Open Access
CC BY-NC-ND 4.0 · Geburtshilfe Frauenheilkd 2019; 79(09): 949-958
DOI: 10.1055/a-0854-5916
GebFra Science
Original Article/Originalarbeit
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Einfluss des Patientenalters auf das Outcome vaginaler und laparoskopischer Eingriffe in der Urogynäkologie

Artikel in mehreren Sprachen: English | deutsch
Ralf Joukhadar
1   Department of Obstetrics and Gynaecology, Würzburg University Medical Centre, Würzburg, Germany
3   Department of Obstetrics and Gynaecology, University of Saarland, Homburg, Saar, Germany
,
Julia Radosa
3   Department of Obstetrics and Gynaecology, University of Saarland, Homburg, Saar, Germany
,
Viola Paulus
3   Department of Obstetrics and Gynaecology, University of Saarland, Homburg, Saar, Germany
,
Amr Hamza
3   Department of Obstetrics and Gynaecology, University of Saarland, Homburg, Saar, Germany
,
Erich Franz Solomayer
3   Department of Obstetrics and Gynaecology, University of Saarland, Homburg, Saar, Germany
,
Daniel Herr
1   Department of Obstetrics and Gynaecology, Würzburg University Medical Centre, Würzburg, Germany
,
Achim Wöckel
1   Department of Obstetrics and Gynaecology, Würzburg University Medical Centre, Würzburg, Germany
,
Sascha Baum
2   Department of Obstetrics and Gynaecology, Lübeck University Medical Centre, Lübeck, Germany
3   Department of Obstetrics and Gynaecology, University of Saarland, Homburg, Saar, Germany
› Institutsangaben
Weitere Informationen

Correspondence/Korrespondenzadresse

Dr. Ralf Joukhadar
Department of Obstetrics and Gynecology
University of Würzburg
Josef-Schneider-Straße 4
97080 Würzburg
Germany   

Publikationsverlauf

received 05. November 2017
revised 08. Februar 2019

accepted 10. Februar 2019

Publikationsdatum:
22. Mai 2019 (online)

 

Zusammenfassung

Einleitung Bei der Behandlung von Deszensus und Inkontinenz hängt das gewählte Operationsverfahren häufig nicht nur vom klinischen Befund, sondern auch vom Alter der Patientin ab. Bislang besteht sowohl für vaginale als auch laparoskopische Eingriffe Unklarheit bezüglich des Therapieerfolgs in Abhängigkeit vom Patientenalter. Ziel dieser Arbeit ist es daher, sowohl den anatomischen Erfolg nach Deszensusoperationen als auch das funktionelle Outcome nach Inkontinenzoperationen im Rahmen der Behandlung von Belastungsinkontinenz bei älteren und jüngeren Patientinnen zu vergleichen.

Patientinnen/Methodik Es handelt sich um eine retrospektive monozentrische Studie aus einem universitären Zentrum. Im Untersuchungszeitraum wurden insgesamt 407 Patientinnen operativ behandelt, darunter 278 < 70-Jährige und 129 ≥ 70-Jährige. Diese wurden in 3 Behandlungsgruppen aufgeteilt (Deszensusoperation, Inkontinenzoperation oder eine Kombination beider Operationsmethoden) und nach Bewertung des anatomischen und funktionellen Outcomes nach 3 – 6 Monaten statistisch ausgewertet.

Ergebnisse Die häufigste Form des Deszensus bei den 407 ausgewerteten Patientinnen lag im Bereich des vorderen und mittleren Kompartiments, wobei bei den älteren Patientinnen ein höherer Schweregrad diagnostiziert wurde. So lag ein Deszensus Grad 4 nach Baden Walker im vorderen Kompartiment in 15,6 vs. 28,8% (p = 0,033) und im mittleren Kompartiment in 5,7 vs. 23,7% (p < 0,001) vor. Jüngere Frauen erhielten insgesamt seltener eine vaginale Netzeinlage, dafür häufiger eine laparoskopische Sakropexie. Der Anteil kombinierter Eingriffe aus Deszensus- und Inkontinenz-OP waren in beiden Gruppen gleich. Insgesamt zeigten sich sowohl bei den jüngeren als auch bei den älteren Patientinnen hohe Erfolgsraten nach Deszensus- sowie Inkontinenzoperationen. Diese lagen nach einer Deszensusoperation bei 93,5 vs. 84,8% (p = 0,204) und nach einer Inkontinenzoperation bei 92,8 vs. 84,2% (p = 0,261). Ein signifikanter Nachteil für die älteren Patientinnen bestand in der Persistenz einer Belastungsinkontinenz nach alleiniger Deszensusoperation (19,6 vs. 50% p = 0,030) sowie bei der Rate der larvierten (De-novo-)Belastungsinkontinenz (7,4 vs. 20% p = 0,030).

Schlussfolgerung Unsere Daten zeigen, dass sowohl der Descensus genitalis als auch die Belastungsinkontinenz bei ≥ 70-Jährigen mit guten Ergebnissen operativ versorgt werden können. Damit konnte an einer großen Patientenzahl erstmals gezeigt werden, dass den älteren Patientinnen eine adäquate Operation nicht vorenthalten werden sollte, sondern diesen das gleiche operative Spektrum angeboten werden kann wie den jüngeren Patientinnen.


Einleitung

Funktionelle Störungen des Beckenbodens in Form von Deszensus und Harninkontinenz sind in der weiblichen Bevölkerung weit verbreitet [1]. Nach aktuellen Daten beträgt das mittlere Lebenszeitrisiko einer Frau, eine therapiewürdige Harninkontinenz zu erleiden, 13,6%. Der Altergipfel liegt dabei bei 71 – 72 Jahren. Das mittlere Risiko, einen therapiewürdigen Deszensus zu erleiden, liegt bei 12,6% mit einem ansteigenden altersspezifischen Risiko bis zum Alter von 75 Jahren [2].

