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DOI: 10.1055/a-1025-0720
Teilarthrodesen am Handgelenk
- Es beginnt häufig mit einer Fraktur
- Posttraumatisch entsteht Arthrose
- Auswahl des Operationsverfahrens
- Was sagt die Wissenschaft?
- Literatur
Teilarthrodesen kommen zum Einsatz bei schmerzhaften Arthrosen des Handgelenks, denen häufig eine Fraktur vorausgegangen ist. Durch diese Rettungsoperationen können Schmerzen reduziert und kann eine Teilbeweglichkeit des Handgelenks erhalten werden. Welche Möglichkeiten von Teilversteifungen gibt es und wie wählt der Chirurg das jeweilige Operationsverfahren aus? Was muss er dabei besonders bei älteren Menschen beachten?
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Es beginnt häufig mit einer Fraktur
Typischerweise treten sie bei Hochbetagten am distalen Radius, Wirbelkörper, Humeruskopf oder hüftgelenksnah auf. Auch Handfrakturen und die oftmals damit einhergehenden Rupturen von Handwurzelbändern sind nicht selten. Die Lokalisation des Bruches hängt von der Art des Fallens ab.
Eine Fraktur im Alter ist als folgenreiches Symptom in Abhängigkeit vom körperlichen Aktivitätsgrad zu betrachten.
Bei älteren Menschen resultieren Knochenbrüche in der Regel aus Low-Energy-Traumen, wie einem Sturz während einer üblichen Alltagsaktivität. Auch Osteoporose zählt zu den Hauptursachen einer Fraktur, die oftmals das erste Symptom des Knochenabbaus darstellt. Aus diesem Grund sollte man bei Frakturen im höheren Lebensalter die Knochendichte bestimmen und bei entsprechenden Befunden ggf. eine medikamentöse Therapie oder Prophylaxe beginnen. Eine rasche Belastbarkeit bzw. Übungsstabilität ohne lange Phasen der Immobilität ist anzustreben. Dieses Ziel kann u. U. durch eine Operation erreicht werden, jedoch können altersspezifische Umstände zu höheren Komplikationsraten als bei jüngeren Patienten führen. Bei Menschen über 80 Jahren liegt sie bei 51 %. Daher ist es wichtig, die Lebensqualität und das Operationsrisiko sorgfältig gegeneinander abzuwägen.
Operationsrisiken im Alter
Die operative Komplikationsrate wird durch verschiedene Faktoren beeinflusst, u. a. durch die abnehmende Knochendichte, die Inzidenz der Osteoarthrose, abnehmende neuromuskuläre Fähigkeiten, Komorbiditäten und Medikationen, vorhandene Implantate sowie die Ansprüche des Patienten an die Funktionalität eines verletzten Gelenks.
Die Osteoporose ist in der Alterstraumatologie unter zweierlei Gesichtspunkten bedeutsam. Mit abnehmender Knochendichte steigt zum einen die Inzidenz von Frakturen, zum anderen wird die Verankerung von Implantaten oder Osteosynthesematerialien im Knochen erschwert. Mit zunehmendem Lebensalter steigt zusätzlich die Inzidenz degenerativer Prozesse am Muskel- und Skelettsystem. Abnehmendes Balancevermögen und propriozeptive Defizite gehen dabei mit einer erhöhten Sturzneigung einher. Auf diese Weise trägt die neuromuskuläre Degeneration zur steigenden Verletzungsinzidenz im Alter bei. Außerdem wird durch die neuromuskuläre Involution die Therapie vieler Verletzungen erschwert.
Mit steigendem Lebensalter steigt auch die allgemeine Morbidität (Diabetes mellitus, pAVK, koronare Herzkrankheit, Herzrhythmusstörungen, COPD etc.). Außerdem steigt die Wahrscheinlichkeit der Einnahme gerinnungshemmender Medikamente. All diese Faktoren können eine unmittelbare schnelle operative Versorgung verzögern und so das Ergebnis negativ beeinflussen.
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Posttraumatisch entsteht Arthrose
Die Arthrose des Handgelenks tritt vor allem nach Verletzungen und Frakturen der Radiusgelenkfläche oder des Kahnbeins wie auch nach Rupturen des skapholunären Bandes und des lunotriquetralen Bandes auf. Weitere Ursachen können fehlverheilte Brüche (Pseudarthrosen) oder Knochendurchblutungsstörungen, wie die Kahnbeinnekrose (= Morbus Preisser) oder die Lunatumnekrose (= Morbus Kienböck), sein. Auch entzündliche Erkrankungen, wie die rheumatoide Arthritis, können die Arthrose hervorrufen.
