CC BY-NC-ND 4.0 · Geburtshilfe Frauenheilkd 2019; 79(11): 1191-1198
DOI: 10.1055/a-0880-6182
GebFra Science
Original Article/Originalarbeit
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Einfluss einer fetalen Makrosomie auf den neonatalen und maternalen Geburtsausgang

Article in several languages: English | deutsch
Tamara Margit Jutta Pahlitzsch
Klinik für Geburtsmedizin, Charité Universitätsmedizin Berlin, Berlin, Germany
,
Laura Hanne
Klinik für Geburtsmedizin, Charité Universitätsmedizin Berlin, Berlin, Germany
,
Wolfgang Henrich
Klinik für Geburtsmedizin, Charité Universitätsmedizin Berlin, Berlin, Germany
,
Alexander Weichert
Klinik für Geburtsmedizin, Charité Universitätsmedizin Berlin, Berlin, Germany
› Author Affiliations
Further Information

Correspondence/Korrespondenzadresse

Dr. Tamara Margit Jutta Pahlitzsch, MD
Klinik für Geburtsmedizin
Charité-Universitätsmedizin Berlin
Augustenburger Platz 1
13353 Berlin
Germany   

Publication History

received 29 November 2018
revised 18 February 2019

accepted 20 March 2019

Publication Date:
11 November 2019 (online)

 

Zusammenfassung

Einleitung Eine fetale Makrosomie ist mit einer Vielzahl geburtshilflicher Komplikationen assoziiert und ein häufiger Grund für Einleitungen und primäre oder sekundäre Sectiones. Ziel dieser Studie ist die Generierung deskriptiver Daten zum Geburtsmodus und zu maternalen und fetalen Komplikationen bei fetaler Makrosomie. Ursachen und Folgen einer fetalen Makrosomie sowie die Rate an Schulterdystokien werden in Abhängigkeit von der Ausprägung der Makrosomie untersucht.

Patientinnen Ausgewertet wurden alle Einlingsgeburten ≥ 37 + 0 Schwangerschaftswochen mit einem Geburtsgewicht ≥ 4000 g in der Charité Universitätsmedizin Berlin (Campus Mitte 2001 – 2017, Campus Virchow Klinikum 2014 – 2017).

Ergebnisse Eingeschlossen wurden 2277 konsekutive Neugeborene (Geburtsgewicht 4000 – 4499 g [88%], 4500 – 4999 g [11%], ≥ 5000 g [1%]). Maternale Adipositas und ein Gestationsdiabetes waren bei Neugeborenen ≥ 4500 g häufiger als bei 4000 – 4499 g (p = 0,001 bzw. p < 0,001). Frauen mit Neugeborenen ≥ 5000 g waren häufiger ≥ 40 Jahre (p = 0,020) und Multipara (p = 0,025). Der Geburtsmodus war in 60% der Fälle spontan, in 9% vaginal-operativ, in 14% per primärer und in 17% per sekundärer Sectio. Bei einem Geburtsgewicht ≥ 4500 g war eine vaginale Geburt seltener (p < 0,001) und die Rate sekundärer Sectiones erhöht (p = 0,011). Frauen mit Neugeborenen ≥ 4500 g erlitten häufiger einen erhöhten Blutverlust (p = 0,029). Es bestand kein signifikanter Unterschied hinsichtlich der Rate an Episiotomien oder höhergradigen Geburtsverletzungen. Schulterdystokien traten vermehrt bei einem Geburtsgewicht ≥ 4500 g auf (5 vs. 0,9%, p = 0,000). Bei 2% der Neugeborenen trat eine perinatale Azidose auf ohne signifikante Unterschiede zwischen den Gruppen. Neugeborene ≥ 4500 g wurden häufiger in die Neonatologie verlegt (p < 0,001).

Schlussfolgerung Ein zunehmendes Geburtsgewicht ist mit einem erhöhten maternalen Risiko und einer erhöhten Rate an primären und sekundären Sectiones sowie Schulterdystokien verbunden, ohne dass sich Unterschiede im perinatalen Ausgang zwischen Neugeborenen mit einem Geburtsgewicht von 4000 – 4499 g und ≥ 4500 g zeigen. In unserem Kollektiv zeigte sich eine vergleichsweise niedrige Inzidenz an Schulterdystokien. In der Literatur ist die Häufigkeit mit einer großen Spannbreite angegeben (1,9 – 10% bei 4000 – 4499 g, 2,5 – 20% bei 4500 – 5000 g und 10 – 20% bei ≥ 5000 g). Eine mögliche Ursache für die niedrige Rate könnte die ebenfalls geringe Prävalenz von Gestationsdiabetes in unserem Kollektiv sein. Eine Risikostratifizierung der Schwangeren (z. B. Vermeidung einer Vakuumextraktion, Berücksichtigung eines Gestationsdiabetes bei der Geburtsplanung) ist entscheidend. Bei vermuteter Makrosomie resultiert aus der erhöhten Inzidenz von fetalen und maternalen Komplikationen die Empfehlung zur Geburt in einem Perinatalzentrum unter Anwesenheit eines Facharztes.