Deszensus und Harninkontinenz im Alter sind neben einer erheblichen Einschränkung der Lebensqualität häufig mit verschiedensten medizinischen, sozialen und ökonomischen Problemen und Einschränkungen assoziiert, die sogar den mentalen Zustand der Betroffenen nachteilig beeinflussen können [3], [4].

In Deutschland stellt die Harninkontinenz nach der Immobilität die zweitwichtigste Ursache für häusliche Krankenpflege dar; bis zu 50% der Einweisungen in Altenheime sind direkt oder indirekt durch Inkontinenz verursacht, und ca. 25% der täglichen Dienstzeit des dort arbeitenden Pflegepersonals wird von der Inkontinenzversorgung in Anspruch genommen [5], [6], [7]. Perspektivisch besteht Grund zur Annahme, dass diese Entwicklung aufgrund der zu erwartenden weiter steigenden Lebenserwartung noch zunehmen wird, denn statistische Daten zeigen den globalen demografischen Trend zur Langlebigkeit [5], [8]. Die höhere Lebenserwartung von Frauen führt im Alter dabei zu einer Verschiebung des Geschlechterverhältnisses zugunsten der Frauen und somit auch zu einem steigenden Behandlungsbedarf für Erkrankungen des urogynäkologischen Formenkreises [9].

Obwohl eine konservative Behandlung des Deszensus wie auch der Inkontinenz häufig nicht ausreichend ist, wird den älteren Betroffenen der Zugang zu operativen Maßnahmen oft alleine aufgrund des Alters und der eventuell zu befürchtenden operativen Komplikationen verwehrt [10]. Neben dieser Zurückhaltung bei der operativen Indikationsstellung besteht Ungewissheit hinsichtlich des zu erwartenden anatomischen und funktionellen Therapieerfolgs bei älteren Patientinnen im Vergleich zu jüngeren. Dies gilt insbesondere auch für das zu erwartende Outcome in Bezug auf die Blasenfunktion nach Durchführung einer Deszensusoperation. Die Zahl der bisher veröffentlichten Arbeiten zu diesem Thema ist zum einen gering, zum anderen sind die Ergebnisse teilweise widersprüchlich und die Vergleichbarkeit ist aufgrund unterschiedlicher Methodik nur unzureichend gegeben [11], [12].

Aus diesem Grunde ist das Ziel dieser Arbeit, sowohl den anatomischen Erfolg nach Deszensusoperationen als auch das funktionelle Outcome nach Inkontinenzoperationen bei der Behandlung von Belastungsinkontinenz bei älteren Patientinnen mit dem jüngerer Patientinnen zu vergleichen.


Material und Methoden

In dieser retrospektiven Studie wurden die Daten aller urogynäkologischen Patientinnen erfasst, die aufgrund eines symptomatischen Descensus genitalis (POP-Q ≥ II, B–W ≥ 2), einer reinen Belastungsinkontinenz oder dem simultanen Auftreten beider Krankheitsbilder an der Frauenklinik der Universität des Saarlandes eine operative Behandlung erhalten hatten. Grundsätzlich wurde die Belastungsinkontinenz mittels Urodynamik und Bonney-Test diagnostiziert und genauer beurteilt. Bei grenzwertigen Befunden wurde zusätzlich ein Pad-Test durchgeführt. Einziges Einschlusskriterium war dabei die Durchführung einer operativen Behandlung aus oben genannter Indikation; ausgeschlossen wurden Patientinnen mit einer Misch-Harninkontinenz. Die Patientendaten wurden konsekutiv erhoben.

Patientenkollektiv

Ausgewertet wurden alle Daten im Zeitraum von Juli 2012 bis Ende Dezember 2014. Damit beträgt der Studienzeitraum 2 ½ Jahre. Mit Abschluss des Erfassungszeitraums zum 30.06.2015 beträgt das postoperative Follow-up, bei dem das operative Outcome erhoben und bewertet wurde, zwischen 3 und 6 Monaten.

Die Altersgrenze zur Unterscheidung von jüngeren und älteren Patientinnen lag dabei bei 70. Im Untersuchungszeitraum wurden insgesamt 407 Patientinnen operativ behandelt, darunter 278 < 70-Jährige und 129 ≥ 70-Jährige.


Durchgeführte Eingriffe

Bei den Patientinnen, die einen Leidensdruck durch ein kombiniertes Krankheitsbild eines symptomatischen Deszensus und einer begleitenden Belastungsinkontinenz aufwiesen, empfahlen wir in der Regel ein zweizeitiges Vorgehen. Hierbei wurde zunächst der Deszensus operativ behoben und die Belastungsinkontinenz im Anschluss erneut eruiert und falls notwendig durch eine Inkontinenzoperation behandelt. In ausgewählten Fällen, z. B. bei sehr hohem Leidensdruck oder bei entsprechendem Patientenwunsch, wurde gelegentlich auch ein einzeitiges Vorgehen gewählt, d. h. die Inkontinenzoperation mit der Deszensusoperation kombiniert.

Zur Beurteilung des Outcomes wurden in dieser Studie 3 Behandlungsgruppen definiert: Patientinnen, die eine Deszensusoperation, eine Inkontinenzoperation oder eine Kombination beider Operationsmethoden erhielten. Hierbei wurden die Daten zwischen beiden Altersgruppen, den jüngeren (< 70 Jahre) und älteren (≥ 70 Jahre) Patientinnen verglichen.


Erfassung und Auswertung der Daten

Die Quantifizierung des Deszensus erfolgte immer nach dem „Baden–Walker half-way-system (B – W)“, zusätzlich wurde durch den Leiter der urogynäkologischen Sektion die Quantifizierung nach dem „Pelvic Organ Prolapse Quantification System (POP-Q)“ vorgenommen. Ziel dieser Studie war es, den Therapieerfolg nach Deszensusoperation angelehnt an die Kriterien der „International Continence Society (ICS)“ als POP-Q ≤ I zu definieren.

