Z Sex Forsch 2019; 32(01): 3-4
DOI: 10.1055/a-0815-8867
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Alte Werte in neuem Gewand

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Publication History

Publication Date:
20 March 2019 (online)

Seit 1988 gibt es die „Zeitschrift für Sexualforschung“ (ZfS). Sie erscheint seit 1999 im Georg Thieme Verlag, in den frühen Jahren wurde sie im Ferdinand Enke Verlag verlegt. Es war die ursprüngliche Intention der Herausgebenden, mit der neuen Zeitschrift an eine deutschsprachige sexualwissenschaftliche Tradition anzuschließen, die 1933 von den Nationalsozialisten gewaltsam unterbrochen worden war. Sie sollte eine Plattform für gesellschaftswissenschaftliche, klinische und sexualpolitische Beiträge mit einer emanzipatorischen Ausrichtung werden (zeitweise war der Titel „Zeitschrift für Sexualwissenschaft und Sexualpolitik“ im Gespräch). Das rot-weiße Layout und das handliche Format stammen aus dieser Zeit und stehen für den politischen Anspruch, die Interdisziplinarität mit der Verbindung zu den Kultur- und Sozialwissenschaften und die Idee der Lesefreundlichkeit.

Nun haben sich die Herausgebenden und der Thieme Verlag für ein neues Format entschieden, und das gilt es zunächst einmal auszuhalten – uns geht es da nicht anders. Aber das neue Gewand ist auch ein Ausdruck davon, dass die Zeitschrift sich entwickelt: Tempora mutantur et nos mutamur in illis – die Zeiten ändern sich, und wir ändern uns in ihnen. Durch das neue Layout halten wir Schritt mit internationalen Wissenschaftsstandards und betonen die Nähe zur Medizin und die Zugehörigkeit zu einem der renommiertesten und international bedeutendsten Medizinverlage, den man durch sein traditionell blau-weißes Gewand schon von weitem erkennen kann.

Die Medizin als Ort einer sich interdisziplinär und kritisch verstehenden Sexualwissenschaft ist problematisch – aber das ist durch ein Gewand auch nicht zu ändern oder gar zu verdecken. Kritiker_innen eines klinischen Mainstreams und Vertreter_innen der kritischen Sexualwissenschaft, wie die Gründer der Zeitschrift, kamen aus den medizinischen Fakultäten. Die Fachgesellschaft, deren Organ die Zeitschrift ist, ist (allerdings sicher nicht ausschließlich) auch eine medizinische Fachgesellschaft. Viele Mitglieder der Deutschen Gesellschaft für Sexualforschung (DGfS) sind therapeutisch oder klinisch tätig, interessieren sich für klinisch-sexualwissenschaftliche Themen, lassen sich durch Praxisbeiträge bereichern, aber auch durch Themen jenseits von Therapie und Medizin gerne irritieren oder informieren.

Die Anzahl der deutschsprachigen Fachzeitschriften ist groß und der Markt umkämpft: Im Jahr 2017 wurden in Deutschland insgesamt 5 627 Fachzeitschriftentitel publiziert; dies entspricht einem Anstieg um 2.2 % bzw. um 123 Titel gegenüber dem Jahr 2016. Und ständig drängen neue Titel auf den Markt: Hierzu gehören u. a. das Journal „Sexual Health“ von CSIRO Publishing und die Zeitschriften „LGBT Health“ und „Transgender Health“ aus dem Verlag Mary Ann Liebert. Renommierte und neue Zeitschriften wetteifern gemeinsam mit der ZfS um qualitativ hochwertige Beiträge. Die nationale und internationale Beachtung unserer Zeitschrift soll u. a. durch das neue Layout gefördert werden. Dazu dienen bspw. die strukturierten Zusammenfassungen und die englischen Übersetzungen der Beitragstitel auf der jeweils ersten Beitragsseite.

