CC BY-NC-ND 4.0 · Geburtshilfe Frauenheilkd 2019; 79(12): 1273-1277
DOI: 10.1055/a-1019-7720
GebFra Science
Statement/Stellungnahme
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Adjuvante Strahlen- und/oder Chemotherapie des Endometriumkarzinoms, Stand 2019

Stellungnahme der Kommission Uterus der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie (AGO) Artikel in mehreren Sprachen: English | deutsch
Günter Emons
1   Universitätsmedizin Göttingen, Göttingen, Germany
,
Clemens Tempfer
2   Ruhr Universität Bochum, Bochum, Germany
,
Marco Johannes Battista
3   Universitätsklinik Mainz, Mainz, Germany
,
Alexander Mustea
4   Universitätsklinikum Bonn, Bonn, Germany
,
Dirk Vordermark
5   Universitätsklinik Halle (Saale), Halle (Saale), Germany
,
for the Uterus Commission of the AGO › Institutsangaben
Weitere Informationen

Correspondence/Korrespondenzadresse

Prof. Günter Emons
UMG
Frauenklinik
Robert-Koch-Straße 40
37075 Göttingen
Germany   

Publikationsverlauf

received 25. September 2019

accepted 26. September 2019

Publikationsdatum:
11. Dezember 2019 (online)

 

Zusammenfassung

Die Rollen von adjuvanter Radio- und/oder Chemotherapie in der Primärbehandlung des Endometriumkarzinoms mit hohem Rezidivrisiko sind nicht eindeutig geklärt. In den letzten Monaten wurden Vollpublikationen von 3 großen randomisierten kontrollierten Studien zu verschiedenen Aspekten dieser Problematik vorgelegt, die im Kontext analysiert werden.


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Vor gut einem Jahr sorgte die erste Vollpublikation der internationalen Post-Operative-Radition-Therapy-in-Endometrial-Cancer-(PORTEC-)3-Studie für Aufsehen. Bei Frauen mit High-Risk-Endometriumkarzinom führte eine adjuvante simultane Radiochemotherapie, gefolgt von einer adjuvanten Chemotherapie ([Tab. 1]) im Vergleich zu einer alleinigen Radiotherapie nicht zu einer signifikanten Verbesserung des Gesamtüberlebens [1]. Die Daten waren allerdings noch unreif [1]. Lediglich beim Failure-free Survival wurde nach 5 Jahren durch die zusätzliche Chemotherapie eine Verbesserung erreicht. Die Nebenwirkungen der zusätzlichen Chemotherapie waren beträchtlich [1].

Tab. 1 Rezente randomisierte kontrollierte Studien zur adjuvanten Therapie des Endometriumkarzinoms.

Patientinnen

Behandlung

Toxizität

Rezidive

Gesamtüberleben

PORTEC: Postoperative Radiation Therapy in Endometrial Cancer; EC: Endometrial Cancer; AUC: Area under Curve; OS: Overall Survival; GOG: Gynecologic Oncology Group

PORTEC-3 [1], [5]

endometrioides EC:

Stadium IA, G3 + LVSI; Stadium IB, G3; Stadium II – IIIC; seröse oder klarzellige EC Stadium I – III

n = 660

perkutan 48,5 Gy ± Brachytherapie + 2 × Cisplatin 50 mg/m2 gefolgt von 4 × Carboplatin AUC 5 + Paclitaxel 175 mg/m2 versus alleinige Strahlentherapie (perkutan ± Brachytherapie)

akut: 60 vs. 12% Neuropathien (≥ Grad 2)

nach 5 Jahren: 6 vs. 0%

Failure-free Survival nach 5 Jahren 76,5 vs. 69,1% (HR adjustiert: 0,70; p = 0,016)

deutlichere Effekte im Stadium III und bei serösem EC

5-Jahres-OS: 81,4 vs. 76,1% (HR adjustiert: 0,7; p = 0,034)

deutlichere Effekte im Stadium III und bei serösem EC

GOG-258 [6]

EC Stadium III und IV a (alle histologischen Typen), Tumorrest < 2 cm oder seröse/klarzellige EC

Stadium I – II mit positiver Zytologie

n = 736

perkutane Beckenbestrahlung ± Paraaortalfeld ± Brachytherapie + 2 × Cisplatin 50 mg/m2 gefolgt von 4 × Carboplatin AUC 6 + Paclitaxel 175 mg/m2 vs. 6 × Carboplatin AUC 6 + Paclitaxel 175 mg/m2