Die Daten wurden sowohl der digitalisierten ambulanten als auch der stationären Dokumentation entnommen. Details zu den angewendeten Verfahren, dem intraoperativen Verlauf und möglichen Komplikationen wurden den OP-Berichten entnommen. Die ASA-Klassifikation der Patientinnen war in dem Protokoll der Anästhesie dokumentiert. Den stationären Aufenthalt definierten wir als die Dauer vom 1. postoperativen Tag bis einschließlich dem Tag der Entlassung.

Das operative Outcome entstammt dem postoperativen Untersuchungsbefund, der im Rahmen des stationären Aufenthalts vor Entlassung erhoben wurde. In dieser Abschlussuntersuchung wurden zusätzlich eine sonografische Restharnmessung vorgenommen und die Kontinenz gezielt abgefragt. Alle Patientinnen wurden gebeten, sich 3 Monate postoperativ zum Follow-up in der urogynäkologischen Sprechstunde vorzustellen, um das Auftreten von frühen Rezidiven oder postoperativen Komplikationen zu dokumentieren.

Ferner wurde im Rahmen des postoperativen Follow-ups das eventuelle Auftreten einer larvierten Belastungsinkontinenz nach Deszensus-OP beurteilt, bzw. das Outcome einer präexistenten Belastungsinkontinenz eruiert.

Die statistische Auswertung erfolgte mit IBM SPSS Version 22. Für stetige Variablen wurde, sofern annähernd normal verteilt, der t-Test, bei nicht annähernder Normalverteilung der Daten der Mann-Whitney-U-Test durchgeführt. Deskriptive Statistiken für normalverteilte Daten wurden als Mittelwert und Standardabweichung angegeben, nicht normalverteilte als Median und Interquartilsabstand (IQR). Gruppenunterschiede bei kategorialen Variablen wurden mithilfe des χ2-Tests ausgewertet. Lag hierbei für mindestens ein Feld die erwartete Häufigkeit bei < 5, wurde der exakte Test von Fisher verwendet. Für die Verteilung der kategorialen Variablen wurden die absolute Anzahl sowie der prozentuale Anteil angegeben.



Ergebnisse

Charakteristika des Patientenkollektivs

Insgesamt wurden im Untersuchungszeitraum 407 urogynäkologische Operationen ausgewertet. Hierbei fielen 278 (68,3%) Patientinnen in die Gruppe der jüngeren und 129 (31,7%) in die der älteren (≥ 70-jährigen). Das mittlere Alter in den beiden Gruppen war 55,60 ± 8,94 bzw. 75,41 ± 4,05 Jahre.

Stellvertretend für die Erhebung der präoperativen Komorbidität wurde der ASA-Score herangezogen. Insgesamt wurden signifikant mehr jüngere Patientinnen als ASA-I (11,2 vs. 0,8%; p = 0,001) oder ASA-II (77,3 vs. 60,9%; p = 0,003) eingestuft und seltener als ASA-III (11,5 vs. 37,5%; p < 0,001). Daneben wurden auch die Daten zur detaillierten geburtshilflichen und hormonellen Anamnese erhoben ([Tab. 1]).

Tab. 1 Allgemeine Patientendaten.

Altersgruppe

< 70 Jahre

≥ 70 Jahre

p-Wert

Parameter

[n]

[n]

VE = Vakuumentbindung; NG = Neugeborenengewicht; PMP = Postmenopause; HET = Hormonersatztherapie

[n] = Bezugsdatenzahl; Angaben: Mittelwert ± Standardabweichung, Median [IQR] oder Anzahl (%).

t = t-Test; m = Mann-Whitney-U; c = χ2; f = exakter Test nach Fisher; p-Wert adjustiert in „fdr“.

Alter

55,60 ± 8,94

[278]

75,41 ± 4,05

[129]

BMI

27,20 ± 4,72

[278]

26,97 ± 4,05

[129]

0,658t

ASA-Score

[278]

[128]

  • I

31 (11,2)

1 (0,8)

0,001c

  • II

215 (77,3)

78 (60,9)

0,003c

  • III

32 (11,5)

48 (37,5)

< 0,001c

  • IV

0 (0,0)

1 (0,8)

0,401f

Geburtenzahl

2 [1 – 2]

[277]

2 [2 – 3]

[125]

0,032m

Geburtsmodus

  • spontan

2 [1 – 2]

[277]

2 [2 – 3]

[125]

0,005m

  • Sectio

0 [0 – 0]

[277]

0 [0 – 0]

[125]

0,006m

  • VE/Forceps

0 [0 – 0]

[277]

0 [0 – 0]

[125]

0,098m

NG ≥ 4000 g

0 [0 – 0]

[277]

0 [0 – 0]

[125]

0,628m

NG ≥ 4500 g

0 [0 – 0]

[277]

0 [0 – 0]

[125]

0,717m

Multipara (≥ 3)

68 (24,5)

[277]

46 (36,8)

[125]

0,029c

Jahre seit PMP

6,74 ± 6,88

[196]

24,36 ± 6,57

[74]

< 0,001t

HET aktuell

33 (16,1)

[205]

10 (8)

[125]

0,066c


Operative Vorgeschichte der Patientinnen

Insgesamt hatten 14,7% der jüngeren und 26,4% der älteren Patientinnen mindestens eine vorausgegangene Deszensusoperation im vorderen Kompartiment erhalten (p = 0,026). Der häufigste vorausgegangene Eingriff in beiden Altersgruppen war die Kolporrhaphia anterior. Das Einsetzen eines vorderen vaginalen Netzes war anamnestisch bei den älteren Patientinnen häufiger vorzufinden (2,2 vs. 4,7%).

7,2% der jüngeren und 12,4% der älteren Patientinnen (p = 0,142) berichteten von mindestens einer vorausgegangenen Deszensusoperation im mittleren Kompartiment. In Bezug auf Unterschiede bei vorausgegangenen Eingriffen im hinteren Kompartiment konnte trotz eines höheren Vorkommens bei älteren gegenüber jüngeren Patientinnen (15,5 vs. 8,3%) keine statistische Signifikanz festgestellt werden.

