt eine Hauptursache für Behinderungen dar [6], [7].

Die Gesamtprognose ist für die meisten Kinder mit chronischer Arthritis nicht ungünstig, doch sind 8 Jahre nach Erkrankungsbeginn nur 42% in medikationsfreier Remission. Dies gilt vor allem für die Formen mit systemischem, aber auch polyartikulärem Beginn [8]. Gegen die Behandlung resistente Patienten können schwere Gelenkzerstörungen und Wachstumsverzögerungen entwickeln. Darüber hinaus geht die langfristige konventionelle Behandlung mit Kortikosteroiden und systemischen Immunsuppressiva mit einer Reihe von unerwünschten Wirkungen einher.

Fast zeitgleich mit der Zulassung des Tumornekrosefaktor-Inhibitors (TNFα) Etanercept für die Behandlung der rheumatoiden Arthritis der Erwachsenen im Jahr 2000 erfolgte auch die Zulassung zur Behandlung der aktiven, behandlungsresistenten polyartikulären juvenilen Arthritis (pJIA) von Patienten ab vier und später ab zwei Jahren [9].

Das Studienprotokoll von BIKER wurde initial von der Ethikkommission der Universität Halle-Wittenberg evaluiert, und die Rekrutierung von Patienten begann im Januar 2001. Die Patientenaufklärung und das Einholen der schriftlichen Einverständniserklärungen übernahmen die verantwortlichen Ärzte der beteiligten Zentren. Die Patientendaten wurden pseudonymisiert und in einer zentralen Datenbank gesammelt [10].

Folgende rheumatologische Endpunkte werden erhoben:

  • globale Beurteilung des allgemeinen Wohlbefindens durch den Patienten bzw. der Krankheitsaktivität durch den Arzt (visuelle Analogskala [VAS])

  • Eltern/Patienten-Bewertung von Schmerzen (VAS)

  • funktionelle Behinderung (Fragebogen zur Gesundheit des Kindes [CHAQ])

  • Anzahl der geschwollenen Gelenke mit aktiver Arthritis und/oder Druckschmerzhaftigkeit

  • Anzahl der Gelenke mit eingeschränkter Beweglichkeit

  • Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit (ESR) und C-reaktives Protein (CRP)

  • Dauer der Morgensteifigkeit

Daneben werden die Begleitmedikation, die üblichen klinischen Laborparameter und selbstverständlich unerwünschte Ereignisse sowie ggfs. die Gründe für eine Behandlungsumstellung oder einen Behandlungsabbruch dokumentiert und ausgewertet.

Die Indikation zur Behandlung mit Etanercept sowie die empfohlene Dosierung und der Behandlungsplan (0,4 mg/kg Körpergewicht bzw. 0,8 mg/kg Körpergewicht subkutan zweimal wöchentlich) erfolgen gemäß Fachinformation. Gleiches gilt für die Behandlung mit den später zugelassenen Biologika:

Für die Therapie der polyartikulären JIA (pJIA) ab einem Alter von 2 Jahren zugelassene Biologika sind neben Etanercept, Adalimumab und Tocilizumab seit 2016 auch Golimumab. Ab einem Alter von 6 Jahren kann Abatacept bei pJIA nach Versagen eines TNFα-Hemmers verordnet werden. Sowohl der Einsatz von Golimumab als auch Abatacept ist laut Zulassung auf die Kombination mit Methotrexat (MTX) limitiert.

Auch für andere JIA-Unterformen stehen inzwischen zugelassene Biologika zur Verfügung, so etwa Etanercept bei Enthesitis-assoziierter JIA (ERA) und Psoriasis-Arthritis (PsA) ab 12 und erweiterter Oligoarthritis (eoJIA) ab 2 Jahren, sowie Adalimumab bei ERA ab 6 Jahren und für die Behandlung der Uveitis-assoziierten JIA ab einem Alter von 2 Jahren. Für die systemische JIA sind sowohl Canakinumab als auch Tocilizumab ab einem Alter von 2 Jahren und Anakinra ab einem Alter von 8 Monaten zugelassen.

Eine wichtige Besonderheit des Registers ist die im Jahr 2005 begonnene systematische Dokumentation von Patienten, die mit Methotrexat behandelt werden. Hierdurch ist die Möglichkeit gegeben, die relative Wirksamkeit, aber auch Sicherheit und Verträglichkeit der Biologika im Vergleich zu einer Standardtherapie ohne Biologika zu beschreiben.

Seit Beginn der Dokumentation im BIKER-Register wurden bisher mehr als 4000 Patienten eingeschlossen und die Ergebnisse in 36 Arbeiten publiziert. Diese untersuchen einerseits Sicherheitsaspekte wie das Auftreten von Infektionen [11], [12] oder Uveitiden [13], die Beobachtung von malignen Erkrankungen [14], [15] und natürlich die Wirksamkeit der Behandlung [16] unterschiedlicher Formen der JIA und in verschiedenen Altersgruppen [17] unter Berücksichtigung der Vor- und Begleitbehandlungen.

