CC BY-NC-ND 4.0 · Geburtshilfe Frauenheilkd 2019; 79(01): 63-71
DOI: 10.1055/a-0749-9103
GebFra Science
Original Article/Originalarbeit
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Ist ein universitäres reproduktionsmedizinisches Zentrum unter den gegebenen Rahmenbedingungen in Deutschland finanzierbar?

Article in several languages: English | deutsch
Thomas Hildebrandt
Erlangen University Hospital, Department of Gynecology and Obstetrics, CCC Erlangen EMN, Friedrich Alexander University, Erlangen, Germany
,
Nicola Oversohl
Erlangen University Hospital, Department of Gynecology and Obstetrics, CCC Erlangen EMN, Friedrich Alexander University, Erlangen, Germany
,
Ralf Dittrich
Erlangen University Hospital, Department of Gynecology and Obstetrics, CCC Erlangen EMN, Friedrich Alexander University, Erlangen, Germany
,
Laura Lotz
Erlangen University Hospital, Department of Gynecology and Obstetrics, CCC Erlangen EMN, Friedrich Alexander University, Erlangen, Germany
,
Matthias W. Beckmann
Erlangen University Hospital, Department of Gynecology and Obstetrics, CCC Erlangen EMN, Friedrich Alexander University, Erlangen, Germany
,
Michael P. Lux
Erlangen University Hospital, Department of Gynecology and Obstetrics, CCC Erlangen EMN, Friedrich Alexander University, Erlangen, Germany
› Author Affiliations
Further Information

Correspondence/Korrespondenzadresse

Thomas Hildebrandt, MD, MBA
Department of Gynecology and Obstetrics
Erlangen University Hospital
Universitätsstraße 21 – 23
91054 Erlangen
Germany   

Publication History

received 31 July 2018
revised 16 September 2018

accepted 24 September 2018

Publication Date:
17 January 2019 (online)

 

Zusammenfassung

Hintergrund Dem deutschen Gesundheitsystem stehen reduzierte Ressourcen zur Finanzierung von Gesundheitsleistungen zur Verfügung. Daher stellt die demografische Entwicklung eine der großen Herausforderungen für das deutsche Gesundheitssystem dar. Die Reproduktionsmedizin kann Lösungsmöglichkeiten bieten und der Überalterung der Gesellschaft durch eine Steigerung der Geburtenziffer entgegenwirken. Die meisten reproduktionsmedizinischen Behandlungen finden in privaten Zentren statt. Für die Entwicklung neuer innovativer Therapieansätze, die Weiterbildung und den wissenschaftlichen Fortschritt sind universitäre Zentren jedoch unerlässlich.

Material und Methoden Mithilfe einer mehrstufigen Deckungsbeitragsrechnung wurden im Jahr 2012 sowohl die IVF- als auch ICSI-Behandlungen am Universitäts-Fortpflanzungszentrum Franken (UFF) untersucht. Die Kostensituation aus Sicht des Patientenpaares und der gesetzlichen Kostenträger wurde der Kosten- und Erlössituation des Leistungserbringers als universitäres reproduktionsmedizinisches Zentrum gegenübergestellt.

Ergebnisse Die Kosten des Patientenpaares lagen für einen IVF-Behandlungszyklus bei 538,71 € und für einen ICSI-Zyklus bei 700,07 €. Für den Kostenträger beliefen sich die Kosten inklusive der zu entrichtenden Hochschulpauschale (194,80 €) auf 733,51 € für einen IVF-Zyklus bzw. 894,87 € für einen ICSI-Zyklus. Die Zahlungen des Patientenpaares und des Kostenträgers wurden addiert und es ergaben sich Gesamtkosten von 1272,22 € bzw. 1594,94 €. Dem Universitäts-Fortpflanzungszentrum Franken als Bestandteil der Frauenklinik des Universitätsklinikums Erlangen entstanden Kosten von 1364,47 € für einen IVF-Behandlungszyklus und 1423,48 € für einen ICSI-Behandlungszyklus. Zuzüglich musste die Frauenklinik noch eine Gemeinkostenpauschale von 14,9% der Einnahmen an das Universitätsklinikum zahlen. Es ergab sich somit ein Minus für die Frauenklinik von 281,81 € für einen IVF-Zyklus und von 66,19 € für einen ICSI-Zyklus.

Diskussion Aus Sicht eines universitären reproduktionsmedizinischen Zentrums sind aktuell IVF- und ICSI-Behandlungen nicht kostendeckend durchführbar. Zugleich stellt ein reproduktionsmedizinischer Behandlungszyklus aufgrund nur partieller Kostenübernahme durch die meisten gesetzlichen Krankenkassen für das Patientenpaar eine erhebliche finanzielle Belastung dar. Es wird somit ein Handlungsbedarf der Gesundheitspolitik aufgezeigt, um bestehende Kostenübernahmegrundsätze zu überarbeiten und im Sinne der Patientenpaare, reproduktionsmedizinischer Zentren und nicht zuletzt im Sinne der Gesellschaft zu verbessern und hiermit langfristig auch als Gesellschaft zu profitieren.


