kleintier konkret 2018; 21(S 04): 2-8
DOI: 10.1055/a-0740-4069
Kardiologie
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Diagnose und Klassifizierung eines Patienten mit Mitralklappenerkrankung

Ralph Wendt
,
Jan-Gerd Kresken
,
Michael Deinert
Weitere Informationen

Korrespondenzadresse

Dr. Ralph Wendt
Tierärztliche Überweisungspraxis Kirschenwäldchen
Kirschenwäldchen 12
35578 Wetzlar

 

Dr. Jan-Gerd Kresken
Tierärztliche Klinik für Kleintiere am Kaiserberg GbR
Wintgensstr. 81 – 83
47058 Duisburg

 

Dr. Michael Deinert
Fachtierarztpraxis am Sandpfad
Ludwig-Wagner-Str. 31
69169 Wiesloch

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
18. Dezember 2018 (online)

 

Die chronisch degenerative Mitralklappenerkrankung (DMVD) ist die häufigste erworbene Herzerkrankung beim Hund. Dabei handelt es sich um eine chronische myxomatöse Degeneration der Mitralklappe, die eine Verdickung der Klappe und einen inkompletten Schluss der Klappensegel während der Systole verursacht. Die Folge ist eine Mitralklappenregurgitation.


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(© gumichan – stock.adobe.com)

Die chronisch degenerative Mitralklappenerkrankung kommt bei Vertretern kleiner Hunderassen besonders häufig vor, aber sie wird mittlerweile in der Literatur auch bei Hunden größerer Rassen beschrieben. Dies spiegelt die Erfahrungen der Autoren wider. Je älter der Hund ist, desto wahrscheinlicher wird eine Mitralklappendegeneration festzustellen sein.

Schweregrad und Progression der Erkrankung variieren stark: Jahrelange Phasen ohne medikamentöse Therapie sind möglich. Trotz der schleichenden Progression kann die korrekte Therapie lange Phasen mit einer hohen Lebensqualität ermöglichen. Mit dem Linksherzversagen und dem darauffolgenden Rechtsherzversagen nach Lungenhochdruck (PAH, Pulmonäre Arterielle Hypertonie) hat die Erkrankung das Endstadium erreicht.

Die transthorakale Echokardiografie ist zurzeit der Goldstandard zur Evaluierung des Schweregrads und wird auch zur Diagnosesicherung der Erkrankung empfohlen.

Symptomatik

Es gibt keine typischen Symptome, die den direkten Rückschluss auf das Vorliegen einer Herzerkrankung zulassen. Oftmals handelt es sich um eine unklare Gemengelage unterschiedlichster Auffälligkeiten im Verhalten des Patienten.

Folgende Symptome und Beschwerden werden regelmäßig vom Tierbesitzer genannt (in ungefährer zeitlicher oder kausaler Abfolge):

  • reduzierte Leistungsbereitschaft und -fähigkeit

  • Tachypnoe bei Belastung

  • Husten, zuerst nur bei Freude und Aufregung (als Anzeichen einer Kardiomegalie, nicht aber als Leitsymptom für ein kongestives Herzversagen)

Zu einem späteren Zeitpunkt zeigen die Patienten dauerhaft:

  • Dyspnoe

  • Orthopnoe

  • Aszites

  • Synkopen

  • Gewichtsverlust

  • Anorexie


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Diagnose

Wird eine morphologische Abweichung einer oder beider AV-Klappen und eine Insuffizienz nachgewiesen, ist es oftmals nicht möglich, die ursächliche Erkrankung (z. B. eine Dysplasie oder eine Degeneration der Mitralklappe) auch unter Verwendung der bekannten bildgebenden Verfahren zu benennen. Diese Tatsache ist besonders bei der Erstellung zuchtrelevanter Gutachten zu beachten. Nach Lokalisation der Insuffizienz kann man unter Beachtung von Alter, Gewicht und evtl. Rassedisposition jedoch Hinweise auf die wahrscheinliche Ursache einer AV-Klappenerkrankung ableiten („Signalement-Profiling“, [Tab. 1]).

Tab. 1 Signalement als wichtiger Hinweis auf die wahrscheinliche Ursache einer AV-Klappenerkrankung [9].