Nebenwirkungen ≥ Grad 3 bei 58% (Chemo/Radiotherapie) vs. 63% (alleinige Chemotherapie)

rezidivfreies 5-Jahres-Überleben 59 vs. 58% (HR: 0,90; 90%-KI = 0,74 – 1,10)

weniger vaginale und pelvine/paraaortale Rezidive, aber mehr Fernmetastasen in der Chemo/Strahlentherapiegruppe

Daten zu unreif

GOG-249 [7]

FIGO I – II:

endometrioide EC mit „high-intermediate risk“ oder seröse bzw. klarzellige EC mit negativer Zytologie

n = 601

vaginale Brachytherapie + 3 × Carboplatin AUC 6 + Paclitaxel 175 mg/m2 vs. perkutane Bestrahlung (45 – 51 Gy) ± vaginale Brachytherapie

akute Toxizität im Brachytherapie/
Chemotherapiearm höher; Spättoxizität gleich

rezidivfreies 5-Jahres-Überleben 76 vs. 76%; vaginale und Fernmetastasen gleich; pelvine und paraaortale Lymphknotenrezidive etwas häufiger in der Brachytherapie/Chemotherapiegruppe (9 vs. 4%)

5-Jahres-Gesamtüberleben 85% (Brachytherapie + Chemo) vs. 87% (perkutane Bestrahlung)

Die Deutsche Gesellschaft für Radioonkologie (DEGRO) zog die Schlussfolgerung, dass die alleinige Strahlentherapie in dieser Situation die Behandlung der Wahl bleiben würde. Lediglich bei Patientinnen mit Hoch-Risiko-Tumoren des Stadiums III oder bei Tumoren des serösen Zelltyps könnte eine Kombination aus Chemo- und Strahlentherapie erwogen werden [2].

Die Kommission Uterus der AGO interpretierte die Ergebnisse der PORTEC-3-Studie etwas zurückhaltender als die DEGRO und sah keine Notwendigkeit, die aktuelle S3-Leitlinie „Diagnostik, Therapie und Nachsorge der Patientinnen mit Endometriumkarzinom“ [3] zu ändern, solange keine reifen Überlebensdaten aus der PORTEC-3-Studie vorliegen [4]. Laut aktueller S3-Leitlinie bildet die Chemotherapie für Patientinnen mit befallenen Lymphknoten, Befall der uterinen Serosa, der Adnexe, der Vagina, der Blase oder des Rektums (Stadium III – IVa) die Grundlage der adjuvanten Therapie. Zusätzlich kann zur Verbesserung der lokalen Kontrolle eine postoperative Beckenbestrahlung vorgenommen werden [3], [4].

Nun wurde eine Post-hoc-Überlebensanalyse der PORTEC-3-Studie vorgelegt, die nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 72,6 Monaten eine signifikante Verbesserung des Gesamtüberlebens durch die zusätzliche Chemotherapie zeigt [5].

Die US-amerikanische Studie GOG 258, die bei Patientinnen mit EC der Stadien III und IVa die alleinige Chemotherapie als Standard ansah, fand in ihrer ersten Vollpublikation, dass eine zusätzliche Strahlentherapie keine Verbesserung des rückfallfreien Überlebens erbrachte [6].

Auch die erste Vollpublikation der GOG-Studie 249, die bei High/intermediate-Risk-EC im Stadium I und II die adjuvante Strahlentherapie ± Brachytherapie mit Brachytherapie plus 3 Zyklen Carboplatin/Paclitaxel verglich, liegt jetzt vor [7].

Auf der Basis all dieser neuen Daten [5], [6], [7] sind nun zuverlässigere Empfehlungen als vor einem Jahr möglich.