Nicht ausgeheilte Skaphoidfrakturen (= Skaphoidpseudarthrosen) und Verletzungen des skapholunären Bandapparats führen unbehandelt zu einer karpalen Instabilität bis hin zum fortgeschrittenen karpalen Kollaps. Je nach Ursache wird dabei zwischen SLAC-Wrist (= Scapholunate Advanced Collapse) und SNAC-Wrist (Scaphoid Nonunion Advanced Collapse) unterschieden. Während die Ursache des SLAC-Wrist die skapholunäre Dissoziation ist, entsteht ein SNAC-Wrist durch die Skaphoidpseudarthrose.
Die Arthroseentwicklung verläuft üblicherweise in drei Stadien; das Endstadium der Handgelenksarthrose, die sog. Panarthrose, wird in verschiedenen Publikationen als viertes Stadium bezeichnet. Mit zunehmender Dauer kommt es zur Ausweitung der Arthrose in das Mediokarpalgelenk (SLAC-Wrist Stadium III). Bei Vollausprägung der Arthrose liegt ein karpaler Kollaps mit Höhenminderung des Karpus vor. Von Watson u. Ruy [8] wurde eine Einteilung in drei Stadien vorgeschlagen, die mittlerweile zunehmend Akzeptanz erfährt. Für die SNAC-Situation ist der Ausdruck „Stadium“ korrekt, da die Arthrose am Processus styloideus radii beginnt (Stadium I) und mit zunehmender Dauer den radioskaphoidalen Gelenkabschnitt zwischen distalem Fragment und Radius erfasst (Stadium II). Später kommt es zur Arthrose zwischen Kapitatumkopf und den korrespondierenden Gelenkflächen des Lunatums sowie des proximalen Skaphoidfragments (Stadium III).
In der SLAC-Situation dagegen beginnt die Arthrose zwischen der dorsalen Radiusgelenkfläche und dem verkanteten proximalen Skaphoidpol (entsprechend Stadium II). Eine isolierte, auf den Processus styloideus radii beschränkte Arthrose (entsprechend Stadium I) ist dagegen nur selten zu beobachten. Der Begriff Stadium, der ein Durchlaufen beinhaltet, ist daher nur mit Einschränkung zutreffend.
Ausschlaggebend für die Verdachtsdiagnose der Arthrose sind die schmerzhafte Bewegungseinschränkung und Schwellung des Handgelenks. Nach der körperlichen Untersuchung (u. a. Stabilitätstests) werden radiologische Untersuchungen (Röntgen, CT, MRT) zur Bestätigung herangezogen. Patienten mit radiologisch nachgewiesenen Arthrosen am Handgelenk unterziehen sich in der Regel zur Statusbestimmung weiterhin einer Handgelenksarthroskopie. Dabei kann das Stadium der Arthrose gezielt festgelegt werden, um das weitere Vorgehen zu bestimmen.
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Auswahl des Operationsverfahrens
Teilarthrodesen am Handgelenk eröffnen die Möglichkeit, die Handbeweglichkeit bei Handgelenksarthrose zu erhalten. Ab Stadium II von SLAC- oder SNAC-Wrist können meist nur noch sog. Rettungsoperationen durchgeführt werden. Ziel ist dabei die Schmerzreduktion mit Geringhaltung des Funktionsverlusts. Bei diesen Eingriffen ist es durch die Versteifung der arthrotischen Gelenke möglich, mit den erhaltenen, gesunden Handwurzelgelenken eine schmerzfreie Restbeweglichkeit zu behalten. Je nach Lokalisation unterscheidet man verschiedene Arthrodesen:
Radiokarpale Teilarthrodese
Durch die radioskapholunäre Fusion (RSL-Fusion) kann bei Zerstörung der radiokarpalen Gelenkfläche nach Radiusfrakturen im erhaltenen Mediokarpalgelenk eine Restbeweglichkeit von etwa 30 ° Extension und 30 ° Flexion, im Sinne einer Dart-Throwing Motion (DTM), aufrechterhalten werden. In den letzten Jahren gab es eine deutliche Verbesserung der Technik durch spezielle winkelstabile angepasste Platten, die eine frühsekundäre oder primäre Versorgung von extremen Trümmerfrakturen der Radiusgelenkfläche möglich machten. Weiterhin ist sie bei einer, nach Operation, komplexen Radiusfraktur indiziert.