Zusammengefasst scheint die Gesamtzahl der im BIKER-Register gemeldeten schweren Infektionen gering. Die Behandlung mit Etanercept oder Adalimumab erhöht das Risiko für schwere Infektionen im Vergleich zu Methotrexat moderat. JIA-Patienten scheinen im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung ein erhöhtes Risiko für Malignome zu tragen, entweder durch die rheumatische Erkrankung selbst oder durch deren Behandlung. Die Behandlung mit Etanercept scheint das Malignitätsrisiko nicht weiter zu erhöhen. Um diese und weitere Fragen zu beantworten, werden JIA-Patienten mit dem Eintritt in das Erwachsenenalter systematisch auf das Follow-up-Register für junge Erwachsene mit JIA, die mit Biologika und/oder nicht-biologischen DMARDs behandelt werden (JuMBO Register, z. Z. 1400 Teilnehmer), übertragen und weiter verfolgt [18].

In der letzten Dekade hat der Anteil der Patienten mit aktiver Krankheit abgenommen. Die Verfügbarkeit der zusätzlichen Behandlungsoptionen und eine frühere oder schnellere Intensivbehandlung und ein verbesserter Zugang zu spezialisierter Behandlung sind bestimmende Faktoren dieser positiven Entwicklung. Herausforderungen besonders bei der Behandlung systemischer JIA bleiben jedoch bestehen, da etwa 30% der Patienten weiterhin an einer aktiven Erkrankung leiden.


#

PD Dr. med. Peter-Andreas Löschmann

Zoom Image

Prof. Dr. med. Gerd Horneff

Zoom Image

Interessenkonflikte

Der Erstautor ist Mitarbeiter der Firma Pfizer Pharma GmbH, dem Hersteller von Genotropin® und Enbrel®

  • Literatur

  • 1 Strom BL. Study designs available for pharmacoepidemiology. In: Strom BL. ed. Pharmacoepidemiology. 3rd ed.. Hoboken, NJ: John Wiley & Sons; 2000: 20
  • 2 Wilton P, Mattsson AF, Darendeliler F. Growth hormone treatment in children is not associated with an increase in the incidence of cancer: experience from KIGS (Pfizer International Growth Database). J Pediatr 2010; 157: 265-270
  • 3 Ranke MB, Lindberg A. Predicting growth in response to growth hormone treatment. Growth Horm IGF Res 2009; 19: 1-11
  • 4 Ranke MB, Lindberg A. KIGS International Board. Observed and predicted growth responses in prepubertal children with growth disorders: guidance of growth hormone treatment by empirical variables. J Clin Endocrinol Metab 2010; 95: 1229-1237
  • 5 Europäische Union. Pharmakovigilanzrichtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates (2010/84/EU). Online: https://ec.europa.eu/health//sites/health/files/files/eudralex/vol-1/dir_2010_84/dir_2010_84_de.pdf http:// Stand: 20.09.2018
  • 6 Woo P, Wedderburn LR. Juvenile chronic arthritis. Lancet 1998; 351: 969-973
  • 7 Petty RE, Southwood TR, Baum J. et al. Revision of the proposed criteria for juvenile idiopathic arthritis: Durban 1997. J Rheumatol 1998; 25: 1991-1994
  • 8 Nordal E, Zak M, Aalto K. et al. Nordic Study Group of Pediatric Rheumatology. Ongoing disease activity and changing categories in a long-term nordic cohort study of juvenile idiopathic arthritis. Arthritis Rheum 2011; 63: 2809-2818
  • 9 Pfizer. Fachinformation Enbrel 10 mg für Kinder und Jugendliche. Im Internet: https://www.pfizer.de/fileadmin/produktdatenbank/pdf/013264_freigabe.pdf Stand: 20.09.2018
  • 10 Horneff G, Schmeling H, Biedermann T. et al. for the Paediatric Rheumatology Collaborative Group. The German etanercept registry for treatment of juvenile idiopathic arthritis. Ann Rheum Dis 2004; 63: 1638-1644
  • 11 Horneff G. Biologic-associated infections in pediatric rheumatology. Curr Rheumatol Rep 2015; 17: 66
  • 12 Becker I, Horneff G. Risk of serious infection in juvenile idiopathic arthritis patients associated with TNF-inhibitors and disease activity in the German BIKER registry. Arthritis Care Res (Hoboken) 2016; DOI: 10.1002/acr.22961.
  • 13 Foeldvari I, Becker I, Horneff G. Uveitis Events During Adalimumab, Etanercept, and Methotrexate Therapy in Juvenile Idiopathic Arthritis: Data From the Biologics in Pediatric Rheumatology Registry. Arthritis Care Res (Hoboken) 2015; 67: 1529-1535
  • 14 Horneff G, Foeldvari I, Minden K. et al. Report on malignancies in the German juvenile idiopathic arthritis registry. Rheumatology (Oxford) 2011; 50: 230-236
  • 15 Horneff G, Klein A, Oommen PT. et al. Update on malignancies in children with juvenile idiopathic arthritis in the German BIKER Registry. Clin Exp Rheumatol 2016; 34: 1113-1120
  • 16 Klotsche J, Raab A, Niewerth M. et al. Outcome and trends in treatment of systemic juvenile idiopathic arthritis in the German National Pediatric Rheumatological Database from 2000 to 2013. Arthritis Rheumatol 2016; DOI: 10.1002/art.3979.
  • 17 Windschall D, Horneff G. Safety and efficacy of etanercept and adalimumab in children aged 2 to 4 years with juvenile idiopathic arthritis. Clin Rheumatol 2016; 35: 2925-2931
  • 18 Niewerth M, Minden K, Klotsche J. et al. [Therapy of juvenile idiopathic arthritis in early adulthood with biologics: transition from pediatric to adult care]. Z Rheumatol 2014; 73: 532-540