Aktueller Stand der PORTEC-3-Studie

In dieser Studie wurden Patientinnen (n = 660) mit High-Risk-EC untersucht ([Tab. 1]). Etwa 45% waren im Stadium III, 26% im Stadium IIIC, also mit Lymphknotenmetastasen. 25% der Patientinnen hatten ein seröses oder klarzelliges (Typ 2) EC, 32% ein schlecht differenziertes (G3) endometrioides EC [5]. Im Gesamtkollektiv betrug in der aktuellen Analyse (medianes Follow-up 72,6 Monate) das 5-Jahres-Gesamtüberleben 81,4% (95%-KI 77,2 – 85,8) in der Gruppe mit Chemo- und Strahlentherapie vs. 76,1% (71,6 – 80,9) in der Gruppe mit alleiniger Strahlentherapie (HR: 0,7; 95%-KI = 0,51 – 0,97; p = 0,034). Das 5-Jahres-Failure-free-Survival war 76,5% (95%-KI = 71,5 – 80,7) vs. 69,1% (63,8 – 73,8; HR 0,7; 95%-KI 0,52 – 0,94; p = 0,01). Bei den meisten Patientinnen waren Fernmetastasen die erste Manifestation eines Rezidivs. Sie traten bei 21,4% der Frauen in der Chemo/Radiotherapiegruppe und 29,1% der Frauen in der Gruppe mit alleiniger Strahlentherapie auf [5]. In einer Subgruppenanalyse der Patientinnen mit EC im Stadium I und II fanden sich keine signifikanten Unterschiede im Gesamtüberleben und Failure-free Survival durch die zusätzliche Chemotherapie. In den Subgruppen der Patientinnen im Stadium III oder mit serösem EC führte jedoch die Hinzunahme der Chemotherapie zu einer deutlichen Verbesserung des 5-Jahres-Gesamtüberlebens: 78,5 vs. 68,5% (Stadium III; p = 0,043) und 71,4 vs. 52,8% (seröse EC; p = 0,037) bzw. des Failure-free Survivals: 70,9 vs. 58,4% (Stadium III; p = 0,011) und 59,7 vs. 47% (seröse EC; p = 0,008) [5].

In der aktuellen Analyse gleichen sich die Nebenwirkungsraten nach 5 Jahren in beiden Gruppen an. Lediglich sensorische Neuropathien waren im Chemo/Radiotherapiearm häufiger [5]. Die Autoren kommen jetzt zu der Schlussfolgerung, dass die kombinierte Chemo/Radiotherapie, bestehend aus Beckenbestrahlung mit 2 simultanen Gaben von Cisplatin, gefolgt von 4 Zyklen Carboplatin/Paclitaxel Patientinnen mit serösem und/oder Stadium III EC empfohlen werden sollte [5]. Dies inkludiert alle Patientinnen mit pelvinen und/oder paraaortalen Lymphknotenmetastasen, unabhängig von der lokalen Ausbreitung des Primärtumors.


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Aktueller Stand der GOG-258-Studie

Die US-amerikanische Gynecologic Oncology Group sieht bei High-Risk-EC aufgrund ihrer früheren randomisierten Studien die systemische Chemotherapie als die sinnvollste adjuvante Therapie für Patientinnen mit operiertem, lokal fortgeschrittenen EC an [6]. Im Gegensatz zu einer adjuvanten Radiotherapie war die Chemotherapie in früheren Studien in der Lage, das Überleben zu verbessern [6]. Allerdings ist die alleinige Chemotherapie mit einer hohen Rate von lokoregionären Rezidiven verbunden. Ziel der GOG-258-Studie war deshalb die Prüfung der Frage, ob die Standardtherapie (6 Zyklen einer adjuvanten Chemotherapie mit Carboplatin/Paclitaxel) durch die Kombination mit einer externen, der Tumorausbreitung angepassten Strahlentherapie (adjuvante Radiochemotherapie mit Cisplatin, gefolgt von 4 Zyklen einer adjuvanten Chemotherapie mit Carboplatin/Paclitaxel) verbessert werden kann [6].