Alter

Gewicht/Rasse

wahrscheinliche Ursache

isolierte Mitralklappeninsuffizienz

< 1 Jahr

unabhängig

Mitralklappendysplasie

> 3 Jahre

< 20 kg, z. B. Teckel, Cavalier King Charles Spaniel, Shi-Tzu, Lhasa Apso

DMVD (chronisch degenerative Mitralklappenerkrankung)

isolierte Trikuspidalklappeninsuffizienz

< 4 Jahre

Labrador Retriever, Australian Shepherd, Golden Retriever

Trikuspidalklappendysplasie

kombinierte Mitral- und Trikuspidalinsuffizienz

< 1 Jahr

beidseitige AV-Klappendysplasie (selten, meist minimal)

> 3 Jahre

< 20 kg

DMTVD (chronische Mitral- und Trikuspidalklappenerkrankung)


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Klassifikationssysteme

Die ACVIM-Klassifikation besticht durch ihre klare Trennung von asymptomatischem und symptomatischem Patient und hat wie die CHIEF-Klassifikation den Risikopatienten eingeführt [9].

Die Autoren haben die ACVIM-Klassifikation um den asymptomatischen Patienten, der unter Medikation steht, erweitert. Nur so kann man einen durch Behandlung kompensierten und stabilisierten klinischen Patienten (Stadium C1) von einem Patienten im Stadium B2 trennen. Das „Dogs Echocardiography Progression Protocol“ (DEPP-Klassifikation) der Autoren kombiniert die jeweiligen Vorteile der CHIEF- und der ACVIM-Klassifikation im Bereich der Patienten aus den Gruppen B und C ([Tab. 2]) und verwendet im Gegensatz zu den anderen Klassifikationssystemen die sonografischen Veränderungen am Herzen und nicht nur die Röntgentechnik.

Tab. 2 DEPP (Dog Echocardiography Progression Protocol)-Klassifikation (integriert für DMVD aus CHIEF und ACVIM) [9].

Stadium

Auskultation

Röntgen und Echokardiografie

Symptome

Zustand

A

kein Befund, aber Risiko

keine

gesund

B1

Herzgeräusch 1 – 2/6

Mitralinsuffizienz ohne Anzeichen einer Volumenüberladung:

  • Röntgen: VHS normal

  • Echokardiografie: Cornell-Index < 1,8 und LA/Ao < 1,6 (SAX)

keine

kompensiert

B2

Herzgeräusch 2/6

relevante Insuffizienz mit Kompensation:

  • Röntgen: Kardiomegalie, VHS erhöht, Atrium vergrößert

  • Echokardiografie: LA/Ao-Verhältnis Kurzachse ≥ 1,6 und Cornell-Index des linken Ventrikeldurchmessers diastolisch ≥ 1,7

  • keine Dyspnoe; keine Tachypnoe; Leistungsinsuffizienz und gelegentlich Husten (Kompression des linken Hauptbronchus) im fortgeschrittenen Stadium möglich

kompensiert

C1

Herzgeräusch > 2/6

kein Lungenödem unter Therapie, evtl. gestaute Pulmonalvenen

keine unter Therapie

stabilisiert

C2

Herzgeräusch > 3/6

  • Röntgen: gestaute Pulmonalvenen, interstitielles Lungenödem

  • Echokardiografie: Cornell-Index > 1,85 und LA/Ao > 1,8

Tachypnoe, gelegentlich Husten

dekompensiert

C3

Herzgeräusch, pulmonale Geräusche

  • Röntgen: alveoläres Lungenödem

  • Echokardiografie: Cornell-Index > 1,85 und LA/Ao > 2,0 (SAX)

hgr. Dyspnoe; Husten

dekompensiert

D

Herzgeräusch

  • Röntgen: alveoläres Lungenödem, Thoraxerguss, evtl. Aszites

  • Echokardiografie: Cornell-Index > 1,85 und LA/Ao > 2,5 evtl. Stauungsperikarderguss, systolische Funktionsstörung, meist pulmonale Hypertonie

  • EKG: Arrhythmie (VES, VHF)

Orthopnoe, Zyanose, Synkope

dekompensiert, therapieresistent


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Detektionsverfahren

Es gibt verschiedene Verfahren und Möglichkeiten, den Mitralklappenpatienten einem bestimmten Stadium innerhalb der Klassifikation zuzuordnen. So ist z. B. das Gespräch mit dem Tierhalter essentiell, um beurteilen zu können, ob der Patient symptomatisch ist oder nicht. Hierbei sollten die im Folgenden genannten Kriterien für ein kongestives Herzversagen beachtet werden.

In der [Tab. 3] sind die Möglichkeiten der Klassifizierung eines Patienten anhand der verschiedenen Detektionsverfahren dargestellt. Die Aussagekraft der Nachweisverfahren für eine chronisch degenerative Mitralklappenerkrankung bei älteren Hunden variiert in Abhängigkeit von ihrer Größe ([Tab. 4]).