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Einleitung

Bis Mitte der 80er-Jahre waren ausreichend finanzielle Ressourcen im deutschen Gesundheitswesen vorhanden. Die Patientin bzw. der Patient erhielt als Leistungsnehmer die bestmögliche Therapie, und die Krankenkasse übernahm als Leistungserstatter die Kosten [1]. Die Kosten im Gesundheitswesen sind allerdings in den letzten Jahrzehnten stetig steigend. Laut Angaben des Statistischen Bundesamtes ist Deutschland nach den USA und der Schweiz eines der Länder mit den höchsten Gesundheitsausgaben weltweit [2]. Neuere Daten des Bundesamtes für Statistik, die der Verband der forschenden pharmazeutischen Firmen der Schweiz (Interpharma) auf seiner Website veröffentlicht, verdeutlichen aktuell eine leichte Veränderung des Gesamtbildes: Deutschland liegt nun hinter den Vereinigten Staaten, den Niederlanden und Frankreich weltweit an Platz 4 (OECD 2014 und Statistisches Bundesamt 2014 zitiert nach [3]). Die Gesundheitskosten pro Einwohner beliefen sich im Jahr 2010 auf 3510 € pro Einwohner und Jahr. Im Jahr 2015 betrugen die Gesundheitsausgaben bereits 3829 € pro Kopf [4].

Im Spannungsbild dieser Allokationsentscheidungen stellt die Reproduktionsmedizin eine viel diskutierte Problematik dar. Lange wurde über die Frage diskutiert, ob „Sterilität“ als Krankheit im engeren Sinne anzusehen ist. Mittlerweile wird diese von der WHO als solche anerkannt. Allerdings fehlt weiterhin eine generelle und komplette Kostenübernahme zur Therapie dieser Erkrankung. Seit dem 01.01.2004 werden im Rahmen des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GMG) nur noch 50% der Kosten einer IVF- oder ICSI-Behandlung von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen. Die Kostenübernahme ist an bestimmte Voraussetzungen geknüpft [5]: Die Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über ärztliche Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung geben vor, dass ein Patientenpaar verheiratet sein muss. Das Alter der Frau muss zwischen 25 und 40, das Alter des Mannes muss zwischen 25 und 50 Jahren liegen [6]. Auch wenn es seit dem GKV-Versorgungsstrukturgesetz vom 22.12.2011 den Kassen freigestellt ist, freiwillig mehr als 3 Versuche zu erstatten oder den finanziellen Eigenanteil des Patientenpaares zu reduzieren, sind Kinderwunschpaare noch immer hohen finanziellen Aufwendungen ausgesetzt. Demgegenüber ist die Bereitschaft zur Kostenübernahme für reproduktionsmedizinische Maßnahmen durch Versicherer eher gering, wie eine Arbeit von Huppelschoten et al. zeigt [7]. Dabei erfordert der demografische Wandel in Deutschland dringend Lösungsansätze, das Ungleichgewicht zwischen Jung und Alt zu lösen.

Um die Zahl der Lebendgeborenen konstant zu halten, müsste es somit zu einem erheblichen Anstieg der Geburten kommen [8]. Bei steigendem maternalem Alter bei Erstschwangerschaft mit einem aktuellen Durchschnittsalter von 29,6 Jahren sind hierfür, neben entsprechenden politischen Rahmenbedingungen, zunehmend reproduktionsmedizinische Zentren notwendig [9]. In Deutschland waren im Jahr 2012 128 Zentren gemeldet [10]. Diese liegen überwiegend in der Hand privater Träger (niedergelassene Einzelpraxen und Praxisgemeinschaften, Investorengruppen). Lediglich 26 Zentren (20,3%) sind an eine Universitätsklinik angeschlossen oder integriert. Dabei stellt medizinische Forschung ein gesetzlich festgelegtes und neben der Schwerpunktausbildung junger Ärztinnen und Ärzte ein wesentliches Aufgabengebiet von Universitätskliniken dar. Mehrere Universitätsklinika verfügen nicht mehr über ein eigenes reproduktionsmedizinisches Zentrum. Die noch vorhandenen Zentren haben oft deutlich weniger als 200 IVF/ICSI-Behandlungen pro Jahr, während die Zahl in privaten Zentren durchaus bis zu 1000 Punktionen/Jahr und mehr reicht. Somit stellt sich die Frage, ob universitäre reproduktionsmedizinische Zentren kostendeckend arbeiten können.

In der vorliegenden Arbeit wird sowohl die Sicht der Leistungserbringer als universitäres reproduktionsmedizinisches Zentrum als auch die Sicht des betroffenen Patientinnenpaares beleuchtet, um Defizite in der Finanzierung reproduktionsmedizinischer Maßnahmen aufzudecken und Kostendaten zu einer bedarfsgerechten Finanzierung zu liefern.


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Material und Methoden

Für die aktuelle Arbeit wurden die Leistungsdaten des Universitäts-Fortpflanzungszentrum Franken (UFF), welches als Teil der Frauenklinik des Universitätsklinikums Erlangen alle Bereiche der gynäkologischen Endokrinologie und Reproduktionsmedizin abdeckt, ausgewertet.

Als Grundlage für das vorliegende Modell dienten die nach Kostenarten gegliederten Gesamtkostenberichte der relevanten Kostenstellen. Zudem lagen die Fallzahlen und die Anzahl der Besuche der endokrinologischen Ambulanz des Jahres 2012 vor. Anhand der vom biologischen Labor bereitgestellten Anzahl der IVF- und ICSI-Punktionen konnte die Anzahl der IVF/ICSI-Fälle des Jahres 2012 bestimmt werden. Die durchschnittliche Anzahl der Besuche einer Patientin pro IVF- bzw. ICSI-Behandlung wurde anhand einer Stichprobenerhebung ermittelt. Die durchschnittlich anfallenden Kosten für OP und Anästhesie einer Follikelpunktion sowie die Kosten der internen Leistungsverrechnung und Angaben zur Vergütung des Personals (Stand: 1.8.2012) wurden ermittelt.