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Einleitung

Der Begriff fetale Makrosomie bezeichnet ein übermäßiges intrauterines Wachstum, welches zu einem erhöhten Geburtsgewicht führt. Die genaue Definition ist uneinheitlich. In den meisten Untersuchungen wird die Grenze bei einem Geburtsgewicht ≥ 4000 g gesetzt, teilweise aber auch erst bei einem Gewicht von ≥ 4500 g [1], [2], [3], [4], [5]. Alternativ kann ein übermäßiges intrauterines Wachstum durch ein Wachstum oberhalb der 90. Perzentile definiert werden (large for gestational age) [1].

2016 wogen laut IQTIG – Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen in Deutschland 8,9% aller Neugeborenen 4000 – 4499 g, 1,2% ≥ 4500 g [6]. Es zeigte sich in Deutschland bei der Analyse der Deutschen Perinatalerhebungsdaten 2007 – 2011 keine Zunahme des Geburtsgewichts im Vergleich zu den Jahren 1995 – 1997 [7].

Relevante Risikofaktoren einer Makrosomie sind die vorherige Geburt eines makrosomen Kindes, ein Gestationsdiabetes, insbesondere bei unzureichender Einstellung des Blutzuckerwerts, maternale Adipositas, eine hohe Gewichtszunahme in der Schwangerschaft, ein männliches Geschlecht des Feten, eine Terminüberschreitung ≥ 41 + 0 Schwangerschaftswochen sowie eine Multiparität [3], [4], [8], [9].

Bei fetaler Makrosomie sind eine Zunahme geburtshilflicher Komplikationen sowie eine Erhöhung der maternalen und fetalen Morbidität und Mortalität in der Literatur beschrieben. Eine bedeutende Komplikation, die mit zunehmendem Geburtsgewicht steigt, ist die Schulterdystokie. Neben einer fetalen Asphyxie können eine Lähmung des Plexus brachialis und eine Humerusfraktur als Folge auftreten [10].

Zu den weiteren möglichen Komplikationen zählen eine verstärkte postpartale Blutung und höhergradige Geburtsverletzungen [8], [11]. Eine fetale Makrosomie scheint auch die Rate an Geburtsstillständen und Kaiserschnitten zu erhöhen [2]. Zudem wird ein Zusammenhang zwischen einer fetalen Makrosomie und einem niedrigeren 5-Minuten-Apgar-Wert, einer postnatalen Hypoglykämie und einer fetalen Asphyxie vermutet [2], [3], [8], [12].

Die Verdachtsdiagnose einer Makrosomie führt häufig sowohl bei den Eltern als auch bei den behandelnden Geburtsmedizinern zur Verunsicherung hinsichtlich möglicher Komplikationen und des geeigneten Geburtsmodus. Dabei ist die hohe Ungenauigkeit der sonografischen Gewichtsschätzung am Termin besonders bei makrosomen Feten zu bedenken [5]. So zeigten Chauhan et al. in einem Review, dass die Wahrscheinlichkeit, eine Makrosomie zu diagnostizieren, zwischen 15 und  79% lag. Besonders unzuverlässig war die sonografische Gewichtsschätzung eines Geburtsgewichts ≥ 4500 g [13]. Medizinische Interventionen wie Geburtseinleitungen oder präventive Kaiserschnitte zur Verringerung der Risiken werden kontrovers diskutiert.

Das Risiko für Komplikationen steigt mit zunehmendem Grad der Makrosomie. Eine US-amerikanische Kohortenstudie von Boulet et al. zeigte, dass ab einem Gewicht ≥ 4000 g vermehrt Geburtskomplikationen auftreten, die neonatale Morbidität aber erst ab einem Gewicht von ≥ 4500 g signifikant steigt. Bei einem Gewicht ≥ 5000 g stieg die neonatale Mortalität [3]. Auch Zhang et al. beobachteten eine Zunahme der neonatalen Morbidität erst bei einem Gewicht ≥ 4500 g [2].

Diese Ergebnisse verdeutlichen die Herausforderung, werdende Eltern in Abhängigkeit des sonografischen Schätzgewichtes zu beraten, um unnötige Interventionen und eine Verunsicherung zu vermeiden. Ferner ist zu klären, welche weiteren Faktoren bei der Geburtsplanung berücksichtigt werden sollten und inwieweit man sich auf das sonografische Schätzgewicht verlassen kann.