Tab. 3 Möglichkeiten der Klassifizierung eines Patienten anhand der verschiedenen Detektionsverfahren [9].

Detektionsverfahren

Kriterium

Stadium A

Stadium B

Stadium C

Stadium D

Kenntnis einer Rassedisposition

Risiko

×

Gespräch mit Tierbesitzer

Symptome

×

×

Auskultation

Geräusch

×

×

Ruheatemfrequenz

Lungenödem

×

×

Röntgen Thorax (mögl. in 2 Ebenen)

Remodeling

×

×

×

Röntgen Thorax (mögl. in 2 Ebenen)

Lungenödem

×

×

Echokardiografie

Remodeling

×

×

×

×

Therapie

Resistenz

B1 – B2 ×

×

×

Tab. 4 Aussagekraft der Nachweisverfahren für eine DMVD bei älteren kleinen und großen Hunden [9].

Verfahren

Befunde

Aussagekraft1

bei kleinen Hunden

bei großen Hunden

1 +++ = sehr aussagekräftig; ++ = aussagekräftig; + = wenig aussagekräftig; ± = kaum aussagekräftig; – = nicht aussagekräftig

Puls

Auskultation

systolisches Herzgeräusch mit Punctum maximum an linker Thoraxwand (herzspitzenwärts)

+++

±

Röntgen

LL: Vergröβerung linke Kammer und Vorhof; ggf. Kongestionen der Lungenvenen, Lungenödem

++

±

DV: Vergröβerung linke Kammer und Vorhof

++

±

EKG

Vorhofflimmern

+

Echokardiografie

echogene Knötchen an den Klappen

+++

++

Mitralklappenprolaps

+++

Mitralisflail

+++

Vorhof- und Kammervergröβerung

+++

+++

Insuffizienz der Mitralklappe

++

±

Myokardinsuffizienz (Anzeichen sekundärer systolischer Funktionsstörung)

++

Septumhyperkinesie

+++

++

Auskultation

Typisch für die chronisch degenerative Mitralklappenerkrankung ist ein systolisches Herzgeräusch mit Punctum maximum an der linken Thoraxwand, apikal im Bereich des Knorpel-Knochenübergangs der Rippen gelegen.

Zu Beginn der Erkrankung (Stadium B1) ist das Geräusch zunächst leise (Grad 1 – 2/6) und muss nicht unbedingt während der gesamten Systole zu hören sein. In diesem Stadium ist auch ein musikalisches (möwenschreiähnliches) Geräusch möglich.

Im weiteren Verlauf wird das Geräusch zunehmend holosystolisch und lauter (Grad 3 – 4/6). Dazu gehört auch, dass das Herzgeräusch nun einen tieferfrequenten (basslastigeren) Charakter annimmt.

In fortgeschrittenen Fällen mit ventrikulärer Hyperkinesie kann ein dritter Herzton (ventrikulärer Füllungston) und ein tastbares Schwirren auftreten (Grad 5 – 6/6) [11].

Wenn bei der Auskultation eine respiratorische Sinusarrhythmie festgestellt wird, ist meistens von einem asymptomatischen Patienten auszugehen. Eine respiratorische Arrhythmie spricht somit gegen ein kongestives Herzversagen, sie kann bei primären Atemwegskrankheiten (z. B. einer Lungenfibrose) sogar in verstärktem Maße auftreten.

Merke

Das Herzgeräusch infolge einer Mitralklappeninsuffizienz kann auch auf die rechte Thoraxseite ausstrahlen, deswegen ist eine parallel vorliegende Trikuspidalklappeninsuffizienz oft nicht eindeutig zu differenzieren.


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Ruheatemfrequenz/Atemfrequenz im Schlaf

Die Ruheatemfrequenz (RRR, Resting Respiratory Rate,) wird in einer absoluten Ruhesituation, am besten bei einem liegenden, ruhenden Hund gemessen. Alternativ kann die Atemfrequenz beim schlafenden Hund gemessen werden (SRR, Sleeping Respiratory Rate), die meistens niedriger als die RRR ist. RRR und SRR steigen bei Patienten im kongestiven Herzversagen (Lungenödem) kontinuierlich an.

Ein Wert unter 30 Atemzügen/min gilt als unverdächtig. Bei Werten über 35 Atemzüge/min ist bei Hunden mit Kongestionen ein kritischer Punkt erreicht, bei dem der Tierbesitzer umgehend den Tierarzt aufsuchen sollte. Hierbei ist jedoch anzumerken, dass die Mitralklappenpatienten im Idealfall bereits einige Zeit unter tierärztlicher Obhut stehen und die Besitzerkommunikation schon frühzeitig auf die Atemfrequenz zu legen ist. Die individuelle Atemfrequenz bei Hunden kann somit sehr früh vom Besitzer überwacht werden. Nicht selten sind die Atemfrequenzen in Ruhe nämlich deutlich unter 20/min.