Radiolunäre Arthrodese
Diese Arthrodese (auch RL-Fusion) ist speziell bei Rheumapatienten indiziert. Sie ermöglicht die Stabilisierung des Handgelenks und die Vermeidung der ulnaren Translation sowie der mediokarpalen Instabilität. Sie ist technisch schwierig und erfordert eine gut erhaltene Knochensubstanz. Hierbei wird das Lunatum in seine ursprüngliche Lage zurücktransponiert und dann mit Schrauben oder Drähten gehalten, um so eine Fusion zu erzielen. Diese Methode kann die fortschreitende Arthrose des Handgelenks durchaus hinauszögern. Dieser Eingriff sollte frühzeitig erwogen werden, da bei einem zu starken Ulnarshift die Handwurzel schon so stark verblockt sein kann, dass eine Reposition kaum noch möglich ist.


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Mediokarpale Arthrodese
Bei der Mediokarpalarthrodese, auch Four Corner Fusion (4CF) oder Vier-Quadranten-Arthrodese, wird lediglich das Skaphoid entfernt. Anschließend werden die Gelenkflächen von Kapitatum, Hamatum, Lunatum und Triquetrum entknorpelt und nach optionaler Anlagerung von Spongiosa aus dem Beckenkamm fusioniert. Dadurch wird die Kraft in Richtung Fossa lunata, in der noch keine arthrotischen Veränderungen vorliegen, umgelenkt. Die Mediokarpalarthrodese kann mithilfe von Kirschner-Drähten, Kompressionsschrauben oder Arthrodeseplatten erfolgen [Abb. 3].


Die durchschnittliche postoperative Bewegung (Extension/Flexion) kann bis 68,6° erzielt werden bei einer Radial-/Ulnarduktion von 32,9°, einer Grobkraft von bis zu 54 % der gesunden Seite und einem DASH-Wert von 7,8. [7].
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Proximal Row Carpectomy (PRC)
Als Ausnahme zu den Teilarthrodesen ist die komplette Resektion der proximalen Handwurzelreihe zu betrachten. Es werden das Skaphoid, das Lunatum und das Triquetrum entfernt, um ein neues arthrosefreies Gelenk mit Erhaltung einer Restbeweglichkeit zu schaffen. Hier erfolgt die Neubildung eines Gelenks über den proximalen Kapitatumpol und die Fossa lunata [Abb. 4].


Im Stadium II des posttraumatischen karpalen Kollapses nach Skaphoid-Nonunion (SNAC-Wrist) oder skapholunärer Bandruptur (SLAC-Wrist) ist die PRC ein häufig angewandtes Verfahren. Ein problematischer Punkt bei diesem Eingriff ist die Schaffung eines neuen Gelenks zwischen der proximalen Gelenkfläche des Os capitatum und der Fossa lunata des Radius mit nicht exakt kongruenten Gelenkflächen. Die Übereinstimmung dieser Gelenkflächen liegt nach biometrischen Berechnungen bei lediglich 67 % [1], was mit dem potenziellen Risiko eines vorzeitigen Gelenkverschleißes behaftet ist. Trotzdem finden sich in der Literatur, auch bei großen Kollektiven [3] und langen Beobachtungszeiträumen bis zu zwölf Jahren [6], kaum Hinweise auf ein gehäuftes Auftreten. Positiv ist, dass die durchschnittliche Handgelenksbeweglichkeit postoperativ für Extension/Flexion laut Literatur bei über 75° liegt (57 % der gesunden Gegenseite) und die Ulnar-/Radialduktion bei 33°, entsprechend 52 % der Gegenseite [Abb. 5]. Die durchschnittliche Grobkraft kann bis zu 50 % der gesunden Seite betragen bei einer Minderung der Belastungsbeschwerden um 40 % und einem durchschnittlich postoperativen DASH-Punktwert von 27,4 Punkten.


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Was sagt die Wissenschaft?