Ziel dieser Studie ist die Generierung von deskriptiven Daten zum Geburtsmodus sowie maternaler und fetaler Komplikationen bei fetaler Makrosomie. Diese können für eine evidenzbasierte Schwangerenaufklärung und gemeinsame Entscheidungsfindung bezüglich des Geburtsmodus bei vermuteter fetaler Makrosomie genutzt werden. Sekundär sollen Ursachen und Folgen einer fetalen Makrosomie in Abhängigkeit von ihrer Ausprägung für einen adversen mütterlichen oder kindlichen Ausgang sowie die Untersuchung der Rate an Schulterdystokien in den verschiedenen Gewichtsgruppen untersucht werden.


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Methodik

Patientinnen

Ausgewertet wurden alle Einlingslebendgeburten ≥ 37 + 0 Schwangerschaftswochen mit einem Geburtsgewicht ≥ 4000 g in der Charité Universitätsmedizin Berlin. Daten wurden aus der ViewPoint Datenbank (GE Healthcare, Solingen, Deutschland) extrahiert und waren für den Campus Charité Mitte für den Zeitraum 2001 – 2017 und für den Campus Virchow Klinikum für den Zeitraum 2014 – 2017 verfügbar. Untersucht wurden Variablen, die in der Literatur als Einflussfaktoren für eine Makrosomie beschrieben wurden, sowie Ausgangsvariablen, die durch eine Makrosomie potenziell beeinflusst werden. Eine perinatale Azidose wurde definiert als ein Nabelschnurarterien-pH (NA-pH) < 7,10. Ein adverser perinataler Ausgang wurde anhand der Kriterien für die postnatale Kühlung definiert als ein NA-pH < 7,0, ein Nabelschnurarterien-Base-Excess (NA-BE) < − 16 mmol/l oder ein 10-Minuten-Apgar-Wert < 5 [14]. Ein adverser maternaler Ausgang wurde definiert als hochgradige Geburtsverletzung (Dammriss III° oder IV°), Notwendigkeit einer Episiotomie oder postpartale Blutung ≥ 500 ml [15].


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Statistik

Alle Daten wurden auf Normalverteilung getestet (− 1 < Schiefe > 1). Für normalverteilte Variablen wurden Mittelwerte ± Standardabweichungen, für nicht normalverteilte Variablen Mediane ± Interquartilenabstände und für kategorielle Variablen Häufigkeiten bestimmt. Neugeborene wurden für die Subgruppenanalysen entsprechend ihres Geburtsgewichts in 3 (4000 – 4499 g vs. 4500 – 4999 g vs. ≥ 5000 g) bzw. 2 (< 4500 g vs. ≥ 4500 g; < 5000 g vs. ≥ 5000 g) Subgruppen aufgeteilt. Unterschiede in Risikofaktoren für fetale Makrosomie, Geburtsmodus und im maternalen und fetalen Ausgang zwischen den Subgruppen wurden in deskriptiven Analysen mithilfe von Studentʼs t-Tests für kontinuierliche Variablen und χ2-Tests bzw. Fisherʼs Exact Tests für kategorielle Variablen auf Signifikanz untersucht. P-Werte für alle Variablen wurden 2-seitig getestet und statistische Signifikanz wurde als p ≤ 0,05 festgelegt. Fälle mit fehlenden Daten wurden für die Analyse der betroffenen Variablen ausgeschlossen.

Alle Analysen wurden mit IBM SPSS Statistics 25.0 (IBM, Armonk, New York, USA) durchgeführt.


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Ergebnisse

Von 2277 eingeschlossenen Frauen mit makrosomen Kindern hatten die Kinder von 2005 (88%) Frauen ein Geburtsgewicht zwischen 4000 – 4499 g, 249 (11%) von 4500 – 4999 g und 23 (1%) von ≥ 5000 g ([Tab. 1]). Frauen mit makrosomen Kindern ab 4500 g unterschieden sich von Frauen mit Kindern zwischen 4000 – 4499 g signifikant durch eine erhöhte Inzidenz von Adipositas (26 vs. 17%, p = 0,001) und Diabetes in der Schwangerschaft (9 vs. 4%, p < 0,001). Frauen mit makrosomen Kindern ≥ 5000 g waren häufiger ≥ 40 Jahre (22 vs. 7%, p = 0,020) und häufiger Multipara (17 vs. 5%, p = 0,025) ([Tab. 1]).

Tab. 1 Demografische Eigenschaften der Studienkohorte unterteilt nach Geburtsgewicht.