Eine operative Behandlung der Belastungsinkontinenz war dagegen nur bei 7,2% der jüngeren und 6,2% der älteren Patientinnen im Vorfeld der Studie durchgeführt worden (p = 0,887). Der Anteil von Patientinnen mit einer Hysterektomie in der Vorgeschichte war mit 48,8% signifikant höher in der älteren Patientengruppe im Vergleich mit der jüngeren Gruppe (34,2% [p = 0,002]). Der häufigste operative Zugangsweg in beiden Gruppen war dabei der vaginale ([Tab. 2]).

Tab. 2 Operative Vorgeschichte.

Altersgruppe

< 70 Jahre

≥ 70 Jahre

p-Wert

[n = 278]

[n = 129]

* offene und laparoskopische Kolposuspensionen; ** Marshall-Marchetti-Krantz; LASH = laparoskopische suprazervikale Hysterektomie; TLH = totale laparoskopische Hysterektomie; n = Bezugsdatenzahl; Angaben in Anzahl und (%).

c = χ2; f = exakter Test nach Fisher; p-Werte adjustiert mittels „fdr“.

Inkontinenz-Voroperationen

  • suburethrale Bänder

14 (5)

3 (2,4)

  • Kolposuspension nach Burch*

6 (2,2)

3 (2,3)

  • MMK**

0 (0,0)

2 (1,6)

  • mindestens 1 Vor-OP

20 (7,2)

8 (6,2)

0,887c

  • ≥ 2 Vor-OPs

0 (0,0)

2 (1,6)

0,142f

Deszensus-Voroperationen

im vorderen Kompartiment

  • mit Netz

6 (2,2)

6 (4,7)

  • ohne Netz

32 (11,5)

26 (20,2)

  • beides

3 (1,1)

2 (1,6)

  • mindestens 1 Vor-OP

41 (14,7)

34 (26,4)

0,026c

  • ≥ 2 Vor-OPs

6 (2,2)

4 (3,1)

0,829f

im mittleren Kompartiment

  • mit Netz

11 (4,0)

6 (4,7)

  • ohne Netz

8 (2,9)

10 (7,8)

  • beides

1 (0,4)

0 (0,0)

  • mindestens 1 Vor-OP

20 (7,2)

16 (12,4)

0,142c

  • ≥ 2 Vor-OPs

2 (0,7)

0 (0,0)

1f

Im hinteren Kompartiment

  • mit Netz

5 (1,8)

4 (3,1)

  • ohne Netz

17 (6,1)

14 (10,9)

  • beides

1 (0,4)

2 (1,6)

  • mindestens 1 Vor-OP

23 (8,3)

20 (15,5)

0,104c

  • ≥ 2 Vor-OPs

2 (0,7)

4 (3,1)

0,141f

vorausgegangene Hysterektomie

  • vaginale

59 (21,2)

38 (29,5)

  • abdominelle

22 (7,9)

23 (17,8)

  • LASH

9 (3,2%)

2 (1,6%)

  • TLH

5 (1,8)

0 (0,0)

  • gesamt

95 (34,2)

63 (48,8)

0,002c


Präoperativer Befund des Deszensus

Die am häufigsten diagnostizierte Form des Deszensus lag im Bereich des vorderen und des mittleren Kompartiments. Die Verteilung des Deszensus auf die verschiedenen Kompartimente fiel dabei unabhängig von der Altersgruppe gleich aus.

Im Gegensatz dazu unterschied sich jedoch der Schweregrad des Deszensus im vorderen und mittleren Kompartiment statistisch signifikant bei den Jüngeren im Vergleich zur Gruppe der Älteren. Die Senkung im vorderen Kompartiment entsprach bei 15,6% der jüngeren und 28,8% der älteren Frauen einem Grad 4 nach Baden Walker (p = 0,033). Ein Deszensus Grad 4 im mittleren Kompartiment war bei 5,7% der Jüngeren und 23,7% der Älteren vorzufinden (p < 0,001) ([Tab. 3]).

Tab. 3 Präoperativer Befund bei Deszensus.

Parameter

gesamt

n

n = Anzahl und (%); c = χ2; f = exakter Test nach Fisher; p-Werte adjustiert mittels „fdr“.

nach Baden Walker

1

2

3

4

vorderes Kompartiment

  • Alter < 70

[192]

160 (83,3)

32 (16,7)

59 (30,7)

39 (20,3)

30 (15,6)

  • Alter ≥ 70

[118]

101 (85,6)

12 (10,2)

26 (22,0)

29 (24,6)

34 (28,8)

  • p-Wert

0,264c

0,264c

0,638c

0,033c

mittleres Kompartiment

  • Alter < 70

[192]

153 (79,7)

35 (18,2)

63 (32,8)

44 (22,9)

11 (5,7)

  • Alter ≥ 70

[118]

93 (78,8)

12 (10,2)

28 (23,7)

25 (21,2)

28 (23,7)

  • p-Wert

0,230c

0,256c

0,959c

< 0,001c

hinteres Kompartiment

  • Alter < 70

[192]

109 (56,8)

52 (27,1)

34 (17,7)

16 (8,3)

7 (3,6)

  • Alter ≥ 70

[118]

68 (57,6)

29 (24,6)

20 (16,9)

10 (8,5)

9 (7,6)

  • p-Wert

0,920c

1c

1c

0,328c

nach POP-Q-Stage nach ICU

I

II

III

IV

  • Alter < 70

[87]

87 (100)

1 (1,1)

30 (34,5)

51 (58,6)

5 (5,7)

  • Alter ≥ 70

[54]

54 (100)

11 (1,9)

7 (13,0)

35 (64,8)

10 (18,5)

  • p-Wert

1f

0,033c

0,703c

0,095c

In Abhängigkeit vom Untersucher wurde eine zusätzliche Quantifizierung des Deszensus nach POP-Q vorgenommen. Diese lag bei 45,3% der jüngeren und bei 45,8% der älteren Patientinnen zur Auswertung vor. Der Vergleich der einzelnen Stadien zwischen beiden Altersgruppen kann dabei ebenfalls [Tab. 3] entnommen werden.