Die ZfS ist weiterhin die einzige deutsche sexualwissenschaftliche Fachzeitschrift mit einem standardisierten Peer-Review-Verfahren. Seit dem Jahr 2010 ist sie im Social Science Citation Index (SSCI) sowie in weiteren Datenbanken (u. a. PsycINFO, PSYNDEX und SUBIS) gelistet. Aktuell (2017) weist sie einen Impact Factor von 0.543 auf; das kann sich im Vergleich deutschsprachiger Zeitschriften sehen lassen. Dem Ziel, national und international konkurrenzfähig zu bleiben, fühlen wir uns als Herausgebende ebenso verpflichtet wie dem Ziel, die ZfS im Kern so zu erhalten und zukunftsfest zu machen, wie wir sie schätzen: als Ort sexualwissenschaftlicher und sexualpolitischer Auseinandersetzungen und als Ort kritischer und konstruktiver Debatten. Wir als Herausgebende sehen dabei die Interdisziplinarität der ZfS als ihren zentralen Wert.

Diesem Wert folgend wünschen wir uns, dass die Zeitschrift als Organ der Deutschen Gesellschaft für Sexualforschung (DGfS) in Zukunft näher mit anderen Fachgesellschaften zusammenrücken kann. Hierzu sind wir im Gespräch, und unser Interesse spiegelt sich in diesem Heft in den drei Tagungsdokumentationen wider, die die Leser_innen über die Aktivitäten von verschiedenen Fachgesellschaften informieren. Dazu gehört auch, dass wir die begonnene Praxisreihe fortführen werden, die einen Dialog zwischen Forschung und Praxis eröffnet. Fachkräfte, die in Sexualtherapie, Sexualmedizin, Sexualpädagogik, Sexualberatung und angrenzenden Feldern tätig sind und zuweilen die „Zeitschrift für Sexualforschung“ zur Hand nehmen, sollten dort idealerweise Texte finden, die zum Ausbau der eigenen fachlichen Kenntnisse und Fähigkeiten beitragen. Wir möchten an dieser Stelle noch einmal eine herzliche Einladung an mögliche Autor_innen von Praxisbeiträgen aussprechen; Informationen über den Umfang der neuen Rubrik finden Sie jetzt auch in den Manuskriptrichtlinien.

Wir freuen uns, neue Mitglieder des wissenschaftlichen Beirats begrüßen zu können: Franziska Brunner (Hamburg), Melanie Büttner (München), Sara Jahnke (Jena), Stefan Nagel (Bad Doberan), Udo Rauchfleisch (Basel), Julia Velten (Bochum) und Heinz-Jürgen Voß (Merseburg). Ihnen danken wir für die Bereitschaft, die Zeitschrift bei der Prüfung und Überarbeitung eingegangener Manuskripte in Zukunft zu unterstützen. Gleichzeitig gilt unser herzlicher Dank verdienten Mitgliedern des Beirats, die nun ausscheiden: Henning Bech (Kopenhagen), Dorothea Dornhof (Berlin) und Lili Gast (Berlin).

Dem Thieme Verlag danken wir für das seit vielen Jahren gewachsene Vertrauen, das in diesem Prozess des Gewandwechsels an dem einen oder anderen Punkt auch auf die Probe gestellt wurde. Martin Dannecker war als erster Vorsitzender der DGfS den Herausgebenden eine große Unterstützung, wofür wir ihm ebenfalls sehr danken. Gleichzeitig bot diese Probe eine Chance, die Bedingungen für den weiteren gemeinsamen Weg neu zu festigen, sodass die Herausgebenden den kommenden gemeinsamen Jahren voller Erwartung entgegensehen. Der neue Jahrgang der „Zeitschrift für Sexualforschung“ wird wieder voll mit instruktiven Beiträgen und Kommentaren zu aktuellen Debatten der Sexualwissenschaft sein. Wir freuen uns darauf und hoffen, die Freude steckt an!

Die Herausgebenden