736 Patientinnen mit High-Risk-EC ([Tab. 1]), davon > 97% im Stadium III, 50% im Stadium IIIC1, 25% Stadium IIIC2; 21% serös oder klarzellig, wurden nach Operation entweder mit alleiniger Chemotherapie oder mit einer kombinierten Chemo/Radiotherapie analog der PORTEC-3-Studie adjuvant behandelt. Bei Befall der paraaortalen Lymphknoten (IIIC2) wurde auch diese Region bestrahlt [6]. Die mediane Nachbeobachtungszeit betrug 47 Monate. Das rezidivfreie 5-Jahres-Überleben betrug 59% (95%-KI = 53 – 64%) in der Chemo/Radiotherapiegruppe und 58% (53 – 64%) in der Gruppe mit alleiniger Chemotherapie (HR 0,9; 90%-KI 0,74 – 1,10). Die zusätzliche Strahlentherapie führte entsprechend der Studienhypothese sowohl zu weniger vaginalen Rezidiven (2 vs. 7%; HR: 0,36; 95%-KI = 0,16 – 0,82) als auch zu weniger pelvinen Rezidiven und paraaortalen Lymphknotenrezidiven (11 vs. 20%; HR: 0,43; 95%-KI = 0,28 – 0,66). In der Gruppe mit Chemo/Radiotherapie waren allerdings Fernmetastasen häufiger als in der Gruppe mit alleiniger Chemotherapie (27 vs. 21%; HR: 1,36; 95%-KI = 1,00 – 1,86). Nebenwirkungen ≥ Grad 3 wurden bei 58% der Chemo/Radiotherapiegruppe und bei 63% der Patientinnen mit alleiniger Chemotherapie beobachtet. Die Hinzunahme der Strahlentherapie zur Chemotherapie verbesserte nicht das rezidivfreie Überleben. Es bleibt abzuwarten, ob in der weiteren Nachbeobachtungszeit die Reduktion der Häufigkeit von Fernmetastasen in der Gruppe mit alleiniger Chemotherapie einen Effekt auf das Gesamtüberleben haben wird [6].


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Aktueller Stand der GOG-Studie 249

Diese Studie hatte das Ziel zu prüfen, ob bei High/intermediate-Risk- und High-Risk-EC im Stadium I und II eine adjuvante vaginale Brachytherapie, gefolgt von einer verkürzten Chemotherapie (3 Zyklen) wirksamer ist als eine perkutane Strahlentherapie ± Brachytherapie ([Tab. 1]) [7]. High/intermediate Risk war definiert als Alter von ≥ 70 Jahren plus 1 uteriner Risikofaktor, Alter von ≥ 50 Jahren plus 2 Risikofaktoren oder Alter ≥ 18 Jahre plus 3 Risikofaktoren. Als uterine Risikofaktoren galten G2- und G3-Tumoren, pT1b und Lymphgefäßinvasion [7]. Die pelvine und paraaortale Lymphonodektomie wurden empfohlen und bei 90% der Patientinnen durchgeführt. Hilfsweise wurde ein postoperatives CT oder MRT eingesetzt, um vergrößerte Lymphknoten auszuschließen. 21% der Patientinnen hatten endometrioide EC, G3, 20% hatten seröse oder klarzellige EC [7]. 75% der Patientinnen waren im Stadium I, 25% im Stadium II. Patientinnen mit serösem oder klarzelligem EC im Stadium I oder II und positiver Peritonealzytologie wurden für die GOG-249-Studie nicht zugelassen, sondern für die Teilnahme an der GOG-258-Studie empfohlen [7].

Nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 53 Monaten betrug das rezidivfreie 5-Jahres-Überleben für die perkutan bestrahlte Gruppe 76% (95%-KI = 0,70 – 0,81) und für die Brachytherapie/Chemotherapiegruppe 76% (0,70 – 0,81). Die Hazard Ratio betrug 0,92 (90%-KI = 0,69 – 1,23). Das 5-Jahres-Gesamtüberleben betrug 87% (95%-KI = 83 – 91%) für die perkutan bestrahlten Patientinnen und 85% (95%-KI: 81 – 90%) für die Brachytherapie/Chemotherapiegruppe (HR: 1,04; 90%-KI = 0,71 – 1,52). Vaginale Rezidive und Fernmetastasen waren in beiden Gruppen ähnlich häufig; pelvine und paraaortale Rezidive waren in der Brachytherapie/Chemotherapiegruppe häufiger (9 vs. 4%) [7]. Die akute Toxizität war in der Brachytherapie/Chemotherapiegruppe höher, Spättoxizitäten waren vergleichbar.