Erhebung der Personalkosten

Für die Erhebung der Personalkosten wurden Interviews mit den Pflegekräften, Labormitarbeiterinnen und -mitarbeitern, Verwaltungsfachangestellten und Ärztinnen und Ärzten der endokrinologischen Ambulanz geführt, um Angaben über den individuellen Zeitaufwand, der im Rahmen einer IVF-/ICSI-Behandlung für die jeweilige Person entsteht, zu erhalten. Die Arbeitszeiten der Ärztinnen und Ärzte während einer Follikelpunktion konnten zusätzlich anhand der OP-Protokolle ermittelt werden.

Die pro IVF-/ICSI-Behandlung benötigte Arbeitszeit in Minuten wurde folgend mit dem Minutensatz der jeweiligen Besoldungsgruppe multipliziert. Es wurde für Ärztinnen und Ärzte die Entgeltgruppe 13, für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Pflege die Entgeltgruppe E 6 und E 7 und für das Personal des Labors die Entgeltgruppe E 8 festgelegt. Die Besoldung des Personals beruht auf dem Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes des Freistaats Bayern. Die Gesamtpersonalkosten konnten folgend bestimmt werden.


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Definition der verwendeten Kostenstellen und Kostenträger

Als Kostenstellen werden die voneinander trennbaren betrieblichen Organisationseinheiten eines Unternehmens, in denen Kosten entstehen, bezeichnet [11]. Zunächst musste entschieden werden, in welchen Kostenstellen Kosten bei einer IVF-/ICSI-Behandlung entstehen. In diesem Modell wurden folgende Kostenstellen als relevant definiert: endokrinologische Poliklinik (EP), Zentrallabor (ZL), endokrinologisches Labor (EL), biologisches Labor (BL), Ultraschallambulanz, Labor der Transfusionsmedizin, mikrobiologisches Labor und der OP.

Als Kostenträger wurden in diesem Modell eine IVF- und eine ICSI-Behandlung ausgewählt. Die Verteilung der Kosten auf die Kostenträger erfolgte anhand der folgenden Umlageschlüssel:

  • Gesamtanzahl der Fälle der endokrinologischen Poliklinik wie auch Anzahl der Besuche der gesamten endokrinologischen Poliklinik (Daten des Dezernats der Frauenklinik des Universitätsklinikums Erlangen),

  • Gesamtanzahl der Besuche aller IVF-/ICSI-Patientinnen (Berechnung mittels Fallzahlen der IVF-/ICSI-Patientinnen pro IVF/ICSI-Versuch),

  • Gesamtanzahl aller IVF-/ICSI-Fälle (Berechnung anhand durchgeführter Punktionen).


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Kalkulation

Die Sachkosten des endokrinologischen Labors, des biologischen Labors und der endokrinologischen Poliklinik wurden mittels der obengenannten Umlageschlüssel auf die beiden Kostenträger verteilt. Ebenso wurde mit der internen Leistungsabrechnung dieser 3 Kostenstellen verfahren. Im folgenden Schritt wurde ein Terminplan für eine IVF- bzw. ICSI-Behandlung erstellt, welcher sämtliche durchgeführte Untersuchungen und Maßnahmen pro Termin von Erstvorstellung bis Nachbesprechung im Rahmen eines IVF- oder ICSI-Versuchs erfasst. Somit konnten die Gesamtkosten für Blutuntersuchungen sowie Hormonbestimmungen der einzelnen Labore ebenso wie Ultraschall- und Materialkosten für einen IVF-/ICSI-Versuch bestimmt werden. Diese Kosten wurden mit den durch die Umlageschlüssel ermittelten Kosten, den Kosten der Follikelpunktion und den Personalkosten addiert. Das daraus resultierende Ergebnis stellt die Gesamtausgaben im Rahmen eines IVF/ICSI-Versuchs dar. Die [Tab. 1] präsentiert das Kalkulationsmodell.

Tab. 1 Kalkulationsmodell zur Berechnung der Erlöse der Frauenklinik.

Kosten pro Versuch

Erlöse pro Versuch

Sachkosten und interne Leistungsverrechnung

Materialkosten biologisches Labor

Gesamtkosten Blut- und Laboruntersuchungen

Ultraschallkosten

Personalkosten

InEK-OP-Kosten

Zahlung durch Krankenkasse

Zahlung durch Patientin

Summe der Kosten

Summe der Erlöse

Erlöse

− Verwaltungsgemeinkostenpauschale (14,9%)

− Kosten

Gesamterlös der Frauenklinik Erlangen

Die für die Patientin bzw. die gesetzliche Krankenkasse anfallenden detaillierten Kosten pro IVF-/ICSI-Behandlung wurden ebenfalls über das Dezernat der Frauenklinik ermittelt. Zusammengenommen stellen beide Beträge nach Abzug der Verwaltungsgemeinkostenpauschale von 14,9% die Gesamteinnahmen einer IVF-/ICSI-Behandlung dar.

Im letzten Schritt wurden die ermittelten Kosten der IVF-/ICSI-Behandlung von den hierdurch entstandenen Einnahmen subtrahiert und somit der Gesamterlös einer IVF-/ICSI-Behandlung errechnet.