Der aktuellen Studienlage ist zu entnehmen, dass die Proximal Row Carpectomy den unterschiedlichen Verfahren der Mediokarpalarthrodese gleichwertig ist. Dabei gilt es aber zu bedenken, dass jede Methode Vorteile und Nachteile mit sich bringt. Die PRC ist technisch einfach in der Durchführung, aber es kann im Verlauf aufgrund der Inkongruenz im Neogelenk zwischen Kapitatum und der Fossa lunata eine Arthrose entstehen. Dies wird durch die Wiederherstellung der karpalen Höhe bei der 4CF hinausgezögert. Die 4CF ist als technisch anspruchsvollere Operation anzusehen und birgt postoperative Komplikationen wie Pseudarthrose und Impingement. Die lange Zeit der postoperativen Ruhigstellung ist seit Einführung der verschiedenen 4-Corner-Fusion-Platten nicht mehr gegeben [5]. Zusammengefasst schneiden Grobkraft, Schmerzreduktion und Zufriedenheit bei beiden Verfahren im Langzeitverlauf ähnlich ab. Auch der Bewegungsumfang ist postoperativ vergleichbar, bei der 4CF jedoch geringfügig stärker eingeschränkt.
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Autorinnen/Autoren


Dr. Harun Seyhan
Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie mit der Zusatzbezeichnung für Handchirurgie. Er ist leitender Oberarzt und ständiger Vertreter des Chefarztes im Krankenhaus Köln-Merheim in der Klinik für Plastische Chirurgie, Handchirurgie und Schwerbrandverletztenzentrum – Kliniken der Stadt Köln gGmbH, Klinikum der Universität Witten/Herdecke und Lehrstuhl für Plastische Chirurgie der Universität Witten/Herdecke.
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Literatur
- 1 Imbriglia JE, Broudy AS, Hagberg WC, McKernan D. Proximal row carpectomy: Clinical evaluation. J Hand Surg Am 1990; 15: 426-430
- 2 Krimmer H, Schmitt R. Teilarthrodesen am Handgelenk. In: Schmitt R, Lanz U. Hrsg. Bildgebende Diagnostik der Hand. 3., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage.. Stuttgart: Thieme; 2014.
- 3 Lautenbach M, Berndsen M, Kim S. et al. Rheumahandchirurgie. Handchirurgie Scan 2013; 02 (01) : 69-89.
- 4 Legré R, Sassoon D. Multicentric study of 143 cases of resection of the proximal carpal bones. Ann Chir Main Memb Super 1991; 11: 257-263
- 5 Mulford JS, Ceulemans LJ, Nam D, Axelrod TS. Proximal row carpectomy vs four corner fusion for scapholunate (Slac) or scaphoid nonunion advanced collapse (Snac) wrists: A systematic review of outcomes. J Hand Surg Eur 2009; 34 (02) : 256-263
- 6 Nevasier RJ. On resection of the proximal carpal row. Clin Orthop 1986; 202: 12-15
- 7 Traverso P, Wong A, Wollstein R. et al. Ten-year minimum follow-up of 4-Corner Fusion for SLAC and SNAC wrist. Hand (N.Y.) 2017; 12 (06) : 568-572.
- 8 Watson HK, Ryu J. Evolution of arthritis of the wrist. Clin Orthop 1986; 202: 57-67
Korrespondenzadresse
Publication History
Article published online:
22 January 2020
© Georg Thieme Verlag KG
Stuttgart · New York
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Literatur
- 1 Imbriglia JE, Broudy AS, Hagberg WC, McKernan D. Proximal row carpectomy: Clinical evaluation. J Hand Surg Am 1990; 15: 426-430
- 2 Krimmer H, Schmitt R. Teilarthrodesen am Handgelenk. In: Schmitt R, Lanz U. Hrsg. Bildgebende Diagnostik der Hand. 3., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage.. Stuttgart: Thieme; 2014.
- 3 Lautenbach M, Berndsen M, Kim S. et al. Rheumahandchirurgie. Handchirurgie Scan 2013; 02 (01) : 69-89.
- 4 Legré R, Sassoon D. Multicentric study of 143 cases of resection of the proximal carpal bones. Ann Chir Main Memb Super 1991; 11: 257-263
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- 6 Nevasier RJ. On resection of the proximal carpal row. Clin Orthop 1986; 202: 12-15
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- 8 Watson HK, Ryu J. Evolution of arthritis of the wrist. Clin Orthop 1986; 202: 57-67