Variable

4 000 – 4 499 g

4 500 – 4 999 g

≥ 5 000 g

alle

p

2 005 (88%)

249 (11%)

23 (1%)

2277

(*n):  Anzahl fehlender Daten für die Variable

**  Fisherʼs Exact Test (statt χ2-Test, wenn erwartetes n einer Gruppe < 5)

***  p-Wert bezieht sich auf den Mann-Whitney-U-Test < 4 500 g vs. ≥ 4 500 g.

Alter ≥ 40 Jahre

138 (7%)

18 (7%)

5 (22%)

161 (7%)

156 (7%)

5 (22%)

0,020**

Schwangerschaftswoche

40,2 (± 1,0)

40,1 (± 1,1)

40,2 (± 1,0)

0,307

Diabetes

74 (4%)

19 (8%)

6 (26%)

99 (4%)

0,000

25 (9%)

0,000

  • dGDM

42 (2%)

6 (2%)

4 (17%)

52 (2%)

0,000

  • iGDM

24 (1%)

10 (4%)

1 (4%)

35 (2%)

  • DMT1

5 (0.2%)

1 (0.4%)

0

6 (0.3%)

  • DMT2

3 (0.1%)

2 (0.8%)

1 (4%)

6 (0.3%)

Gewicht vor Schwangerschaft ≤ 80 kg

476 (24%)

77 (32%)

9 (39%)

562 (25%)

0,013

86 (32%)

0,005

Adipositas (BMI ≥ 30 vor Schwangerschaft) (*116)

331 (17%)

59 (25%)

8 (35%)

398 (18%)

67 (26%)

0,001

Gewichtszunahme in der Schwangerschaft (kg) (*253)

16 (IQR 12 – 20)

17 (IQR 13 – 21)

16 (IQR 12 – 21)

16 (IQR 12 – 20)

0,103***

Geschlecht, männlich (*1)

1 282 (64%)

168 (68%)

15 (65%)

1 465 (64%)

0,552

183 (67%)

0,285

Multipara (*4)

98 (5%)

16 (6%)

114 (5%)

0,475

110 (5%)

4 (17%)

0,025**

Unipara (*4)

798 (40%)

86 (35%)

8 (35%)

888 (39%)

0,289

Terminüberschreitung

  • ≤ 40 + 0

781 (39%)

101 (41%)

13 (57%)

895 (39%)

  • 40 + 1 – 41 + 6

1 196 (60%)

145 (58%)

10 (44%)

1 351 (59%)

  • ≥ 42 + 0

28 (1%)

3 (1%)

0

31 (1%)

nur Geburtsmodus spontan, vaginal-operativ oder sek. Sectio

1 737 (89%)

197 (10%)

16 (1%)

1950

Einleitung (*15)

658 (38%)

84 (44%)

5 (31%)

747 (39%)

89 (43%)

0,170

Einleitungsmethode (*3)

  • Minprostin Vaginalgel

198 (30%)

28 (32%)

226 (30%)

  • Misoprostol oral

321 (49%)

45 (51%)

366 (49%)

  • Oxytocindauerinfusion

126 (19%)

13 (15%)

139 (19%)

  • Amniotomie

5 (1%)

3 (3%)

8 (1%)

  • sonstiges

5 (1%)

0

5 (1%)

Geburtsmodus

Der Geburtsmodus war bei 1371 (60%) aller Gebärenden spontan, bei 194 (9%) vaginal-operativ, bei 326 (14%) per primärer Sectio und bei 385 (17%) per sekundärer Sectio ([Tab. 2] [15]). Kinder mit einem Geburtsgewicht von 4000 bis  4500 g wurden signifikant häufiger vaginal (spontan oder vaginal-operativ) geboren, wobei die Rate an vaginal-operativen Entbindungen bei Kindern ≥ 4500 g nicht signifikant erhöht war. Die Rate von Einleitungen und die Einleitungsmethode unterschieden sich nicht signifikant zwischen Kindern mit einem Geburtsgewicht über oder unter 4500 g. Unter Ausschluss der primären Sectiones war die Rate an sekundären Sectiones bei Kindern mit einem Gewicht ≥ 4500 g gegenüber denen zwischen 4000 und 4500 g signifikant erhöht ([Abb. 1]). Die Rate an Notsectiones war nicht signifikant erhöht ([Tab. 2]). Die Hälfte (n = 11) der Neugeborenen mit einem Geburtsgewicht ≥ 5000 g wurden spontan geboren.

Tab. 2 Maternaler Ausgang unterteilt nach Geburtsgewicht.