Korrespondenzadresse

PD Dr. med. Peter-Andreas Löschmann
Pfizer Pharma GmbH, Berlin
Senior Country Medical Director
Linkstraße 10
10785 Berlin

 

Prof. Dr. med. Gerd Horneff
Asklepios Klinik St. Augustin GmbH
Arnold-Janssen-Straße 29
53757 Sankt Augustin

  • Literatur

  • 1 Strom BL. Study designs available for pharmacoepidemiology. In: Strom BL. ed. Pharmacoepidemiology. 3rd ed.. Hoboken, NJ: John Wiley & Sons; 2000: 20
  • 2 Wilton P, Mattsson AF, Darendeliler F. Growth hormone treatment in children is not associated with an increase in the incidence of cancer: experience from KIGS (Pfizer International Growth Database). J Pediatr 2010; 157: 265-270
  • 3 Ranke MB, Lindberg A. Predicting growth in response to growth hormone treatment. Growth Horm IGF Res 2009; 19: 1-11
  • 4 Ranke MB, Lindberg A. KIGS International Board. Observed and predicted growth responses in prepubertal children with growth disorders: guidance of growth hormone treatment by empirical variables. J Clin Endocrinol Metab 2010; 95: 1229-1237
  • 5 Europäische Union. Pharmakovigilanzrichtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates (2010/84/EU). Online: https://ec.europa.eu/health//sites/health/files/files/eudralex/vol-1/dir_2010_84/dir_2010_84_de.pdf http:// Stand: 20.09.2018
  • 6 Woo P, Wedderburn LR. Juvenile chronic arthritis. Lancet 1998; 351: 969-973
  • 7 Petty RE, Southwood TR, Baum J. et al. Revision of the proposed criteria for juvenile idiopathic arthritis: Durban 1997. J Rheumatol 1998; 25: 1991-1994
  • 8 Nordal E, Zak M, Aalto K. et al. Nordic Study Group of Pediatric Rheumatology. Ongoing disease activity and changing categories in a long-term nordic cohort study of juvenile idiopathic arthritis. Arthritis Rheum 2011; 63: 2809-2818
  • 9 Pfizer. Fachinformation Enbrel 10 mg für Kinder und Jugendliche. Im Internet: https://www.pfizer.de/fileadmin/produktdatenbank/pdf/013264_freigabe.pdf Stand: 20.09.2018
  • 10 Horneff G, Schmeling H, Biedermann T. et al. for the Paediatric Rheumatology Collaborative Group. The German etanercept registry for treatment of juvenile idiopathic arthritis. Ann Rheum Dis 2004; 63: 1638-1644
  • 11 Horneff G. Biologic-associated infections in pediatric rheumatology. Curr Rheumatol Rep 2015; 17: 66
  • 12 Becker I, Horneff G. Risk of serious infection in juvenile idiopathic arthritis patients associated with TNF-inhibitors and disease activity in the German BIKER registry. Arthritis Care Res (Hoboken) 2016; DOI: 10.1002/acr.22961.
  • 13 Foeldvari I, Becker I, Horneff G. Uveitis Events During Adalimumab, Etanercept, and Methotrexate Therapy in Juvenile Idiopathic Arthritis: Data From the Biologics in Pediatric Rheumatology Registry. Arthritis Care Res (Hoboken) 2015; 67: 1529-1535
  • 14 Horneff G, Foeldvari I, Minden K. et al. Report on malignancies in the German juvenile idiopathic arthritis registry. Rheumatology (Oxford) 2011; 50: 230-236
  • 15 Horneff G, Klein A, Oommen PT. et al. Update on malignancies in children with juvenile idiopathic arthritis in the German BIKER Registry. Clin Exp Rheumatol 2016; 34: 1113-1120
  • 16 Klotsche J, Raab A, Niewerth M. et al. Outcome and trends in treatment of systemic juvenile idiopathic arthritis in the German National Pediatric Rheumatological Database from 2000 to 2013. Arthritis Rheumatol 2016; DOI: 10.1002/art.3979.
  • 17 Windschall D, Horneff G. Safety and efficacy of etanercept and adalimumab in children aged 2 to 4 years with juvenile idiopathic arthritis. Clin Rheumatol 2016; 35: 2925-2931
  • 18 Niewerth M, Minden K, Klotsche J. et al. [Therapy of juvenile idiopathic arthritis in early adulthood with biologics: transition from pediatric to adult care]. Z Rheumatol 2014; 73: 532-540

Zoom Image
Zoom Image