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Ergebnisse

Berechnung der Sachkosten und der ILV pro IVF-/ICSI-Versuch

Im ersten Schritt wurden die für die IVF-/ICSI-Behandlung relevanten Kostenarten der Kostenstellen in Zusammenarbeit mit dem Dezernat der Frauenklinik bestimmt und mithilfe von Umlageschlüsseln auf die als Kostenträger definierte IVF-/ICSI-Behandlung umgelegt ([Tab. 2]). Die Verteilung der Sachkosten und der Kosten der internen Leistungsverrechnung erfolgte mittels der Umlageschlüssel, aufgeteilt nach den einzelnen Kostenstellen, und wurde nach dem Umlageschlüssel „Anzahl der Besuche“ verteilt. Lediglich immunologische Abklärungen bei rezidivierendem Implantationsversagen wurden entsprechend der „Anzahl IVF-/ICSI-Fälle“ verteilt, da diese Leistung lediglich im Rahmen der ART durchgeführt wird.

Tab. 2 Darstellung der Umlageschlüssel.

Umlageschlüssel

Wert bezogen auf das Jahr 2012

Anzahl der Besuche der gesamten endokrinologischen Poliklinik (Quelle: Dezernat der Frauenklinik)

7606

Gesamtanzahl der Fälle der endokrinologischen Poliklinik (Quelle: Dezernat der Frauenklinik)

3496

durchschnittliche Anzahl der Besuche einer IFV/ICSI-Patientin pro IVF/ICSI-Versuch (Erhebung durch Stichprobe)

8

Gesamtanzahl aller IVF/ICSI-Fälle (Ermittlung anhand der durchgeführten Punktionen)

141

Es ergeben sich nach Addition aller Sachkosten 91 841,00 € sowie eine Summe der internen Leistungsverrechnung von 19 731,00 €, welche auf die Kostenträger umgelegt wurden. Durch diese beschriebene Rechnung ergibt sich ein Sachkostenbetrag von 96,60 € pro IVF-/ICSI-Versuch und ein fälliger Betrag von 30,45 €, der im Rahmen der internen Leistungsverrechnung pro IVF-/ICSI-Versuch abgeführt werden musste. Aus Sachkosten und interner Leistungsverrechnung ergibt sich somit eine Summe von 127,05 € pro IVF-/ICSI-Behandlung.

Terminplan eines IVF-/ICSI-Versuchs

Für die weitere Kalkulation wurde ein Terminplan eines IVF-/ICSI-Zyklus erstellt, anhand dessen die Kosten der durchgeführten Untersuchungen bei dem Besuch einer Patientin errechnet wurden ([Tab. 3]). Es wurde anhand des Vergleichs von Stichproben der IVF-/ICSI-Zyklen die jeweils durchschnittliche Anzahl der Besuche pro IVF-/ICSI-Versuch ermittelt.

Tab. 3 Durchgeführte Behandlungen pro Termin bei IVF-/ICSI-Versuch.

Termine

Untersuchung

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

Blutbild endokrinologisches Labor

x

x

x

Differenzialblutbild Zentrallabor

x

Serumtest Zentrallabor

x

x

Gerinnungsstatus Transfusionsmedizin

x

x

Hormone Zykluskontrolle

x

x

Hormonstatus

x

Infektionsserologie

x

xx (2-mal Frau + Mann)

Röteln-Titer

x

Schwangerschaftstest (Serum)

x

mikrobiologischer Abstrich

x

Ultraschall

x

x

x

x (abdominal)

Telefonat

x

x

x

x

x

x


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Kosten der Laboruntersuchungen

Anhand der Kostenlisten der einzelnen Labore (Zentrallabor, endokrinologisches Labor, biologisches Labor, Transfusionsmedizinisches Labor, mikrobiologisches und virologisches Institut des Universitätsklinikums Erlangen) und unter Berücksichtigung des aufgestellten IVF-/ICSI-Behandlungsplans wurden Gesamtkosten von 368,13 € für Laboruntersuchungen berechnet ([Tab. 4]).

Tab. 4 Kosten der Laboruntersuchungen.

Preis regulär/€

Anzahl pro IVF/ICSI-Versuch

Kosten pro IVF/ICSI-Versuch

Summe Hormonstatus

119,07 €

1

119,07 €

Summe Hormone Zykluskontrolle

37,16 €

2

74,32 €

Summe BB EL

2,35 €

3

7,05 €

Summe Diff. BB ZL

4,04 €

1

4,14 €

Summe Serum-Test-ZL

7,14 €

2

14,28 €

Summe Gerinnung

6,68 €

2

13,36 €

Summe MIBI

27,11 €

1

27,11 €

Summe Röteln-Virologie

8,74 €

1

8,74 €

Summe HIV-/Hepatitisserologie Zentrallabor

24,23 €

3

72,69 €

HCG-Test Serum

27,37 €

1

27,37 €

Summe Kosten Labortest pro IVF-/ICSI-Versuch

368,13 €


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Kosten der Ultraschalluntersuchungen

Wie aus dem Terminplan der IVF-/ICSI-Behandlungen ersichtlich ([Tab. 3]) wurden während eines IVF-/ICSI-Versuchs im Durchschnitt bei 4 Besuchen Ultraschalluntersuchungen durchgeführt. Die Kosten der Ultraschalluntersuchungen pro IVF/ICSI-Versuch beliefen sich auf 10,81 €.