Variable

4 000 – 4 499 g

4 500 – 4 999 g

≥ 5 000 g

alle

p

(*n):  Anzahl fehlender Daten für die Variable

**  Fisherʼs Exact Test (statt χ2-Test, wenn erwartetes n einer Gruppe < 5)

***  DR III/IV, Blutung > 500 ml, Hysterektomie [15]

****  p-Wert bezieht sich auf den χ2-Test < 4 500 g vs. ≥ 4 500 g.

alle Geburtsmodi

2 005 (88%)

249 (11%)

23 (1%)

2277

Geburtsmodus (*1)

0,000****

  • spontan

1 229 (61%)

131 (53%)

11 (50%)

1 371 (60%)

  • vaginal-operativ

179 (9%)

15 (6%)

0 (0%)

194 (9%)

  • prim. Sectio

268 (13%)

52 (21%)

6 (27%)

326 (14%)

  • sek. Sectio

329 (16%)

51 (20%)

5 (23%)

385 (17%)

Geburtsmodus, vaginal (*1)

1 408 (70%)

146 (59%)

11 (50%)

1 565 (69%)

0,000

Blutungen (*95)

0,001

  • < 500 ml

1 157 (60%)

118 (48%)

1 275 (58%)

  • 500 – 999 ml

666 (34%)

108 (44%)

774 (35%)

  • ≥ 1000 ml

112 (6%)

21 (9%)

133 (6%)

adverser maternaler Outcome*** (*166)

799 (42%)

81 (44%)

15 (71%)

895 (42%)

0,023

nur Geburtsmodus spontan oder vaginal-operativ

1 408 (90%)

146 (9%)

11 (1%)

1 565

Geburtsverletzung (*12)

  • keine

685 (49%)

71 (50%)

5 (46%)

761 (49%)

  • DR I°/DR II°

450 (32%)

45 (32%)

5 (46%)

500 (32%)

  • DR III°/DR IV°

31 (2%)

2 (1%)

0

33 (2%)

  • Zervixriss

9 (1%)

2 (1%)

0

11 (1%)

  • sonstige

226 (16%)

21 (15%)

1 (9%)

248 (16%)

Geburtsverletzung, schwer (*12)

40 (3%)

4 (3%)

44 (3%)

1,000**

Episiotomie (*9)

326 (23%)

38 (25%)

364 (23%)

0,692

BV ≥ 500 ml (*58)

190 (14%)

26 (19%)

4 (36%)

220 (15%)

30 (21%)

0,029

adverser maternaler Ausgang*** (*58) [15]

256 (19%)

35 (24%)

291 (19%)

0,121

286 (19%)

5 (46%)

0,043

vaginal-operative Entbindung

178 (13%)

15 (10%)

193 (12%)

0,264

nur Geburtsmodus spontan, vaginal-operativ oder sek. Sectio

1 737 (89%)

197 (10%)

16 (1%)

1 950

sek. Sectio

329 (19%)

51 (26%)

5 (31%)

385 (20%)

56 (26%)

0,011

Notsectio

22 (1%)

3 (2%)

0

25 (1%)

0,749****

Einleitung medikamentös (*15)

657 (38%)

89 (43%)

746 (39%)

0,165

Zoom Image
Abb. 1 Darstellung des Geburtsmodus in den Gewichtsklassen 4000 – 4499 g, 4500 – 4999 g und ≥ 5000 g. Bei zunehmendem Geburtsgewicht wurden häufiger primäre und sekundäre Sectiones durchgeführt.

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Neonataler Ausgang

Von den makrosomen Kindern hatten 57 (2%) eine perinatale Azidose, wobei kein signifikanter Unterschied zwischen Kindern < 4500 g und ≥ 4500 g bestand ([Abb. 2]). Sieben Kinder hatten einen 10-Minuten-Apgar < 5, alle aus der Gruppe der Kinder mit einem Gewicht von 4000 bis 4500 g. Kinder mit einem Geburtsgewicht ≥ 4500 g wurden signifikant häufiger postnatal auf eine neonatologische Station verlegt ([Tab. 3] [14]). Schulterdystokien traten bei vaginaler Geburt insgesamt selten auf (1%) und waren vermehrt bei einem Geburtsgewicht ≥ 4500 g zu verzeichnen. Die Rate an Schulterdystokien unterschied sich nicht signifikant zwischen Frauen, die eine Einleitung bzw. keine Einleitung erhalten hatten (n = 6 [1,1%] vs. n = 14 [1,4%], p = 0,599). Bei 2 von 11 vaginalen Geburten > 5000 g kam es zur Schulterdystokie ([Tab. 3]). Es gab 3 Fälle einer Plexusparese und eine Humerusfraktur bei einer Gesamtzahl von 20 Schulterdystokien.

