PPH 2019; 25(05): 257
DOI: 10.1055/a-0964-2323
Rund um die Psychiatrie
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Für Sie gelesen: Aktuelle Studien: Suomi A, Dowling NA, Thomas S et al. Patterns of Family and Intimate Partner Violence in Problem Gamblers. J Gambl Stud 2019; 35: 465–484

Further Information

Publication History

Publication Date:
24 September 2019 (online)

Hintergrund: Pathologisches Glückspielverhalten kann neben einer finanziellen Überschuldung auch zu psychischen Belastungssituationen, Beziehungs- und Familienkonflikten und Problemen am Arbeitsplatz führen. Während die wissenschaftlichen Belege für das statistische Zusammentreffen von Gewalt in der Familie und problematischem Glücksspielverhalten zunehmen, ist der Mechanismus, mit dem die beiden Verhaltensweisen zusammenhängen, noch weitgehend unbekannt. Mit dieser Studie sollte die Dynamik des Problemverhaltens und von Gewalt in der Familie und in Beziehungen, einschließlich der Rolle des Geschlechts, erklärt werden.

Methode: Für die Studie wurden 212 Menschen (50,5 % Frauen, 49,5 % Männer) mit problematischem Glückspielverhalten interviewt, die sich freiwillig in psychologische Behandlung begeben haben. Die Fragen richteten sich auf die zeitliche Reihenfolge von Gewaltverhalten und Glücksspielen sowie die wahrgenommenen Assoziationen zwischen den beiden Verhaltensweisen. Das Gewaltverhalten wurde mit der 4 Punkte umfassende HITS-Skala erfasst. Damit wurden die Häufigkeiten dokumentiert, wenn anwesende Partner oder Familienmitglieder körperlich verletzt, beleidigt, bedroht oder angeschrien wurden. Zudem wurden die Probanden befragt, ob sie glauben, dass ihr pathologisches Glückspielverhalten Auswirkungen auf die eigene Gewaltbereitschaft hat.

Ergebnis: In dieser Studie haben mehr als die Hälfte (60,8 %) der Probanden mit pathogenem Spielverhalten in den letzten 12 Monaten verbale oder körperliche Form von Gewalt erfahren oder ausgeübt. Die überwiegende Mehrheit der derzeitigen Interventionen für Gewalt in Beziehungen und Familien konzentriert sich hauptsächlich auf den Mann als Initiator von Gewalt. Die Gewaltbereitschaft bei Menschen mit pathogenen Spielverhaltens in Bezug auf das Geschlecht zeigt jedoch, dass es keine geschlechtsspezifischen Unterschiede hinsichtlich Tätern und Opfern gibt. Aus diesem Grund wird die Entwicklung von neuen Behandlungsmethoden für diese spezielle Personengruppe empfohlen, weil bestehende Ansätze, zum Beispiel Paarbehandlungen oder andere Formen der Familientherapie, unwirksam scheinen.

Fazit: Männer und Frauen mit pathogenem Spielverhalten in einer Beziehung sind in gleichen Ausmaß Täter und Opfer von Gewalt. Bestehende Behandlungsformen zeigen keine positiven Effekte und die Entwicklung neuer Interventionen ist empfohlen.

Jörg Kußmaul