Angewandte Operationsverfahren

Jüngere Patientinnen stellten sich häufiger mit einer therapiewürdigen Belastungsinkontinenz vor, während die älteren Patientinnen sich häufiger mit einem therapiewürdigen Deszensus präsentierten. So erhielten 30,9% den jüngeren und lediglich 8,5% den älteren Patientinnen eine Inkontinenzoperation (p < 0,001). Hingegen erhielten 60,1% der < 70-Jährigen und sogar 85,3% der ≥ 70-Jährigen eine Deszensusoperation (p < 0,001).

Hinsichtlich der Wahl des Verfahrens war die am häufigsten angewandte Methode zur Behandlung der Belastungsinkontinenz in beiden Gruppen die Einlage eines suburethralen Bandes (76,7 und 90,9%).

Signifikante Unterschiede waren hingegen in der Wahl der Deszensusoperation zwischen beiden Altersgruppen zu erkennen. So erfolgte eine vaginale Netzeinlage seltener bei den jüngeren Patientinnen im Vergleich zu den älteren (19,8 vs. 42,7%; p < 0,001). In beiden Gruppen war dabei das vordere Netz die häufigste Form.

Die laparoskopische Sakropexie hingegen wurde signifikant häufiger bei den jüngeren Patinnen durchgeführt (40,1 vs. 24,5%; p = 0,016). Die häufigste Form der durchgeführten Sakropexie war die Zervikosakropexie.

Hinsichtlich durchgeführter Eingriffe mittels Eigengewebe, sowie bezüglich der Durchführung von begleitenden Eingriffen, konnte zwischen beiden Gruppen kein statistisch signifikanter Unterschied festgestellt werden ([Tab. 4]).

Tab. 4 Die angewandten Operationsverfahren.

Operationsverfahren

< 70

≥ 70

p-Wert

n = Anzahl; Angaben in n = Anzahl und (%); Prozentangaben beziehen sich auf die jeweils nächst übergeordnete Kategorie

* Prozentzahl bezieht sich auf gesamte Altersgruppe; ** Prozentzahl bezieht sich auf Deszensusoperationen

TVT = Tension free vaginal tape; TVT-O = transobturatorisches TVT; LSK = laparoskopisch; p-Werte adjustiert mittels „fdr“.

statistische Testverfahren: c = χ2; p-Werte adjustiert mittels „fdr“.

alle Verfahren

n = 278

n = 129

Inkontinenzoperationen

86 (30,9)*

11 (8,5)*

< 0,001c

  • suburethrale Bänder

79 (91,9)

11 (100)

  • LSK Kolposuspension

7 (8,1)

0 (0,0)

Deszensusoperationen

167 (60,1)*

110 (85,3)*

< 0,001c

vaginale Netze

33 (19,8)

47 (42,7)

< 0,001c

  • vorderes Netz

17 (51,5)

23 (48,9)

  • hinteres Netz

6 (18,2)

5 (10,6)

  • totales Netz

10 (30,3)

19 (40,4)

LSK Sakropexie

67 (40,1)

27 (24,5)

0,016c

  • LSK Kolposakropexie

16 (23,9)

11 (40,7)

  • LSK Zervikosakropexie

43 (64,2)

13 (48,1)

  • LSK Hysterosakropexie

8 (11,9)

3 (11,1)

Korrektur durch Eigengewebe

67 (40,1)

36 (32,7)

0,354c

  • Kolporrhaphie

31 (46,3)

18 (49,9)

  • Amreich-R. ± Kolporrhaphie

14 (20,9)

13 (36,1)

  • McCall ± Kolporrhaphie

22 (32,8)

5 (13,9)

kombinierte Deszensus- und Inkontinenzoperationen

25 (9,0)*

8 (6,2)*

0,509c

  • LSK Sakropexie + Kolposuspension

4 (16,0)

3 (37,5)

  • Kolporrhaphie + suburethrales Band

9 (36,0)

5 (62,5)

  • McCall + Kolposuspension

3 (12,0)

0 (0,0)

  • LSK Lateral Repair + Kolposuspension

7 (28,0)

0 (0,0)

  • sonstige

2 (8,0)

0 (0,0)

begleitende Eingriffe

140 (50,4)

60 (46,5)

0,523c

Der Anteil der Patientinnen, die einen kombinierten Eingriff erhielten, betrug 9,0% der < 70-Jährigen und 6,2% der ≥ 70-Jährigen. Am häufigsten wurde in beiden Altersgruppen eine Kolporrhaphie mit einer Form des suburethralen Bandes kombiniert, gefolgt von der einzeitigen Durchführung einer laparoskopischen Sakropexie und der Kolposuspension nach Burch ([Tab. 4]).


Perioperative Daten

Die durchschnittliche Operationsdauer betrug bei den jüngeren Patientinnen 91,06 ± 65,57 Minuten und bei den älteren 96,64 ± 64,35 Minuten (p = 0,643). Im Vergleich zwischen beiden Altersgruppen betrug die Operationsdauer der Deszensusoperationen jeweils 109,32 ± 59,75 und 101,24 ± 60,93 Minuten (p = 0,643) und die der Inkontinenzoperationen 39,84 ± 35,09 und 33,09 ± 21,05 Minuten.

Der postoperative Hb-Abfall betrug in der jüngeren Gruppe 1,13 ± 0,77 g/dl und in der älteren 1,24 ± 0,89 g/dl (p = 0,343). Somit unterschieden sich weder die Operationsdauer noch der Hb-Abfall signifikant.

Im Gegensatz dazu war in beiden Altersgruppen die Länge des stationären Aufenthalts unterschiedlich. Der Median lag bei jüngeren Patientinnen bei 5 [3,50 – 7,00] Tagen und bei älteren Patientinnen bei 6 [2,25 – 8,75] Tagen (p < 0,001) ([Tab. 5]).