Tab. 3 Fetaler Ausgang unterteilt nach Geburtsgewicht.

Variable

4 000 – 4 499 g

4 500 – 4 999 g

≥ 5 000 g

alle

p

(*n):  Anzahl fehlender Daten für die Variable

**  Fisherʼs Exact Test (statt χ2-Test, wenn erwartetes n einer Gruppe < 5)

***  Apgar 10 min < 5, pH < 7, BE < −16 mmol/l (entsprechend den Kühlungskriterien: [14])

alle Entbindungsmodi

2 005 (88%)

249 (11%)

23 (1%)

2 277

10-Minuten-Apgar < 5 (*23)

7 (0,4%)

0

7 (0,3%)

1,000**

NA-pH (*36)

  • ≥ 7,1

1 930 (98%)

233 (97%)

21 (96%)

2 184 (98%)

  • 7 – 7,09

41 (2%)

8 (3%)

1 (5%)

50 (2%)

  • < 7

7 (0,4%)

0

0

7 (0,3%)

NA-pH < 7,1 (*36)

48 (2%)

6 (2%)

0,885

BE < −16 mmol/l (*154)

7 (0,4%)

1 (0,4%)

8 (0,4%)

1,000**

Verlegung in die Neonatologie (*22)

194 (10%)

39 (16%)

7 (33%)

240 (11%)

46 (18%)

0,000

adverser perinataler Ausgang *** (*24)

14 (1%)

1 (0,4%)

15 (1%)

1,000**

nur Geburtsmodus spontan oder vaginal-operativ

1 408 (90%)

146 (9%)

11 (1%)

1565

Schulterdystokie

12 (0,9%)

6 (4%)

2 (18%)

20 (1%)*

8 (5%)

0,000**

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Abb. 2 NA-pH in Abhängigkeit vom Geburtsgewicht. Es konnte kein Unterschied in den verschiedenen Gewichtsgruppen beobachtet werden.

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Maternaler Ausgang

133 Frauen (6%) erlitten einen Blutverlust ≥ 1000 ml, wobei Frauen mit Kindern ≥ 4500 g nicht signifikant häufiger einen vermehrten Blutverlust zeigten. Nach vaginaler Geburt erlitten Frauen mit Kindern ≥ 4500 g jedoch signifikant häufiger einen Blutverlust ≥ 500 ml.

44 Frauen trugen bei einer vaginalen Geburt eine schwere Geburtsverletzung davon (Dammriss III°/IV°: 33 [2%], Zervixriss 11 [1%]) und bei 364 (23%) wurde eine Episiotomie geschnitten, wobei jeweils kein signifikanter Unterschied zwischen dem Geburtsgewicht < 4500 g und ≥ 4500 g bestand ([Tab. 2]).


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Diskussion

Eine fetale Makrosomie ist eine der häufigsten Komplikationen in der Schwangerschaft.

Unsere Ergebnisse zeigen, dass ein zunehmendes Geburtsgewicht mit einer Erhöhung der geburtshilflichen Komplikationen einhergeht, wobei das Risiko für schwere Komplikationen wie eine Schulterdystokie mit potenziell langfristigen Schädigungen bei einem Gewicht ≥ 4500 g deutlich erhöht ist. Trotzdem war auch bei einem Geburtsgewicht ≥ 4500 g die vaginale Geburt der häufigste Geburtsmodus und in der Mehrzahl der Fälle unkompliziert möglich.

In Übereinkunft mit bereits publizierten Daten korrelierten maternale Adipositas, Diabetes in der Schwangerschaft, Multiparität und maternales Alter mit einem zunehmenden Geburtsgewicht [3], [8]. Zwischen den verschiedenen Gruppen bestand in unserem Kollektiv kein Unterschied hinsichtlich der maternalen Gewichtszunahme in der Schwangerschaft. Allerdings zeigte eine Metaanalyse 2016, dass eine übermäßige Gewichtszunahme zu einem erhöhten Risiko für eine fetale Makrosomie führen kann [4]. Da dies ein beeinflussbarer Risikofaktor ist, ist eine Aufklärung der Schwangeren sowie eine regelmäßige Kontrolle des Gewichts gemäß den Mutterschaftsrichtlinien bedeutsam.

Unsere Studie zeigt ein signifikant erhöhtes Risiko einer Schulterdystokie bei einem Geburtsgewicht ≥ 4500 g (5%) gegenüber einem Gewicht von 4000 – 4499 g (0,9%). Bei 20 Neugeborenen trat in 3 Fällen eine Plexusparese und in einem Fall eine Humerusfraktur auf.