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Interpretation

Die Interpretation der Studienergebnisse wird durch einen kurzen kritischen Blick auf die teils vergleichbaren und teils unterschiedlichen Konzepte der 3 Studien erleichtert. Zunächst einmal beglückwünschen wir die beiden Studiengruppen, knapp 2000 Patientinnen unter kontrollierten Bedingungen in diesen 3 Studien behandelt zu haben und wertvolles Wissen geschaffen zu haben. In der GOG-249-Studie wurden Patientinnen mit Karzinomen, die auf den Uterus begrenzt sind (FIGO I oder II und unauffällige Zytologie) behandelt, während in die GOG-258-Studie ausschließlich Patientinnen mit extrauterinem Befall (inklusive positiver Spülzytologie bei Typ-2-Tumoren) eingeschlossen wurden. Durch entsprechende Studien untermauert, deren detaillierte Darstellung hier den Rahmen sprengen würde, wurde in den beiden amerikanischen Studien versucht, logische Fragen zu beantworten. Die GOG-249-Studie adressierte die Frage, ob „wenig“ Chemotherapie und eine vaginale Brachytherapie besser ist als eine externe Beckenbestrahlung, kombiniert mit einer fakultativen vaginalen Brachytherapie. Die GOG-258-Studie hingegen untersuchte, ob die Hinzunahme einer Bestrahlung zu einer Chemotherapie bei fortgeschrittener Erkrankung von Vorteil ist. In der PORTEC-3-Studie sollte dahingegen untersucht werden, ob die Hinzunahme der Chemotherapie zu einer Bestrahlung mit einem verbesserten Gesamtüberleben einhergeht. Diese Umkehrung der Frage ist in Ermangelung belastbarer Daten für die Radiatio hinsichtlich der Verbesserung des Gesamtüberlebens von besonderer Bedeutung. Ferner sind die Einschlusskriterien der PORTEC-3-Studie wesentlich breiter gefasst, konnten doch Patientinnen vom Stadium IA G3 und LVSI bis zum Stadium IIIC eingebracht werden.

Die erneute Auswertung der PORTEC-3-Studie mit etwas reiferen Daten zeigt jetzt klar und deutlich, dass die Hinzunahme einer Chemotherapie zur perkutanen Bestrahlung vor allem im Stadium III oder bei serösen EC eine signifikante und vor allem klinisch relevante Verbesserung des Gesamtüberlebens im Vergleich zur alleinigen Strahlentherapie erbringt [5]. Dieses, nach der Logik zu erwartende Ergebnis war in der ersten Publikation der PORTEC-3-Studie noch nicht offenkundig [1], da die Daten noch nicht reif waren.

Nicht beantwortet wird von der PORTEC-3-Studie die Frage, ob bei Patientinnen mit High-Risk-EC, die eine suffiziente adjuvante Chemotherapie erhalten, überhaupt noch eine Strahlentherapie erforderlich ist. Die Beantwortung dieser Frage war das Ziel der amerikanischen GOG-258-Studie. In einem eindeutigen High-Risk-Kollektiv (97% der Patientinnen im Stadium III) wurde eine suffiziente Chemotherapie (6 × Carboplatin/Paclitaxel; keine vaginale Brachytherapie) als Standard mit einer simultanen Radiochemotherapie (Teletherapie des Beckens ± Paraaortalfeld ± vaginale Brachytherapie + 2 × Cisplatin), gefolgt von 4 Zyklen Carboplatin/Paclitaxel verglichen [6]. Die zusätzliche Strahlentherapie verbesserte die lokoregionäre Kontrolle, es traten aber häufiger Fernmetastasen auf als in der alleinigen Chemotherapiegruppe [6]. Ursachen hierfür könnten die Reduktion der vollen Chemotherapiezyklen von 6 auf 4 oder der verzögerte Beginn der Kombinationschemotherapie sein. Die zusätzliche Strahlentherapie führte jedenfalls nicht zu einer Verbesserung des rezidivfreien Überlebens. Das Gesamtüberleben ist bisher in beiden Gruppen gleich. Es bleibt abzuwarten, ob die Reduktion der Fernmetastasen in der alleinigen Chemotherapiegruppe zu einem verbesserten Überleben führen wird.

Somit bleibt, wie in der S3-Leitlinie empfohlen [3] die Chemotherapie mit Carboplatin/Paclitaxel die Grundlage der adjuvanten Therapie im Stadium III. Die Empfehlung der Chemotherapie für seröse Tumoren sollte klar ausgesprochen werden.

Die Kann-Empfehlung der S3-Leitlinie für die perkutane Strahlentherapie im Stadium III kann aufrechterhalten werden, da die Strahlentherapie in der GOG-258-Studie die lokoregionäre Kontrolle verbessert, aber weder das Gesamt- noch das rezidivfreie Überleben beeinflusst.