Tab. 5 Perioperative Patientendaten.

Altersgruppe

< 70 Jahre

≥ 70 Jahre

p-Wert

Parameter

[n]

[n]

[n] = Bezugsdatenzahl; min = Minuten; IK = Inkontinenz

Angaben in Mittelwert ± Standardabweichung, Median und [IQR]

t = t-Test; m = Mann-Whitney-U; p-Werte adjustiert mittels „fdr“

OP-Dauer (min)

  • alle OPs

91,06 ± 65,57

[278]

96,64 ± 64,35

[129]

0,643t

  • Deszensus-OPs

109,32 ± 59,75

[167]

101,24 ± 60,93

[110]

0,643t

  • IK-OPs

39,84 ± 35,09

[86]

33,09 ± 21,05

[11]

0,634t

  • Deszensus- und IK-OPs

140 [67,5 – 219,5]

[25]

60,50 [40,8 – 233,8]

[8]

0,643m

Hb-Abfall (g/dl)

1,13 ± 0,77

[247]

1,24 ± 0,89

[125]

0,343t

stat. Aufenthalt (d)

5 [3,5 – 7,0]

[278]

6 [2,3 – 8,8]

[129]

< 0,001m


Erfolg nach Deszensusoperationen

Der Erfolg nach einer Deszensusoperation war in dieser Studie als POP-Q ≤ I definiert. Zur Auswertung wurden nur die Fälle herangezogen, in denen der prä- und postoperative Befund nach POP-Q erhoben wurde. Dies war bei 77 Patientinnen der jüngeren und 46 der älteren Gruppe der Fall. Hierbei betrug die Erfolgsquote 93,5% bei < 70-jährigen und 84,8% bei ≥ 70-jährigen Patientinnen (p = 0,204). Auch konnte bei getrennter Beurteilung von alleinigen Deszensusoperationen und solchen, die in Kombination mit einer Inkontinenzoperation erfolgten, kein signifikanter Unterschied zwischen beiden Altersgruppen festgestellt werden. Die Erfolgsrate betrug bei jüngeren vs. älteren Patientinnen nach alleiniger Deszensusoperation jeweils 93,8 und 84,1% (p = 0,204) und nach einem kombinierten Eingriff jeweils 92,3 und 100% (p = 1).


Erfolg nach Inkontinenzoperationen

Die Erfolgsquote nach einer Inkontinenzoperation, definiert als komplette Behebung der Inkontinenz und Herstellung der restharnfreien Miktion (Restharn < 50 ml), betrug 92,8% bei < 70-jährigen und 84,2% bei ≥ 70-jährigen Patientinnen (p = 0,261). Die Beurteilung erfolgte im Rahmen der Entlassungsuntersuchung durch einen Hustentest bei physiologischer Blasenfüllung und einer sonografischen Messung des Restharns nach Miktion. Die geichen Untersuchungen wurden im Rahmen der Follow-up-Untersuchung wiederholt. Bei getrennter Beurteilung von alleinigen Inkontinenzoperationen und solchen, die in Kombination mit einer Deszensusoperation erfolgten, konnte kein signifikanter Unterschied zwischen beiden Altersgruppen festgestellt werden. So lagen die Erfolgsraten von jüngeren vs. älteren Patientinnen nach einer alleinigen Inkontinenzoperation bei jeweils 94,2 und 100% (p = 1) und nach einem kombinierten Eingriff bei jeweils 88 und 62,5% (p = 0,204).


Harnkontinenz nach alleiniger Deszensusoperation

Zur Beurteilung der Blasenfunktion nach Deszensusoperationen wurden die Daten aller 167 Patientinnen < 70 Jahren und 110 Patientinnen ≥ 70 Jahren, welche eine alleinige Deszensusoperation erhalten hatten, analysiert. Hierbei ergab sich eine präexistente Belastungsinkontinenz bei 27,5% der jüngeren und 27,3% der älteren Patientinnen. Nach Durchführung der Deszensusoperation war die präexistente Belastungsinkontinenz bei 80,4% der jüngeren und 50% der älteren Gruppe behoben (p = 0,030). Umgekehrt formuliert betrug die Persistenz der Belastungsinkontinenz 19,6% in der jüngeren und 50% in der älteren Patientengruppe ([Tab. 6]).

Tab. 6 Postoperatives Outcome.

Altersgruppe

< 70 Jahre

≥ 70 Jahre

p-Wert

Parameter

[n]

[n]

[n] = Bezugsdatenzahl; POP = Pelvic Organ Prolapse (Deszensus); IK = Inkontinenz; SIK = Stress-Harninkontinenz

Angaben in Anzahl (%)

Erfolg wurde definiert: nach POP-OP entspr. POP-Q ≤I bzw. Baden Walker ≤ Grad 1; Erfolg nach SIK-OP Herstellung der Kontinenz.

c = χ2; f = exakter Test nach Fisher; p-Werte adjustiert mittels „fdr“.

Erfolg nach IK-OPs

103 (92,8)

[111]

16 (84,2)

[19]

0,261f

  • IK-OP

81 (94,2)

[86]

11 (100)

[11]

1f

  • simultane POP/IK-OP

22 (88,0)

[25]

5 (62,5)

[8]

0,204f

Erfolg nach POP-OPs

72 (93,5)

[77]

39 (84,8)

[46]

0,204c

  • POP-OP

60 (93,8)

[64]

37 (84,1)

[44]

0,204f

  • simultane POP/IK-OP

12 (92,3)

[13]

2 (100)

[2]

1f

Entwicklung der SIK nach POP-OP

[167]

[110]

  • vorbestehende SIK behoben

37 (80,4)

[46]

15 (50)

[30]

0,030c

  • vorbestehende SIK persistiert

9 (19,6)

[46]

15 (50)

[30]

0,030c

  • De-novo-SIK

9 (7,4)

[121]

16 (20)

[80]

0,030c

Auch das Auftreten einer larvierten (De-novo-)Belastungsinkontinenz war deutlich häufiger bei älteren als bei jüngeren Patientinnen vorzufinden (7,4 vs. 20%, p = 0,030) ([Tab. 6]).