Die Bestimmung der Ruheatemfrequenz stellt eine sehr sensitive Methode zur Erkennung eines Lungenödems dar und kann bereits vor dem Auftreten radiologischer Veränderungen (interstitielles Lungenödem) ansteigen. Jedoch ist sie nicht spezifisch für ein Lungenödem.

Merke

Die Messung der Ruheatemfrequenz durch den Besitzer ist eine sehr sensitive, jedoch nicht spezifische Methode zur Erkennung eines Lungenödems.


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Echokardiografische Untersuchung

Da die Echokardiografie das derzeit wohl bedeutendste Diagnostikum darstellt, wird im Artikel Wendt R, Kresken JG, Deinert M. Echokardiografische Untersuchung der chronisch degenerative Mitralklappenerkrankung. Kleintier konkret 2018; S4: 9 – 13 wesentlich ausführlicher darauf eingegangen.

Kardiale Biomarker

Natriuretische Peptide steigen bei kardialem Wandstress – z. B. infolge einer Volumenüberladung – an. Beim NT-proBNP handelt es sich um ein stabiles Stoffwechselprodukt dieses Peptids, dessen Bestimmung kommerziell angeboten wird.

Die eigentliche Diagnose einer Mitralklappenendokardiose erfolgt grundsätzlich klinisch, der Biomarker kann jedoch für Staging und Prognose hilfreich sein. Das Staging erfolgt idealerweise durch eine Echokardiografie, was jedoch eine vergleichsweise aufwendige und spezialisierte Untersuchungstechnik darstellt. Eine Staging-Hilfe per Biomarker könnte daher insbesondere zur Unterscheidung zwischen Stadium B1 (keine Therapie) und Stadium B2 (Beginn der Therapie) von Bedeutung sein.

Das Screening per Biomarker wäre für kardiologisch nicht spezialisierte Praxen interessant, um nur diejenigen Patienten zu einer Echokardiografie zu überweisen, die sich mit großer Wahrscheinlichkeit im Stadium B2 oder im Übergang dazu befinden. In bisherigen Studien ergaben sich nominal zwar statistisch signifikante Unterschiede in der NT-proBNP-Konzentration zwischen Stadium B1 und B2 (bei n = 53 bzw. 19 Hunden), jedoch bestand ein großer Überlappungsbereich der Werte, was die klinische Bedeutung dieser Untersuchung minderte [6], [17]. Die gleiche Fragestellung wird nun in der aktuell laufenden HAMLET-Studie an 1000 Patienten im Stadium B1 oder B2 untersucht. Zur weiteren Beurteilung der Wertigkeit eines Biomarker-basierten Stagings im präklinischen Stadium sollten die Ergebnisse dieser Studie abgewartet werden.


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Kriterien für kongestives Herzversagen

Ein kongestives Herzversagen bedeutet das Auftreten eines kardialen Lungenödems. Damit hat der Patient das Stadium B2 verlassen und befindet sich mindestens im Stadium C2. Nach erfolgreicher Therapie, die den dauerhaften Einsatz von Diuretika in mindestwirksamer Dosis voraussetzt, kann der Patient dann im Stadium C1 stabilisiert werden.

Merke

Nach Dekompensation bleibt der Patient im Stadium C: Eine Rückkehr ins Stadium B2 ist nicht mehr möglich.

Das sensitivste Symptom für ein kardiales Lungenödem ist eine erhöhte Ruheatemfrequenz > 35 Atemzüge/min. Unbehandelt kann die Ruheatemfrequenz dann nicht selten innerhalb kurzer Zeit (24 – 48 h) auf Werte > 100 Atemzüge/min anstiegen, was eine Notfallsituation darstellt.

Röntgenologisch ist ein alveoläres Lungenödem beim Hund durch eine alveoläre Verschattung im zentralen, hilusnahen Teil der kaudalen Lungenhauptlappen charakterisiert, dabei ist der rechte Hauptlappen stärker betroffen als der linke. In der Peripherie der Hauptlappen ist die Lunge dagegen nicht verschattet und zeigt eine physiologische Röntgendichte.