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Materialkosten eines IVF-/ICSI-Versuchs

Die Materialkosten des biologischen Labors wurden jeweils für einen IVF-Versuch und einen ICSI-Versuch berechnet. Es ergeben sich Gesamtkosten für einen IVF-Versuch ohne Transfer von 57,89 €, wohingegen die Kosten eines ICSI-Versuchs ohne Transfer bei 101,68 € liegen ([Tab. 5]). Zu dem jeweiligen Ergebnis wurden anschließend die Kosten des Transfers von 30,67 € und die Materialkosten zur Erstellung und Aufarbeitung eines Spermiogramms von 7,80 € hinzugefügt. Insgesamt ergeben sich somit Materialkosten des biologischen Labors von 96,36 € für einen IVF-Versuch und Gesamtkosten von 140,15 € für einen ICSI-Versuch ([Tab. 5]). Dieser Berechnung wurden jeweils die aktuellen Materialpreise zugrunde gelegt. Die Materialkosten der Follikelpunktion sind in dieser Berechnung nicht eingeschlossen. Diese wurden in den InEK-OP-Kosten berücksichtigt.

Tab. 5 Materialkosten des biologischen Labors.

Materialkosten biologisches Labor (BL)

Preis insgesamt inkl. MwSt. in € pro IVF/ICSI-Versuch

Summe IVF ohne Transfer

57,89 €

Summe ICSI ohne Transfer

101,68 €

Summe Transfer

30,67 €

Spermiogramm + Aufbereitung

7,80 €

Summe Labormaterial IVF inklusive Transfer und Spermiogramm

96,36 €

Summe Labormaterial ICSI inklusive Transfer und Spermiogramm

140,15 €


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Kosten der Follikelpunktion

Die Kosten der Follikelpunktion wurden anhand von Beispielfällen aus dem Jahr 2012 mithilfe einer InEK-Kalkulationsmatrix ermittelt. Die Berechnung ergeben durchschnittliche Kosten der Anästhesie von 183,44 € und der Operation von 305,63 €. Durch Addition dieser Kosten wurden Durchschnittsausgaben von 489,07 € für eine Follikelpunktion an der Frauenklinik Erlangen ermittelt ([Tab. 6]).

Tab. 6 Berechnung der OP- und Anästhesiekosten einer Punktion anhand von Beispielfällen.

Kosten ärztl. Dienst in €

Kosten Funktionsdienst in €

Arzneimittel in €

med. Bedarf in €

med. Infra in €

nichtmed. Infra in €

durchschnittliche Kosten in €

med. = medizinisch; Infra = Infrastruktur

OP

48,73

71,34

3,45

41,22

59,58

89,01

305,63

67,01

71,43

3,29

39,35

56,87

84,96

73,10

65,88

3,45

41,22

59,58

89,01

30,46

69,85

2,74

32,79

47,39

70,80

Anästhesie

60,17

58,23

3,61

15,85

10,36

15,00

183,44

77,87

81,05

5,61

24,65

16,12

23,33

66,07

77,12

4,41

19,37

12,67

18,33

58,99

40,13

3,61

15,85

10,36

15,00


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Personalkosten

Die durchschnittliche Arbeitszeit des ärztlichen Personals betrug 134 Minuten pro IVF-/ICSI-Versuch, der gemittelte Arbeitsaufwand des Pflegepersonals lag bei 185 Minuten. Das Personal des biologischen Labors benötigte durchschnittlich für einen IVF-Versuch 175 Minuten (ICSI-Versuch 205 Minuten). Durch die Kalkulation ergeben sich Personalkosten von 273,05 € für einen IVF-Versuch und 288,27 € für einen ICSI-Versuch.


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Erlös einer IVF/ICSI-Behandlung

In einem letzten Schritt wurden alle aufgeführten Kosten addiert. Das Ergebnis stellt die Gesamtkosten einer IVF-/ICSI-Behandlung für das Universitäts-Fortpflanzungszentrum Franken an der Frauenklinik des Universitätsklinikums Erlangen dar. Es ergeben sich Kosten von 1364,47 € für eine IVF-Behandlung und Kosten von 1423,48 € für eine ICSI-Behandlung ([Tab. 7]).

Tab. 7 Gesamt-Kalkulationsmodell pro IVF-/und ICSI-Behandlung der Frauenklinik des Universitätsklinikums Erlangen.

IVF

ICSI

Sachkosten + ILV

127,05 €

127,05 €

Laboruntersuchungen

368,13 €

368,13 €

Ultraschallkosten

10,81 €

10,81 €

Materialverbrauch BL

96,36 €

140,15 €

InEK-Punktionskosten

489,07 €

489,07 €

Personalkosten

273,05 €

288,27 €

Gesamtausgaben der Frauenklinik Erlangen

1364,47 €

1423,48 €

Gesamteinnahmen der Frauenklinik Erlangen (Pat. + Kostenträger)

1272,22 €

1594,94 €

Gemeinkostenpauschale 14,9% der Einnahmen

189,56 €

237,65 €

Erlös:

Einnahmen

− Gemeinkostenpauschale

− Ausgaben FK

− 281,81 €

− 66,19 €

Diesen Kosten werden im nächsten Schritt den Einnahmen der Frauenklinik durch einen IVF-/ICSI-Versuch gegenübergestellt. Die Frauenklinik erhält vom Kostenträger und dem Patientenpaar zusammengenommen betrachtet 1272,22 € für einen IVF-Versuch und 1594,94 € für einen ICSI-Versuch. Hiervon muss jeweils eine Verwaltungsgemeinkostenpauschale von 14,9% subtrahiert werden. Es ergeben sich daher Gesamteinnahmen von 1082,66 € für einen IVF-Versuch und von 1357,29 € für einen ICSI-Versuch. Zuletzt werden die Ausgaben des Leistungserbringers mit den Einnahmen verglichen und es ergibt sich ein Verlust von 281,81 € für einen IVF-Versuch und von 66,19 € für einen ICSI-Versuch ([Tab. 7]). Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass vom Standpunkt eines universitären Fortpflanzungszentrums als Leistungserbringer ausgehend sich ein negativer Deckungsbeitrag sowohl für eine IVF- als auch eine ICSI-Behandlung ergibt, der durch das bestehende Entgelt nicht gedeckt werden kann.


