Aktuelle Dermatologie 2019; 45(03): 95-96
DOI: 10.1055/a-0837-5253
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Patientensicherheit geht auch uns Dermatologen an!

Zu der neuen Rubrik „Fehler und Irrtümer in der Dermatologie“Patient Safety also Concerns us Dermatologists! The New Section “Mistakes and Errors in Dermatology”
P. Elsner
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Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Peter Elsner
Klinik für Hautkrankheiten
Universitätsklinikum Jena
Erfurter Str. 35
07743 Jena

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Publication Date:
11 March 2019 (online)

 
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Prof. Dr. med. Peter Elsner

Nach dem Klassiker von Beauchamp/Childress „Principles of Biomedical Ethics“ [1] basiert die ärztliche Ethik auf vier Prinzipien: Benefizenz, Non-Malefizenz, Achtung der Patientenautonomie und Gerechtigkeit. Die ersten beiden Prinzipien, Gutes zu tun und im Interesse des Patienten zu handeln und dem Patienten nicht zu schaden, sind letztlich nichts anderes als das aus dem „Hippokratischen Eid“ wohlbekannte „Nisi nil nocere“, das sich auch in der Deklaration von Genf des Weltärztebundes und der (Muster-)Berufsordnung für die in Deutschland tätigen Ärztinnen und Ärzte wiederfindet [2].

Gleichwohl kommt es immer wieder zu „vermeidbaren unerwünschten medizinischen Ereignissen“ (VUME), die definiert sind als einem Patienten schadende Vorkommnisse, die eher auf der Behandlung als auf der Erkrankung selbst beruhen und die durch einen Fehler verursacht sind [3]. Nach Schätzungen sollen diese etwa in 10 % der Krankenhauseinweisungen auftreten [4] [5] und in den USA mittlerweile die dritthäufigste Todesursache sein [6]. Diese Ereignisse können straf- und zivilrechtlich relevante Delikte darstellen und zu Haftungsansprüchen für Behandlungsfehler führen. In vielen Ländern haben sowohl die Zahl der Arzthaftungsfälle als auch die Höhe der zugesprochenen Schadensersatzleistungen in den letzten Jahren zugenommen. Versicherungsprämien für Leistungserbringer wurden teils erheblich erhöht, sodass sich etwa der Gesetzgeber in Deutschland 2014 zu einem Sicherstellungszuschlag für freiberufliche Hebammen gezwungen sah, um die Erbringung von Geburtshilfeleistungen weiterhin zu ermöglichen (GKV-FQWG; § 134a Abs. 1b SGB V). Die hohe Zahl und die Kosten von Arzthaftungsfällen haben zu Bedenken bezüglich der Entwicklung einer „Entschädigungs-Kultur“ [7] der Folgen für das Verhalten medizinischer Leistungserbringer (Gefahr der „Defensivmedizin“ [8]), eines Verleugnungsverhaltens gegenüber medizinischen Fehlern statt einer proaktiven Risikoverminderung und eines Vertrauensverlustes zwischen Patienten und Ärzten [9] geführt.

In der Vergangenheit hat sich die Medizin vielfach nicht ernsthaft mit der Existenz von Behandlungsfehlern auseinandergesetzt. Ursachen dafür mögen ein falsches Verständnis von Kollegialität gewesen sein, aber auch der Wunsch, Patienten nicht zu beunruhigen und das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient nicht zu gefährden. Wie spätestens der umfassende und einflussreiche Bericht „To Err is Human“ des Institute of Medicine gezeigt hat [10], ist das Verleugnen von Fehlern jedoch selbst einer der größten Fehler, die ein Mensch begehen kann; das Lernen aus Fehlern ist von höchster Bedeutung, um deren Wiederauftreten zu verhindern. Zu diesem Zweck werden in der Luftfahrt seit vielen Jahren Fehlermeldesysteme eingesetzt, die den positiven Effekt haben, Pilotenfehler (menschliche Fehler) zu reduzieren. Auf der Grundlage dieser Erfahrungen wurde vorgeschlagen, die Flugsicherheitskultur in die klinische Medizin zu übernehmen und ähnliche Fehlermeldesysteme einzurichten. In vielen Journalen für Piloten und Luftfahrtpersonal ist die Rubrik „Flugunfallberichte“ fest verankert und eine der beliebtesten. Exemplarische Fälle und die häufig verketteten Fehlentscheidungen werden dort vorgestellt, um Piloten auf vermeidbare Risikosituationen aufmerksam zu machen. Die Fehlermeldesysteme der Luftfahrt und die Flugunfalluntersuchungen der Behörden bieten reichlich Material für diese Publikationen.

Auch in der Medizin setzt eine wirksame (Behandlungs-)Fehlerprävention voraus, sich mit der Existenz von Fehlern ernsthaft auseinanderzusetzen, Risikosituationen zu erkennen und durch angemessenes professionelles Handeln zu beherrschen. Bei wissenschaftlichen medizinischen Kongressen, aber auch in unseren klinisch-wissenschaftlichen Zeitschriften ist eine Rubrik „Fehler und Irrtümer in der Dermatologie“ leider immer noch eine Seltenheit. Die Aktuelle Dermatologie nimmt – im deutschsprachigen dermatologischen Schrifttum – nun eine Vorreiterrolle ein, indem sie regelmäßig ausgewählte, exemplarische Fälle dermatologischer Behandlungsfehler publiziert und damit über eine verbesserte Fehlerprävention zu einer höheren Patientensicherheit beitragen will. Die ersten Fälle, die wir Ihnen vorstellen werden, stammen aus dem in Deutschland seit den 1970er-Jahren etablierten Schiedstellenverfahren über unabhängige Gutachterkommissionen, die bei den Ärztekammern angesiedelt sind [11]. Einreichungen für diese neue Rubrik werden gerne angenommen – sie können nicht nur tatsächliche Fehler beinhalten, sondern können auch nach dem Motto „Es ist noch einmal gut gegangen“ auf mögliche Fehlerkonstellationen aufmerksam machen. „Jeder Fehler ist ein Schatz“, nämlich eine Gelegenheit, die Sicherheit unserer Patienten zu verbessern [12] [13]. Dazu will diese neue Rubrik beitragen. Über Ihr Interesse und jede Rückmeldung würden sich die Schriftleiter freuen.

Peter Elsner, Jena



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