Diskussion

In der vorliegenden Arbeit wurde der Einfluss des Patientenalters auf das Outcome vaginaler und laparoskopischer Eingriffe in der Urogynäkologie untersucht. Dabei wurde die Tatsache näher beleuchtet, dass urogynäkologische Operationen älteren Frauen grundsätzlich häufiger vorenthalten wurden und werden. Ferner wurde der Einfluss einer Deszensusoperation auf die Blasenfunktion untersucht und zwischen jüngeren und älteren Patientinnen verglichen.

Hierbei zeigt sich im Rahmen dieser Untersuchungen, dass die in der Vergangenheit oft praktizierte Zurückhaltung bei der Indikationsstellung solcher Operationen bei den älteren Patientinnen zu überdenken ist, da diese offensichtlich ebenso wie die jüngeren Frauen sehr profitieren können. Darüber hinaus weisen ferner die im Rahmen dieser Studie an einer großen Patientenzahl gewonnen Ergebnisse darauf hin, dass die Separation von Deszensus- und Inkontinenzchirurgie im Sinne eines zweizeitigen Vorgehens grundsätzlich sinnvoll bleibt – ein einzeitiges Konzept erscheint allenfalls bei der älteren Patientin eine alternative Therapieoption zu sein.

Die Wahl der Altersgrenze von 70 Jahren zur Unterteilung von jüngeren und älteren Patientinnen basiert auf der in Deutschland gültigen Definition von geriatrischen Patienten, welche zusätzlich zum Vorliegen weiterer Kriterien zur Unterscheidung eine Altersgrenze von 70 Jahren vorsieht [13].

Die Besonderheit der hier vorgelegten Daten besteht in dem außerordentlich hohen Anteil älterer Patientinnen im Studienkollektiv. Im Gegensatz zu den meisten anderen Arbeiten [14], [15] zu dieser Thematik beträgt der Anteil der ≥ 70-Jährigen in dieser Arbeit 31,7%. Da diesen älteren Patientinnen trotz eines häufig reduzierten Allgemeinzustandes das gleiche Therapiespektrum angeboten wurde wie den jüngeren, kann mit diesen Daten eine besonders valide Aussage zur älteren Patientengruppe getroffen werden. Das Spektrum der prätherapeutisch vorliegenden Komorbiditäten entspricht dabei sowohl bezüglich der ASA-Einteilung als auch im Hinblick auf den präoperativen Lokalbefund dem anderer Arbeiten, d. h. im Untersuchungskollektiv wurden ältere Patientinnen häufiger als ASA III klassifiziert und wiesen einen signifikant stärker ausgeprägten Deszensus im vorderen und mittleren Kompartiment auf als jüngere [15], [16], [17], [18], [19].

Mit Blick auf die angewandten OP-Verfahren wurde auch bei älteren Patientinnen mit Deszensus ein rekonstruktives (Kohabitation erhaltendes) Verfahren sowohl bei einem Primär- als auch bei einem Rezidivdeszensus durchgeführt. Dies bedeutet, dass im Gegensatz zu anderen Arbeiten [15], [19] zugunsten einer funktionellen Rekonstruktion grundsätzlich auf ein obliteratives Vorgehen im Sinne einer Kolpokleisis verzichtet wurde. Allerdings erfolgte bei der Wahl des netzgestützten rekonstruktiven Verfahrens bei den älteren Patientinnen häufiger die Einlage eines vaginalen Netzes und bei den jüngeren die laparoskopische Sakropexie. Grund dafür war, dass bei stärker ausgeprägten Formen des Deszensus und bei Rezidiven, was in der Gruppe der ≥ 70-Jährigen häufiger vorkommt, eher die Indikation zum Einsatz von vaginalen Netzinterponaten besteht. Darüber hinaus kann eine vaginale Netzeinlage in Spinalanästhesie erfolgen und somit eine Vollnarkose bei sehr betagten Patientinnen umgangen werden ([Tab. 3] und [4]).

Das am meisten angewandte Verfahren zur Therapie der Belastungsinkontinenz war für alle Patientinnen das suburethrale Band. Die Indikation für ein retropubisches, transobturatorisches oder adjustierbares Band war dabei alleine von den klinischen Kriterien, nicht vom Alter abhängig. Aufgrund der deutlich höheren OP-Zeit und der Notwendigkeit einer Vollnarkose wurde jedoch die laparoskopische Kolposuspension nur jüngeren Patientinnen angeboten ([Tab. 4]).

Unabhängig von der Altersgruppe zeigt die Auswertung der perioperativen Daten, dass sich wie erwartet weder die Operationsdauer noch der postoperative Hb-Abfall in beiden Gruppen unterscheidet. Dies wird auch von anderen Autoren in dieser Weise bestätigt [16], [18], [19], [20].

Allerdings war der stationäre Aufenthalt bei den älteren länger als bei den jüngeren Patientinnen. Dies war jedoch meist nicht medizinisch bzw. operationsbedingt begründet, sondern lässt sich durch die logistische Situation im familiären Umfeld begründen. Aufgrund der unterschiedlichen Komorbiditäten und Altersdefinitionen in den publizierten Daten ist die Literatur hierzu etwas heterogen. So berichteten einige Autoren ebenfalls von längeren Aufenthalten bei älteren Patientinnen [14], [19], [21], andere nicht [18].