Bei 2 der Neugeborenen mit Plexusparese konnte die Schulterdystokie mittels McRoberts-Manöver und suprasymphysären Druck gelöst werden. Bei dem 3. Fall konnte das Neugeborene erst nach zusätzlicher Anwendung des Rubin-Manövers entwickelt werden.

Im Hinblick auf bereits publizierte Daten war das Auftreten einer Schulterdystokie in unserem Kollektiv vergleichsweise gering. Allerdings wird die Häufigkeit mit einer großen Spannbreite angegeben (1,9 – 10% bei 4000 – 4499 g, 2,5 – 20% bei 4500 – 5000 g und 10 – 20% bei ≥ 5000 g), was möglicherweise auf die uneinheitliche Definition und individuelle Einschätzung zurückzuführen ist [16], [17], [18], [19], [20]. Die Diagnose einer Schulterdystokie wird in unserer Klinik gestellt, wenn nach der Geburt des kindlichen Kopfes dieser im Sinne eines Turtle-Phänomens in den Vulva-Dammbereich zurückweicht und trotz Traktion nach dorsal und kaudal die anteriore Schulter nur durch weitergehende Manöver entwickelt werden kann [21].

Bei Vorhandensein eines Gestationsdiabetes ist das Risiko zudem deutlich erhöht [22]. Eine mögliche Ursache für unsere niedrige Rate könnte die ebenfalls geringe Prävalenz eines Gestationsdiabetes in unserem Kollektiv sein (4% bei fetalem Gewicht von 4000 – 4499 g, 9% bei Gewicht ≥ 4500 g).

Zu berücksichtigen ist die signifikante Erhöhung des Risikos einer Schulterdystokie bei maternalem Gestationsdiabetes, einer Geburtseinleitung und einer vaginal-operativen Entbindung [16].

Eine Risikostratifizierung der Gebärenden (Vermeidung einer Vakuumextraktion, Berücksichtigung eines Gestationsdiabetes bei der Geburtsplanung) ist entscheidend, um diese Komplikation zu vermeiden.

In der vorliegenden Untersuchung war das Auftreten einer perinatalen Azidose bei höherem Geburtsgewicht nicht signifikant erhöht. Allerdings wurden Neugeborene ≥ 4500 g häufiger auf die neonatologische Intensivstation verlegt. Andere Studien sahen eine deutliche Zunahme der neonatalen Morbidität bei einem Gewicht ≥ 4500 g. Bei einem Gewicht von 4000 – 4500 g wurde keine [2] bzw. nur eine geringfügige Erhöhung [3] der neonatalen Morbidität gegenüber normosomen Neugeborenen beobachtet.

Häufiger als fetale Komplikationen traten maternale Komplikationen auf.

Frauen mit Neugeborenen ≥ 4500 g erlitten bei vaginaler Geburt häufiger einen erhöhten Blutverlust als Frauen mit Neugeborenen zwischen 4000 – 4499 g. Nach Geburt eines makrosomen Kindes sollte daher neben der von der WHO empfohlenen aktiven Leitung der Nachgeburtsperiode mittels Oxytocin auch eine Blutungsprophylaxe mittels Misoprostol oder Oxytocindauerinfusion erwogen werden [23].

Eine vaginale Geburt war in allen Gruppen der häufigste Geburtsmodus. Allerdings nahm der Anteil an vaginalen Geburten bei einem Geburtsgewicht ≥ 4500 g ab und der Anteil sekundärer Sectiones zu.

Besteht bei einem Fetus der Verdacht auf eine Makrosomie, stellt sich in der klinischen Praxis die Frage nach dem optimalen Geburtsmodus. Es gibt aktuell keine generelle Empfehlung, ab welchem sonografischen Schätzgewicht eine Einleitung oder eine primäre Sectio empfehlenswert ist. Bei der Beratung ist auch die eingeschränkte Aussagekraft des sonografischen Schätzgewichts insbesondere bei makrosomen Feten zu bedenken [13]. In einer Cochrane-Analyse von 2016 hatte eine Einleitung bei fetaler Makrosomie keine Auswirkung auf die Rate an Sectiones. Eine Einleitung verringerte allerdings das Geburtsgewicht sowie das Auftreten einer Schulterdystokie. Ein Einfluss auf das Auftreten von Plexusverletzungen konnte nicht nachgewiesen werden [24].

In der kürzlich publizierten ARRIVE-Studie wurde bei Schwangeren, die ab 39 + 0 SSW eingeleitet wurden, sogar seltener eine Sectio durchgeführt als in der Kontrollgruppe mit exspektativem Vorgehen [25].