In weniger schweren Fällen kann lediglich ein interstitielles Lungenödem vorliegen, was durch eine verstärkte, eher diffuse Hintergrundverschattung mit Detailverlust in den oben genannten Regionen charakterisiert ist. Grundsätzlich ist die Diagnose eines interstitiellen Lungenödems mit größerer Unsicherheit behaftet als die eines alveolären Lungenödems, weshalb dann weitere Kriterien zur Diagnose herangezogen werden müssen. Dazu zählen die Ruheatemfrequenz, die Herzgröße, die Rate der Herzvergrößerung (sofern verfügbar) und die echokardiografische Situation, insbesondere die Füllungsdrücke.

In allen Fällen eines kardialen Lungenödems sollten begleitend eine Kardiomegalie (VHS meist > 12 oder deutlich über dem Rassereferenzwert) und insbesondere ein vergrößertes linkes Atrium sowie vergrößerte Lungenvenen vorliegen.


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Voraussagbarkeit des kongestiven Herzversagens

Grundsätzlich kann bei einem individuellen Patienten nicht sicher vorausgesagt werden, wann ein kongestives Herzversagen eintreten wird. Es gibt jedoch Kriterien, ab wann die Wahrscheinlichkeit oder das Risiko dafür stark ansteigen und ein Lungenödem in den nächsten Monaten zu erwarten ist.

Der Verlauf der Größenzunahme des Herzens ist nicht linear: Bei einer Mitralklappenendokardiose nimmt die Herzgröße zunächst nur langsam zu (etwa um 0,03 Wirbelkörper/Monat). Etwa 9 Monate vor einer Dekompensation nimmt die Rate der Vergrößerung jedoch deutlich zu (etwa 0,17 Wirbelkörper/Monat), [12], [13]. Daraus resultiert die Empfehlung, einen Patienten im Stadium B mindestens 1 Mal/Jahr (besser alle 9 Monate) zu evaluieren. Somit kann man den Übergang vom Stadium B1 zum Stadium B2 erkennen und die Wahrscheinlichkeit und das Risiko, dass ein kongestives Herzversagen bevorsteht (B2 →C2), beurteilen.

Merke

Die Patienten im Stadium B sollten idealerweise alle 9 Monate und mindestens 1 Mal/Jahr kontrolliert werden.

Das Morbiditäts- und Mortalitäts-Risiko lässt sich auch anhand von folgenden Parameter darstellen [4], [14]:

  • diastolischem linksventrikulärem Durchmesser

  • linksatrialem Durchmesser

  • Konzentration des kardialen Biomarkers NT-proBNP

In der PREDICT-Studie [18] wurden gezielt Parameter von asymptomatischen Hunden mit Parametern von Patienten im kongestiven Herzversagen verglichen. Davon kann vereinfachend abgeleitet werden, dass bei Patienten mit Mitralklappenendokardiose ein kongestives Herzversagen ab dem Überschreiten folgender Parameter wahrscheinlich ist:

  • Herzfrequenz > 140/min

  • Herzwirbelsumme > 12

  • LVIDd/Ao > 2,4

  • LA/Ao > 2,0

  • NT-proBNP > 1500 pmol/l

Die Werte dienen als grober Anhaltspunkt, ab welcher Konstellation die Wahrscheinlichkeit für kongestives Herzversagen ansteigt (nur signifikante Werte nach [18], LVIDd = linksventrikulärer Durchmesser in Diastole; Ao = Aorta, LA = linkes Atrium).

Abschließend ist anzumerken, dass die Messung der häuslichen Ruheatemfrequenz durch den Besitzer das sensitivste und am besten geeignete Instrument zur tatsächlichen (Früh-)Erkennung eines kongestiven Herzversagens bei einem individuellen Patienten darstellt. Anhand der oben genannten Studien und Methoden lässt sich dagegen lediglich das Risiko dafür abschätzen, wie wahrscheinlich ein kongestives Herzversagen vorliegt oder in naher Zukunft zu erwarten ist. In schweren Fällen (Atemfrequenz > 60 Atemzüge/min) liegen bereits die radiologischen Veränderungen eines Lungenödems vor. Dann ist das Thoraxröntgen (wenn möglich in 2 Ebenen) mit dem entsprechenden Verschattungsmuster eines kardialen, alveolären Lungenödems (idealerweise in Kombination mit dem klinischen und echokardiografischen Bild) beweisend.


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  • Literatur

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Korrespondenzadresse

Dr. Ralph Wendt
Tierärztliche Überweisungspraxis Kirschenwäldchen
Kirschenwäldchen 12
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Dr. Jan-Gerd Kresken
Tierärztliche Klinik für Kleintiere am Kaiserberg GbR
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