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Kosten eines IVF-/ICSI-Versuchs aus Sicht des Kostenträgers und Patientin

Die Kosten einer IVF-/ICSI-Behandlung werden aktuell meist zu gleichen Teilen von Krankenkassen und der Patientin übernommen. Für eine IVF-Behandlung entstehen hierbei Kosten von jeweils 538,71 € für die Krankenkasse bzw. die Patientin, für eine ICSI-Behandlung liegen die Kosten bei je 700,07 €. Zu diesem Wert müssen noch Medikamentenkosten zur Stimulation, je nach gewähltem Protokoll (Agonistenprotokoll = 1262,46 €; Antagonistenprotokoll = 1403,78 €), die zu gleichen Teilen von der Patientin und dem Kostenträger übernommen wurden, addiert werden. Die Preisangaben der pro Zyklus verwendeten Medikamente sind der Roten Liste des Jahres 2011 entnommen und wurden anhand des durchschnittlichen Verbrauches am Universitäts-Fortpflanzungszentrum Franken pro Stimulationsversuch ermittelt. Es wurde das GnRHa-lang-Agonistenprotokoll und das Antagonistenprotokoll zur Betrachtung ausgewählt, da diese im Erhebungszeitraum die hauptsächlich verwendeten Protokolle im Universitäts-Fortpflanzungszentrum Franken darstellten. Die prozentuale Verteilung der Zyklen wurde dem DIR-Jahrbuch 2012 [12] entnommen, da diese prozentual mit der Verteilung am Universitäts-Fortpflanzungszentrum vergleichbar ist. Die dort angegebenen weiteren Protokolle, die nicht den hauptsächlich verwendeten Protokollen entsprachen, wurden zu gleichen Teilen auf das GnRHa-lang-Protokoll und das Antagonistenprotokoll verteilt. Anhand der Daten wurden 57,1% der Patientinnen im Antagonistenprotokoll behandelt, 42,9% entfielen auf eine Behandlung im GnRHa-lang-Agonistenprotokoll. Anhand dieser Daten konnten die durchschnittlichen Stimulationskosten eines IVF-Versuchs von 1343,28 € für Kostenträger und Patientin gemeinsam, und durchschnittliche Stimulationskosten eines ICSI-Versuchs von 1340,65 € errechnet werden. Es ergeben sich jeweils Kosten für die Patientin bzw. die Krankenkasse von 671,64 € für eine IVF-Stimulationsbehandlung und Kosten von 670,33 € für eine ICSI-Stimulationsbehandlung.

Ferner wird für den Kostenträger noch eine Hochschulpauschale von 194,80 € (je 97,40 € für Frau/Mann) pro IVF-/ICSI-Zyklus fällig. Zusammenfassend ergeben sich für den Kostenträger Gesamtkosten einer IVF-Behandlung von 1405,15 € und Gesamtkosten einer ICSI-Behandlung von 1562,20 € ([Tab. 8]).

Tab. 8 Kostenübersicht eines IVF-/ICSI-Versuchs aus Sicht der Patientin/des Kostenträgers.

IVF

ICSI

Patientin

Kostenträger

Patientin

Kostenträger

Behandlungskosten

538,71 €

733,51 €

700,07 €

894,87 €

Medikamentenkosten

671,64 €

671,64 €

670,33 €

670,33 €

Summe der Kosten

1210,35 €

1405,15 €

1370,40 €

1565,20 €

Für die Patientin belaufen sich die Gesamtkosten auf 1210,35 € für eine IVF-Behandlung und 1370,40 € für eine ICSI-Behandlung ([Tab. 8]).


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Diskussion

Die Ergebnisse der Kalkulation verdeutlichen, dass unter der gegebenen Vergütung eine IVF-/ICSI-Behandlung nicht ohne Verluste für ein universitäres Fortpflanzungszentrum durchgeführt werden kann. Derzeit kann die Abteilung nur durch Quersubventionierung aus anderen Bereichen aufrechterhalten werden.

Um weitere Fortschritte in der Therapie der Sterilität und des unerfüllten Kinderwunsches zu erzielen, ist es jedoch für Forschung und Wissenschaft unerlässlich, entsprechende Behandlungen in einem universitären Umfeld anzubieten. Es muss eine geeignete Infrastruktur vorhanden sein, um Hypothesen aufzustellen und im nächsten Schritt in die Praxis umzusetzen [13]. Nicht zuletzt ist auch das erste IVF-Baby in einem universitären Umfeld entstanden. Weitere Neuerungen werden nur in einem geeigneten universitären Rahmen möglich sein, da niedergelassene Praxen in der Regel nicht über eine geeignete Infrastruktur verfügen, um entsprechende Forschungsaktivitäten voranzubringen. Zudem erfolgt eine Aus- und Weiterbildung insbesondere in den universitären Strukturen. Diese muss langfristig gesichert bleiben. Die Weiterbildung zum Schwerpunkt Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin kann derzeit von ambulanten Strukturen nicht in ausreichendem Maße gesichert werden. Unter der Voraussetzung, dass diese Modellrechnung auch für andere universitäre Zentren anwendbar ist, wäre das Weiterbestehen des gesamten Fachbereichs in Deutschland gefährdet. Daher ist es essenziell, eine Fertilitätsbehandlung an einer Universitätsklinik adäquat zu vergüten, um weiterhin ein entsprechendes Forschungsumfeld zu gewährleisten [14].