Auffällig ist, dass das rezidivfreie 5-Jahres-Überleben in der Subgruppe der Patientinnen mit Stadium III im Radiochemotherapiearm der PORTEC-3-Studie mit 71% deutlich besser ist als im Radiochemotherapiearm der (zu > 97% aus Stadium-III-Fällen bestehenden) GOG-258-Studie mit 59% bzw. in deren Chemotherapiearm mit 58%. Hier sind aber mögliche Unterschiede in der Zusammensetzung der Patientinnenkollektive zu beachten: ca. 70% Stadium IIIC1/2 in der GOG-258-Studie vs. nur 27% Stadium IIIC in der PORTEC-3-Studie [5], [6].

Falls daher eine Patientin mit einer adjuvanten Chemotherapie entsprechend dem Standardarm der GOG-258-Studie behandelt wird, kann eine zusätzliche Brachytherapie zur Senkung der Rate an vaginalen Rezidiven diskutiert werden. Falls hingegen eine Patientin entsprechend dem experimentellen Arm der GOG-258-Studie behandelt wird, sollte mit der Patientin diskutiert werden, ob die Reduktion von pelvinen und paraaortalen Rezidiven durch eine perkutane Strahlentherapie die Inkaufnahme von mehr Fernmetastasen rechtfertigt, da pelvine und/oder paraaortale Rezidive mit guten Ergebnissen auch sekundär bestrahlt werden können, falls noch keine perkutane Bestrahlung erfolgt ist [3], [8]. Die laufende ECLAT-Studie wird zeigen, ob nach einer suffizienten (therapeutischen) pelvinen und paraaortalen Lymphonodektomie, gefolgt von 6 × Carboplatin/Paclitaxel und einer Brachytherapie im gleichen Maße Lymphknotenrezidive auftreten wie in der GOG-258-Studie, bei der im Median lediglich 13 pelvine und 3 paraaortale Lymphknoten entfernt wurden [6].

Die Autoren der GOG-249-Studie betonen, dass die Mehrheit der von ihnen untersuchten Patientinnen ohne jegliche adjuvante Maßnahme alleine durch die Operation geheilt worden wäre. Deshalb wurden auch nur 3 Zyklen Chemotherapie gegeben [7]. Die Autoren heben daher hervor, dass es wichtig ist, aus dieser „high/intermediate risk“-Gruppe diejenigen Patientinnen zu selektieren, die wirklich eine adjuvante Therapie benötigen. Hier bietet die S3-Leitlinie klare Empfehlungen über den differenzierten Einsatz von Brachytherapie, perkutaner Bestrahlung und Chemotherapie [3].

Retrospektive Analysen und die laufende PORTEC-4a-Studie werden mithilfe von modernen molekularen Prognosefaktoren eine weitere Differenzierung der Patientinnen in der „high/intermediate risk group“ (hier: Stadium IA, G3 bis II G1) ermöglichen und die Frauen identifizieren, die wahrscheinlich gar keine adjuvante Therapie benötigen, daneben Patientinnen, die mit einer Brachytherapie suffizient behandelt sind und die wenigen Fälle, die einer Perkutanbestrahlung und/oder einer Chemotherapie bedürfen [9].

Die jetzigen Vollpublikationen der 3 großen Phase-III-Studien zur adjuvanten Chemotherapie und Strahlentherapie des Endometriumkarzinoms machen keine akuten Änderungen der S3-Leitlinie erforderlich. Ihre Ergebnisse sind vollumfänglich vereinbar mit den dort gemachten Empfehlungen. Die neuen Daten betonen noch stärker den Nutzen einer adjuvanten Chemotherapie vor allem bei serösen EC und EC im Stadium III, als dies in der Leitlinie der Fall ist. Anfang 2020 wird die gründliche Analyse dieser und weiterer Publikationen durch die Leitliniengruppe erfolgen und geprüft werden, wie weit die aktuellen Empfehlungen zu modifizieren sind.


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Conflict of Interest/Interessenkonflikt

The authors declare that they have no conflict of interest./Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.


Correspondence/Korrespondenzadresse

Prof. Günter Emons
UMG
Frauenklinik
Robert-Koch-Straße 40
37075 Göttingen
Germany