Der Kern dieser Arbeit betrifft jedoch das postoperative Outcome. So konnte gezeigt werden, dass den ≥ 70-jährigen Patientinnen in spezialisierten urogynäkologischen Kliniken mit hoher Expertise die gleichen operativen Verfahren angeboten werden können wie den jüngeren und eine ähnliche Erfolgsrate zumindest kurz- und mittelfristig zu erwarten ist. Trotz insgesamt stärker ausgeprägter präoperativer Senkungszustände bei ≥ 70-Jährigen wurde ein vergleichbar gutes postoperatives Ergebnis wie bei jüngeren Patientinnen erreicht. Andere Autoren kamen dabei teilweise zu einem ähnlichen Ergebnis, jedoch bei deutlich geringen Patientenzahlen. Beispielsweise war die Erfolgsrate nach Deszensusoperationen in einer Arbeit mit 84,4% ähnlich hoch wie in dieser Studie bei gleicher Definition des Erfolgs als POP-Q-Stage ≤ Stage I, oder etwas höher mit 93% bei einer weniger strikten Definition des Erfolgs als POP-Q-Stage ≤ Stage II [20], [22], [23].

Weitere aktuelle Arbeiten zum Outcome und zur Patientensicherheit nach Deszensus- und Inkontinenzoperationen konnten analog zu unserer Arbeit zeigen, dass ein vergleichbar gutes Ergebnis bei sehr betagten Patientinnen erzielt werden kann wie bei jüngeren Patientinnen. Von besonderer Bedeutung dabei sind die Arbeiten, welche eine sehr hohe Altersgrenze von 80 Jahren für den Vergleich gewählt haben [24], [25].

Für die Inkontinenzoperationen wurden ähnliche Ergebnisse beobachtet; trotz strenger Definition des Erfolgs als komplette Wiederherstellung der Harnkontinenz und der restharnfreien Miktion zeigte sich eine gute Erfolgsrate in beiden Gruppen ohne einen statistisch signifikanten Unterschied in Abhängigkeit vom Alter. Unter Berücksichtigung anderer Arbeiten deutet dies ganz klar darauf hin, die vielerorts praktizierte klinische Praxis zu überdenken und den älteren Patientinnen eine adäquate Operation nicht vorzuenthalten [11], [26].

Grundsätzlich ist in der Literatur unklar, ob bei bestehendem Deszensus mit begleitender Inkontinenz die regelrechte Blasenfunktion eher durch ein einzeitiges oder durch ein zweizeitiges operatives Konzept wiederhergestellt werden kann. Deshalb scheint keine der beiden Vorgehensweisen grundsätzlich immer und für alle Patienten der richtige Weg zu sein. Klar erscheint aufgrund dieser Daten jedoch, dass das Patientenalter die Blasenfunktion nach Deszensusoperationen in direkter Weise beeinflusst. Die in der Diskussion der Thematik häufig angeführte schlechtere Rate an Inkontinenz nach der Prolaps-Chirurgie könnte natürlich grundsätzlich auch durch die höhere Rate an Rezidiveingriffen in der Gruppe der Älteren bedingt sein.

Bei differenzierterer Herangehensweise müssen die Ergebnisse für die präexisistente und die De-novo-Belastungsinkontinenz separat betrachtet werden.

Hinsichtlich präexistenter Belastungsinkontinenz zeigen die vorliegenden Daten, dass die Inkontinenz in einem Großteil der Fälle bei jüngeren und immerhin in der Hälfte der Fälle bei älteren Patientinnen allein durch Behandlung des Deszensus sistierte. Daher sollte ein kombinierter Eingriff wohl überlegt sein.

Dwyer (2012) zufolge müssten 10 Frauen zeitgleich zur Deszensus-OP ein TVT bekommen, um nur eine Patientin davor zu bewahren, 2 – 4 Jahre nach der Deszensus-OP einen Folgeeingriff hierfür zu benötigen [27].

Ebenso trat eine De-novo-Belastungsinkontinenz deutlich häufiger bei den älteren Patientinnen auf. Auf ein ähnliches Ergebnis weisen die Daten von Lo et al (2015) hin: Im Alter > 66 Jahren hatten die Frauen ein 2,86-faches Risiko einer De-novo-Belastungsinkontinenz nach Deszensusoperation im Vergleich zu jüngeren [28].

Ein gewisser Bias in der Beurteilung der Daten sei eingeräumt, da es sich bei den durchgeführten Eingriffen natürlich grundsätzlich um elektive Operationen handelt. Es ist daher anzunehmen, dass bei den älteren Patientinnen im Studienkollektiv eine positive Selektion bezüglich des Allgemeinzustandes vorlag, da schwerstkranke Menschen in der Regel nicht in der urogynäkologischen Sprechstunde vorstellig werden. Dennoch zeigen unsere Ergebnisse klar, dass der postoperative Erfolg auch bei den Älteren bestehen kann. Sofern es der Allgemeinzustand erlaubt, sollten Patientinnen also nicht aufgrund des höheren Alters alleine von den Operationen ausgeschlossen werden. Auch sollte diesen Patientinnen im Falle eines Deszensus nicht automatisch ein obliterativer Eingriff angeboten werden.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die hier vorgestellten Daten einen wichtigen Beitrag zur Beantwortung der Frage des Outcomes urogynäkologischer Eingriffe bei hochbetagten Patientinnen leisten. Perspektivisch wird diese Auswertung prospektiv bestätigt werden müssen. Bis zum Vorliegen dieser Ergebnisse gibt es jedoch aufgrund unserer Daten gute Argumente dafür, dass sowohl der Deszensus als auch die Belastungsinkontinenz bei ≥ 70-Jährigen mit guten Ergebnissen operativ versorgt werden können und dass diesen Patientinnen das gleiche operative Spektrum angeboten werden sollte wie den jüngeren. Grundsätzlich kann ein kombiniertes operatives Vorgehen nicht pauschal empfohlen werden, sollte jedoch für die älteren Patientinnen im Einzelfall in Betracht gezogen werden.



Conflict of Interest/Interessenkonflikt

The authors declare that they have no conflict of interest./Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.


Correspondence/Korrespondenzadresse

Dr. Ralf Joukhadar
Department of Obstetrics and Gynecology
University of Würzburg
Josef-Schneider-Straße 4
97080 Würzburg
Germany