Auch im Bereich der Fertilitätsprotektion ist der Erhalt von universitären Fortpflanzungszentren wesentlich: Die erste erfolgreiche Ovarretransplantation nach erfolgter Chemotherapie durch die Universitätsfrauenklinik Erlangen im Jahr 2008 und die erste Schwangerschaft nach erfolgreicher Ovarretransplantation durch Kooperation der Zentren der Universitätsklinika Bonn, Dresden und Erlangen im Jahr 2011 zeigen die Bedeutung universitärer Zentren in der Reproduktionsmedizin [15]. Eine enge Zusammenarbeit zwischen den unterschiedlichen Disziplinen der Medizin, insbesondere der Onkologie und der Reproduktionsmedizin, ist von großer Bedeutung für den Erfolg einer Behandlung [13], [16]. Diese Infrastruktur kann großteils nur an universitären Zentren geboten werden. Im Gegensatz hierzu steht die abnehmende Anzahl der Bereiche Endokrinologie, Reproduktionsmedizin und Andrologie an den Universitäten und der zunehmende Marktanteil niedergelassener reproduktionsmedizinischer Praxen, in denen aktuell bis zu 75% der künstlichen Befruchtungen durchgeführt werden. Eine ausreichende Kooperation der Praxen und der Universitätskliniken besteht derzeit nicht [13]. Klare Konzepte und Netzwerke müssen geschaffen werden, um ein erfolgreiches Weiterbestehen der Reproduktionsmedizin in Deutschland zu sichern [17], [18]. Des Weiteren muss die Infrastruktur der universitären Zentren adäquat entlohnt werden. Es bedarf einer ausreichenden Finanzierung, die nicht auf die Patientinnen oder die Leistungserbringer umgelegt werden sollte [13]. Andernfalls kann Deutschland auf dem Gebiet der Reproduktionsmedizin sowohl wissenschaftlich als auch bezüglich Aspekten der Behandlungsqualität nicht mehr im internationalen Vergleich mit anderen Ländern bestehen. Diese Entwicklung wird sowohl durch die relativ restriktive Gesetzeslage und andererseits durch die nicht ausreichende Vergütung begünstigt [13].

Eine Möglichkeit, eine Deckung der Kosten des IVF-/ICSI-Versuchs zu erreichen, wäre, die gesamte Betreuung bis zur Follikelpunktion adäquat zu vergüten. Es könnte der Abrechnungsstandard angepasst und die Punktanzahl pro EBM-Nummer bei Nachweis definierter Kriterien erhöht werden. Durch diese Maßnahme könnte eine Kostendeckung für universitäre Zentren erreicht werden.

Aufseiten der Frauenklinik sind die beiden größten Kostenpunkte, die bei einer IVF-/ICSI-Behandlung entstehen, einerseits die Kosten der Follikelpunktion mit 489,07 € und die Kosten der Laboruntersuchungen mit 368,13 €. Die Kosten für die Follikelpunktion erscheinen auf den ersten Blick hoch, sind aber durchaus in der genaueren Betrachtung erklärbar; die Follikelpunktion findet im Haupt-OP der Frauenklinik des Universitätsklinikums Erlangen statt. Es muss demzufolge die gesamte medizinische und nichtmedizinische Infrastruktur mitgetragen werden. Außerdem werden von den Gesamtkosten der Follikelpunktion für die Anästhesie anteilig 188,44 € fällig. Diese Kosten erklären sich dadurch, dass nicht nur die Arbeitszeit des Anästhesieteams gezahlt werden muss, sondern wiederum die Infrastruktur anteilig finanziert werden muss. Hierunter fallen beispielsweise auch die Hintergrunddienste der Anästhesie. Eine Möglichkeit der Kostenersparnis wäre daher die Auslagerung der Follikelpunktion in einen externen, ambulanten OP. Bei diesen Überlegungen handelt es sich nur um theoretische Möglichkeiten, da in einem universitären Zentrum die Anmietung externer Anästhesieleistungen nicht für das Gesamtklinikum zielführend ist. Des Weiteren wären hohe Investitionskosten nötig, um ein separates Zentrum für die Reproduktionsmedizin zu schaffen und geeignete Räumlichkeiten für die Follikelpunktionen zu finden. Bei dem derzeitigen Investitionsstau durch die Länder wäre dieses Vorhaben in absehbarer Zeit nicht umsetzbar.

Eine andere Möglichkeit, den Erlös der Klinik zu steigern, wäre auch in universitären Einrichtungen mehr individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL) anzubieten, wodurch eine stärkere Konkurrenz zu den niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten entstehen würde. Daraus könnten in der Folge weniger Zuweisungen resultieren und es bleibt somit fraglich, ob durch diese Maßnahme auf lange Sicht die Anzahl der IVF-/ICSI-Behandlungen in universitären Strukturen zunehmen.

Private reproduktionsmedizinische Zentren verfügen über verschiedene Wettbewerbsvorteile. So ist hier insbesondere die Beschaffung von externen Leistungen (z. B. Anästhesie) auf dem freien Markt mit entsprechendem Wettbewerbsdruck der Anbieter zu nennen. Bereitschaftsdienste und andere Leistungen, die aus dem Haupt-OP eines universitären Zentrums auf die einzelnen OPs umgelegt werden, fallen hier nicht an. Zudem besteht die Möglichkeit, weitreichende individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL) im privaten Setting anzubieten. Auch hier sind einem universitären Zentrum Grenzen gesetzt, sodass das betriebswirtschaftliche Ergebnis im Vergleich zu privaten Anbietern negativ beeinflusst wird.

