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DOI: 10.1055/a-0982-5198
State of the Art: Osteoporose, Sarkopenie, Frailty
Obwohl die gemeinsame Betrachtung dieser drei Entitäten in einem Beitrag zunächst sehr weit gefasst erscheint, besteht tatsächlich eine enge Verbindung zwischen ihnen. So ist es gerade beim älteren Menschen sinnvoll, das muskuloskelettale System als eine Einheit zu begreifen. Der Erhalt der individuellen Mobilität als zentralem Element der Selbstbestimmtheit ist in dieser Personengruppe ganz entscheidend mit dem Zustand von Muskel und Knochen verbunden. Insbesondere im Kontext sturzbedingter Verletzungen wie der proximalen Schenkelhalsfraktur kommt diesem Zusammenwirken große Bedeutung zu.
Mit steigendem Alter sind sowohl der Muskel als auch der Knochen in seiner Struktur und Funktion zunehmend beeinträchtigt. Osteoporose und Sarkopenie sind als klinische Korrelate dieser Entwicklung zu begreifen. Aktuell ist es Gegenstand wissenschaftlicher Studien zu klären, ob das gemeinsame Auftreten von Sarkopenie und Osteoporose für die betroffenen Patienten ein mehr als additives Risiko für negative klinische Endpunkte wie Hospitalisierung, Pflegegrad und Mortalität darstellt.
Die Pathogenese von Osteoporose und Sarkopenie weist zahlreiche Gemeinsamkeiten auf, die sich insbesondere auf Lebensstilfaktoren beziehen. Für moderne Therapieansätze, die sich den Erhalt der individuellen Mobilität und Selbstversorgungskapazität zum Ziel setzen, ist daher zu fordern, dass diese sowohl auf den Muskel als auch auf den Knochen zielen. Das Zusammenwirken pharmakologischer wie auch nicht pharmakologischer Interventionen erscheint in diesem Zusammenhang angezeigt. Als Beispiel für letztere ist gegenwärtig die Kombination aus einem individuell adaptierten Trainingsprogramm und einer optimierten Eiweißzufuhr als vielversprechend anzusehen.
Frailty ist ein geriatrisches Syndrom, welches durch einen Verlust an körperlichen Reserven sowie eine erhöhte Vulnerabilität gekennzeichnet ist. Aus dieser Konstellation resultiert unter dem Einfluss interner und externer Stressoren ein erhöhtes Risiko für das Auftreten negativer Gesundheitsereignisse wie Hospitalisation, Verlust der Selbständigkeit und eine erhöhte Mortalität. Frailty kann auch als eine Annäherung an das biologische Alter einer älteren Person verstanden werden. Noch gibt es keine internationale Übereinkunft zur Diagnose einer Frailty. Die beiden Ansätze, die bislang in der Wissenschaft die weiteste Verbreitung gefunden haben, sind der physische Phänotyp nach Fried sowie das Defizitmodell nach Rockwood. Die individuelle Mobilität, die Handkraft, die körperliche Aktivität, die Gewichtsabnahme in den letzten Monaten sowie der Grad der allgemeinen Erschöpfung (Fatigue) stellen die Diagnosekriterien nach Fried dar. In Anbetracht derselben ist die Überlappung des physischen Phänotyps der Frailty mit der Diagnose einer Sarkopenie, die ebenfalls Kraft- und Funktionsparameter einbezieht, offensichtlich. So ist ein höherer Schweregrad einer Frailty mit einem erhöhten Risiko für das Vorliegen einer Sarkopenie sowie einem erhöhten Risiko für das Auftreten einer osteoporotischen Fraktur assoziiert. Osteoporotische Frakturen wiederum begünstigen die Verschlechterung einer Frailty. So entsteht ein Circulus vitiosus, der in einen Autonomieverlust und eine erhöhte Mortalität mündet. Einen bemerkenswerten Umstand stellt in diesem Zusammenhang die Beobachtung dar, dass die erfolgreiche Behandlung einer Osteoporose auch die kardiovaskuläre Sterblichkeit vermindert, welches die Bedeutung dieser Erkrankung für die Integrität des Gesamtorganismus eindrucksvoll illustriert.
Die Konzepte der Sarkopenie und der Frailty haben in den letzten Jahren zunehmende Beachtung auch außerhalb der Geriatrie gefunden, so in der Onkologie, der Nephrologie, der Abdominalchirurgie und der Transplantationschirurgie. Beide Diagnosen werden im Kontext invasiver diagnostischer und therapeutischer Maßnahmen zur Identifikation von Risikogruppen benutzt, für die eine erhöhte Komplikationsrate als Folge dieser Maßnahmen zu erwarten ist. Einen besonderen Schwerpunkt stellt dabei der Einsatz von Chemotherapeutika und die Tumorchirurgie älterer Patienten dar. In mehreren Studien wurde beobachtet, dass Patienten mit Frailty von einer Standardtherapie internistischer Erkrankungen weniger profitieren als dies bei noch rüstigen älteren Patienten der Fall ist, während sie durch eine erhöhte Rate an Nebenwirkungen gefährdet sind. Dies gilt in besonderem Maße bei Vorliegen einer Polypharmazie. Insgesamt muss die diesbezügliche Datenlage jedoch noch als unzureichend betrachtet werden. Die vorliegenden Ergebnisse rechtfertigen jedoch eine weitere Untersuchung dieser Zusammenhänge. Bemerkenswert ist zudem, dass nun auch vermehrt bei jüngeren Patienten mit chronischen Erkrankungen wie einer HIV-Infektion die Bedeutung der Sarkopenie und des Frailty-Konzeptes untersucht werden.
Die Diagnose der drei Krankheitsentitäten Osteoporose, Sarkopenie und Frailty – einzeln oder auch in wechselnder Kombination – ist geeignet, Risikogruppen in der älteren Bevölkerung zu identifizieren, welche durch einen Verlust an Mobilität und Autonomie sowie Lebensqualität in besonderem Maße gefährdet sind. Es gilt nun, die diesbezüglich bereits vorliegenden Erkenntnisse unter anderem auch auf dem Gebiet der Polypharmazie zu erweitern und in praxistaugliche Empfehlungen umzusetzen.
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Interessenkonflikt
Vortragshonorare von Novartis, Bayer, Daiichi-Sankyo, UCB Pharma, Pfizer, Fresenius, Nestlé, Nutricia. Alle Einkünfte aus diesen Tätigkeiten werden auf ein offizielles Konto des Arbeitgebers des Autoren überwiesen. Uneingeschränkte Forschungsförderung von Nutricia.