Aktuelle Urol 2019; 50(03): 213-214
DOI: 10.1055/a-0808-6394
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Therapie des Blasenkarzinoms

Stephan Roth
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Publication Date:
23 July 2019 (online)

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Prof. Dr. Stephan Roth

Die Beiträge dieses Hefts der „Aktuellen Urologie“ repräsentieren die Vielfalt und Komplexität unseres Fachgebietes. Urologie ist ja nicht „Männerheilhunde“, wie lange Zeit fälschlich propagiert, sondern ist die Heilkunde der Organerkrankungen von Nieren, Harnleiter, Blase und äußerem Genitale – und zwar geschlechter- und altersübergreifend. In diesem Heft geht es um einige Aspekte der Diagnose und Therapie von Blasenerkrankungen.

Ein wunderbarer Beitrag aus der Bonner Universitätsklinik thematisiert die Langzeitergebnisse einer speziellen Technik, dem sogenannten Fulda-Nippel, der von Prof. Kälble aus Fulda erstmals 2008 international hochrangig publiziert wurde. Diese Technik bietet die Möglichkeit, einen neuen Kontinenzmechanismus im Rahmen des Komplikationsmanagements nach operativen Eingriffen, insbesondere Harnableitungen, zu konfigurieren. Die Ergebnisse bei immerhin 21 Patienten zeigen in Anbetracht der Komplexität des Eingriffes bei rund 2/3 der Patienten gute Langzeitergebnisse. Erstaunlich ist die relativ hohe Rate von Stomastenosen bei 33 % der Betroffenen. Erstaunlich deshalb, weil es sich eigentlich um ein gut durchblutetes Ileumsegment handelt, das diese Komplikation minimieren sollte.

In einem Beitrag aus Taiwan werden die retrospektiven Ergebnisse einer Kohorte von 152 Patienten vorgestellt, die nach einer transurethralen Resektion eines Blasentumors unterschiedliche Instillationsschemata zur Rezidivprophylaxe erhielten. Beim Vergleich der 4 Gruppen zeigte sich, dass bei T1 und Ta high grade Tumoren nicht nur eine Einmalinstillation von Mitomycin erfolgen sollte, sondern eine anschließende Erhaltungstherapie mit einer Mitomycin-Instillation 1 × wöchentlich über 8 Wochen. Dies widerspricht unseren Leitlinien nicht.

In einer sehr interessanten multiinstitutionellen Analyse verschiedener Neuro-urologischer Kliniken wurde der Frage nachgegangen, ob eine neurogene Blasenentleerungsstörung ein Risikofaktor für das Auftreten von Blasenkarzinomen darstellt. Bei mehr als 6000 Patienten hatten 32 Betroffene ein Blasenkarzinom, die Latenzzeit bis zum Auftreten betrug ca. 29 Jahre. Das erhöhte Risiko muss zukünftig in eine praktikable Nachsorge integriert werden. Interessant ist bei dem relativ kleinen Kollektiv von Betroffenen die Tatsache, dass kein Unterschied zu bestehen scheint, mit welcher Form der Harnableitung die Patienten versorgt wurden, nämlich einem intermittierenden Katheterismus oder einer Dauerableitung mittels Katheter. Man hätte eher erwartet, dass der kontinuierliche „Reiz“ durch einen Katheter ein höheres Risiko darstellt.

In einem Beitrag von Barakat und Kollegen wurden die Clavien-Dindo Komplikationen bei über 80-Jährigen Patienten analysiert, die sich einer transurethralen Blasentumorresektion unterziehen mussten. Immerhin gab es bei 40 % entsprechende Komplikationen, wobei sogar 3 Patienten nach dem Eingriff verstarben. Diese Daten sind wichtig, denn sie relativieren die verhältnismäßig (oder sollte man sagen unrealistisch?) niedrige Komplikationsraten bei älteren und kranken Patienten, bei denen eine Zystektomie erfolgt. Wenn schon eine transurethrale Resektion bei 3/89 Patienten zum Tode führt, wie wäre es erst bei einer Zystektomie gewesen? Diese Zahlen verdeutlichen das Dilemma der Urologie, mit immer mehr älteren und zumeist multimobiden Patienten konfrontiert zu sein. Und das die häufig zitierten niedrigen Mortalitätsraten der Zystektomie bei älteren Patienten eher dadurch bedingt sind, dass nur eine Subgruppe dieser Operation zugeführt wird. Man nennt das auch „Bias“, also Verzerrung des Ergebnisses.

In einem Beitrag aus der Bozener Urologischen Klinik von Prof. Pycha wird ein inter-essanter und äußerst seltener Fall eines Sarkoms der Urethra präsentiert. Bislang wurden in der Literatur weniger als 10 Fälle beschrieben. Ob ein Zusammenhang mit der früheren Radiatio der Prostata besteht, muss deshalb spekulativ bleiben. Und erfrischend ehrlich, dass die Autoren nicht verschweigen, dass der Patient nach dem großen Eingriff postoperativ verstarb.

Ich wünsche Ihnen, dass Sie bei diesem Potpourri urologischer Beiträge rund um den urologischen Fokus Blasenerkrankungen interessante Fakten erfahren und Ihren urologischen Alltag wissensreicher bewältigen können.

Prof. Dr. Stephan Roth
Klinik für Urologie und Kinderurologie
HELIOS Universitätsklinikum Wuppertal
Lehrstuhl der Universität Witten / Herdecke