In Bezug auf die Limitationen des Modells muss beachtet werden, dass es sich um Kalkulationen handelt, die auf der Infrastruktur und den Gegebenheiten an der Frauenklinik des Universitätsklinikum Erlangen beruhen. Die entstehenden Ergebnisse können nicht beliebig auf jede reproduktionsmedizinische Einrichtung übertragen werden, sondern nur unter Betrachtung der jeweiligen Infrastruktur verwendet und interpretiert werden. In anderen Zentren können sich Abweichungen aufgrund struktureller Bedingungen ergeben.

In Anbetracht des enormen wirtschaftlichen Gewinns für die deutsche Gesellschaft durch jedes zusätzliche Kind, welches im weiteren Leben am Bruttosozialprodukt teilnimmt, sollten die bestehenden Subventionen von der Gesundheitspolitik kritisch überdacht und anhand der nun vorliegenden Datenlage auf der Hand liegende Entscheidungen getroffen werden. Betroffene Paare werden durch die aktuelle Selbstbeteiligung von 50% stark belastet, eine komplette Kostenübernahme und eine ausreichende Bezahlung der Zentren scheinen aus gesellschaftlicher Sicht notwendig [19]. Dieses Modell zeigt deutlich, dass auch wenn die Allgemeinheit, in diesem Fall in Form der gesetzlichen Krankenkasse, einen IVF-/ICSI-Versuch wieder zu 100% finanzieren würde, die Gesellschaft auf lange Sicht stark von dieser Regelung profitieren würde. Die Gesellschaft würde dies beispielsweise in Form von neuen Steuerzahlern erfahren und die Krankenkasse würde durch den Zuwachs von neuen Mitgliedern davon profitieren. Zudem haben nicht zuletzt Domar et al. zeigen können, dass eine hohe finanzielle Belastung neben psychologischen Faktoren einen Hauptgrund für den Abbruch einer IVF-Behandlung darstellt [20]. Außerdem muss der deutsche Staat überlegen, welche Rolle Deutschland in der internationalen Reproduktionsmedizin weiterhin übernehmen möchte: Die Stellung der deutschen Politik gegenüber neueren Techniken und daraus ergebend der Stellenwert von Eizellspende oder der Leihmutterschaft muss überdacht werden. Das Embryonenschutzgesetz von 1992 weist zahlreiche Lücken auf und benötigt dringend eine Überarbeitung, um auf die neuen Entwicklungen der letzten 20 Jahre eingehen zu können. Nur so haben Ärztinnen und Ärzte, Patientenpaare und auch die Krankenkassen wieder eine feststehende Grundlage, an der sie sich orientieren können. Angesichts der vielen neuen Entwicklungen, die sich im Bereich der Reproduktionsmedizin sowohl aus ethischer Sicht als auch aus medizinischer Sicht ergeben, muss überlegt werden, ob nicht auch in Deutschland eine nationale Behörde ähnlich der Human Fertilisation and Embryology Authority (HEFA) in Großbritannien geschaffen werden sollte. Die HEFA hat dort unter anderem die Aufgabe, die Einhaltung höchster medizinischer Standards bei den durchgeführten Fertilitätsbehandlungen zu gewährleisten. Sie beschäftigt sich auch mit ethischen Fragen, Überwachung, Genehmigung und Einhaltung rund um die Embryonenforschung und berät die Öffentlichkeit in Fragen zu Behandlungsberichten [21]. Ähnliche Ansätze wurden in den USA durch die American Fertility Society verfolgt [22]. Da diese Behörde sich ausschließlich der Reproduktionsmedizin widmet, kann sie zeitnah auf Neuerungen reagieren und neue Fragestellungen klären. Diese klaren Richtlinien liefern eine solide Rechtsgrundlage, auf deren Basis Entscheidungen des Patientenpaares und des Behandlungsteams getroffen werden können.


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Schlussfolgerung

Unter den aktuellen Rahmenbedingungen ist eine kostendeckende Behandlung von Kinderwunschpaaren mittels IVF-/ICSI-Behandlungen in universitären reproduktionsmedizinischen Zentren, wie am Beispiel des Universitäts-Fortpflanzungszentrum Franken aufgezeigt werden konnte, nicht durchführbar. Jedoch findet genau an derartigen Einrichtungen ein Großteil der Ausbildung junger Reproduktionsmedizinerinnen und Reproduktionsmediziner statt. Und auch Forschungsaufgaben werden zumeist erst durch die an diesen Zentren vorherrschende Infrastruktur möglich. Zudem stellen die Behandlungen auch weiterhin eine hohe finanzielle Belastung für betroffene Paare dar. Es konnten im Rahmen der Arbeit Lösungsansätze für eine angemessene Vergütung aufgezeigt werden. So ist es nun Aufgabe der Politik, das Potenzial reproduktionsmedizinischer Maßnahmen insbesondere auch aus Sicht der Gesellschaft zu erkennen und entsprechende Maßnahmen hin zu einer kostendeckenden Vergütung der Leistungserbringer umzusetzen, um die Zukunft der Reproduktionsmedizin in Deutschland durch mangelnde Ausbildung und fehlende wissenschaftliche Infrastruktur nicht zu gefährden.


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Conflict of Interest/Interessenkonflikt

The authors declare that they have no conflict of interest./Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.


Correspondence/Korrespondenzadresse

Thomas Hildebrandt, MD, MBA
Department of Gynecology and Obstetrics
Erlangen University Hospital
Universitätsstraße 21 – 23
91054 Erlangen
Germany