Prof. Dr. med. Stefan Dazert
Während der letzten Jahre gewinnen Digitalisierung und künstliche Intelligenz in der
deutschen Gesundheitslandschaft und somit auch für die HNO-Heilkunde zunehmend an
Bedeutung. Im Hinblick auf zukünftige Entwicklungen in der Gesundheitsversorgung ist
es erforderlich, digitale Kompetenzen sowohl Ärzten/-innen, medizinischem Fachpersonal
aber auch Patienten/-innen strukturiert zu vermitteln. Ebenso müssen die sich aus
den medizinisch-technischen Fortschritten ergebenden rechtlichen und ethischen Fragen
diskutiert werden.
Die Digitalisierung hält in alle gesellschaftlich relevanten Bereiche rasant Einzug
und bestimmt die globale wirtschaftliche Wertentwicklung entscheidend, wie an den
großen, international agierenden Datenkonzernen abzulesen ist. Die digitale Transformation
unserer Gesellschaft ist somit in vollem Gange und erreicht natürlich zunehmend auch
das Gesundheitswesen. Im internationalen Vergleich liegen deutsche Gesundheitseinrichtungen
im Hinblick auf digitale Entwicklungen eher auf hinteren Rängen, sodass sofortige
und intensive Anstrengungen in diesen Themenfeldern zwingend erforderlich sind.
Die in diesem Band vorgestellten Referate greifen wichtige Bereiche der Digitalisierung
im Gesundheitswesen auf, denen für die zukünftige Entwicklung des HNO-Faches eine
entscheidende Bedeutung zugeschrieben wird.
So werden die Grundlagen der elektronisch-medizinischen Datenhaltung bearbeitet, die
bereits in verschiedene Gesundheitsbereiche Einzug gehalten hat. Insbesondere die
elektronische Patientenakte steht im Sinne einer höheren Versorgungsqualität bei geringeren
Versorgungskosten im Fokus des Interesses. Die Registerbildung hat die Evaluation
der Wirksamkeit in der Versorgungsroutine, das Monitoren der Patientensicherheit sowie
die ökonomische Evaluation und die Mindestmengenforschung zur Aufgabe. Weiterhin verfolgen
Register das Ziel, epidemiologische Zusammenhänge und Unterschiede zu beschreiben,
die Qualitätssicherung und -verbesserung sowie die klinische Forschung zu unterstützen.
Im Kontext mobiler Informations- und Kommunikationstechnologie für medizinische Dienstleistungen,
steht auch bei der Anwendung von Suchmaschinen und Apps die Qualitätsfrage im Vordergrund.
So werden die Rolle des Internets für die stetig zunehmende Bereitstellung von Gesundheitsinformationen
beleuchtet und wichtige Hinweise zur Qualität der verfügbaren Daten für den Nutzer
gegeben. Für Anwender medizinischer Apps werden in einem weiteren Beitrag Möglichkeiten
vorgestellt, diese Applikationen nach definierten Qualitätskriterien in verschiedenen
Kategorien, wie z. B. Funktionalität, Wissenschaftlichkeit, aber auch Datenschutz,
zu beurteilen und nutzbringend einzusetzen.
Als Beispiel einer unmittelbaren Anwendung für die digital unterstützte Patientenversorgung
im Krankenhaus, kann die Etablierung eines „digitalen (HNO-) OP-Saals der Zukunft“
angesehen werden. Hier geht es nicht nur um die rein technische Verbesserung der einzelnen
computergestützten Geräte und Instrumente, sondern vielmehr um deren dynamische Vernetzung
und Systemintegration in einem offenen modularen System mit dem Ziel, die Anwenderfreundlichkeit,
die Qualität und die Patientensicherheit zu verbessern.
Ähnliche Zielsetzungen im Hinblick auf die Versorgungsqualität ergeben sich für die
digitalen Entwicklungen der Telemedizin in unserem Fachgebiet sowie für moderne Konzepte
der Hörrehabilitation, wo der Einsatz von artificial intelligence und remote care neue Strategien eröffnet. Die molekulargenetische Diagnostik von Hörstörungen in
einem Krankheitskontext basiert heute wesentlich auf der sich rasch entwickelnden
Genomik, die auf technologische Entwicklungen in der Sequenzierung, Computer- und
Bioinformatik zurückzuführen ist. Der Begriff big data spielt hier eine entscheidende
Rolle und beinhaltet die Verwendung großer Datenmengen, die in Form von genetischen
Datenbanken, in silico Analysewerkzeugen und Allel-Häufigkeitsdatenbanken vorliegen.
Die Entwicklung neuer digitaler Strategien in der Lehre beruht auf den technologischen
Fortschritten der letzten Jahrzehnte, aber v. a. auf der Motivation, didaktische Konzepte
verstärkt auf den Lernenden zu zentrieren. Der Digitalisierungsgrad der Lehre reicht
heute von digitalen Serviceangeboten über punktuelle digitale Angebote klassischer
Lehrkonzepte bis hin zum volldigitalen Studium. Hier werden für die HNO-Heilkunde
relevante Aspekte der auf die heutigen Bedürfnisse der Studierenden ausgerichteten
Lehrkonzepte vorgestellt.
Ich wünsche Ihnen eine interessante Lektüre mit hoffentlich vielen Anregungen für
die zukünftige tägliche Arbeit in Klinik und Praxis.
Mit einem herzlichen Glück auf, dem Gruß aus dem Ruhrgebiet,
Ihr
Prof. Dr. med. Stefan Dazert
Präsident der Deutschen Gesellschaft für HNO-Heilkunde,
Kopf- und Hals-Chirurgie 2018/2019