In der S3-Leitlinie „Gestationsdiabetes mellitus“ wird bei Vorliegen eines Gestationsdiabetes ein individuelles Vorgehen bezüglich einer Einleitung empfohlen. Prinzipiell soll diese aber ab 37 + 0 SSW erwogen werden, insbesondere bei insulinpflichtigem Diabetes und einem fetalen Gewicht ≥ 95. Perzentile. Die Autoren empfehlen zudem eine primäre Sectio bei einem geschätzten Gewicht ≥ 4500 g [26], [27], [28]. Sofern kein Gestationsdiabetes vorliegt, empfiehlt das American College of Obstetricians and Gynecologists eine präventive Sectio ab 5000 g. Eine Einleitung wird nicht empfohlen [1].

Zusammenfassend muss die Schwangere ausführlich über die Vor- und Nachteile der jeweiligen Geburtsmodi aufgeklärt werden. Insbesondere sind mögliche Folgen einer primären Sectio hinsichtlich einer Folgeschwangerschaft und Geburt zu diskutieren, wie beispielsweise das erhöhte Uterusrupturrisiko, eine Placenta praevia oder eine abnormal invasive Plazenta. In die individuelle Empfehlung sollten auch Aspekte wie eventuell vorausgegangene Geburtsverläufe, ein vorliegender Gestationsdiabetes, die körperliche Konstitution und die Motivation der Schwangeren einfließen. Während der Geburt sollte beachtet werden, dass eine vaginal-operative Entbindung das Risiko für eine Schulterdystokie erhöht [11]. Die in dieser Studie gesammelten deskriptiven Daten können in Zusammenschau mit anderen Studien als Grundlage genutzt werden.

Eine Limitation dieser Studie sind die geringen Fallzahlen für die Gruppen mit einem Gewicht von 4500 – 4999 und ≥ 5000 g. Daher wurden diese für viele Subanalysen zusammengefasst.

Zudem haben wir keine Daten zu normosomen Neugeborenen ausgewertet. Daher konnten keine Aussagen zu den möglichen Ursachen fetaler Makrosomie getroffen werden.

Aufgrund des retrospektiven Charakters der Untersuchung sind die Datensätze teilweise unvollständig. Wegen einer Änderung der Prozessdatenakquise konnten an einem Standort nur Daten ab 2014 in die Studie eingeschlossen werden. Ferner muss aufgrund des einrichtungsbedingten Charakters als Level-1-Perinatalzentrum von einem Selektionsbias ausgegangen werden, sodass die Auswertung nicht zur Prävalenzbestimmung verwendet werden konnte.


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Schlussfolgerung

Ein zunehmendes Geburtsgewicht ist mit einem erhöhten maternalen Risiko und einer erhöhten Rate an primären und sekundären Sectiones sowie Schulterdystokien verbunden, ohne dass sich Unterschiede im perinatalen Ausgang zwischen Neugeborenen mit einem Geburtsgewicht von 4000 bis  4499 g und ≥ 4500 g zeigen. Maternale Komplikationen, insbesondere ein erhöhter Blutverlust, waren bei vaginaler Geburt eines Kindes ≥ 4500 g hingegen signifikant erhöht. Insgesamt war in der Mehrzahl der Fälle auch bei Makrosomie eine vaginale Geburt komplikationslos möglich. Aus den generierten Daten und der erhöhten Rate an Verlegungen auf die neonatologische Station resultiert, dass inbesondere bei Verdacht auf eine höhergradige fetale Makrosomie die Geburt in einem Perinatalzentrum mit Verfügbarkeit von erfahrenen Geburtsmedizinern, Hebammen und Pädiatern erfolgen sollte und die Schwangere im Vorfeld individuell beraten werden muss.


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Conflict of Interest/Interessenkonflikt

The authors declare that they have no conflict of interest./Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.


Correspondence/Korrespondenzadresse

Dr. Tamara Margit Jutta Pahlitzsch, MD
Klinik für Geburtsmedizin
Charité-Universitätsmedizin Berlin
Augustenburger Platz 1
13353 Berlin
Germany   


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Fig. 1 Representation of the mode of delivery in the weight classes 4000 – 4499 g, 4500 – 4999 g and ≥ 5000 g. Primary and secondary sections were performed more frequently with an increasing birth weight.
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Fig. 2 UA-pH depending on birth weight. No difference in the various weight groups was observed.
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Abb. 1 Darstellung des Geburtsmodus in den Gewichtsklassen 4000 – 4499 g, 4500 – 4999 g und ≥ 5000 g. Bei zunehmendem Geburtsgewicht wurden häufiger primäre und sekundäre Sectiones durchgeführt.
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Abb. 2 NA-pH in Abhängigkeit vom Geburtsgewicht. Es konnte kein Unterschied in den verschiedenen Gewichtsgruppen beobachtet werden.