Therapeutisches Vorgehen
Ösophagusperforationen
Zu den prognostischen Faktoren der Ösophagusperforation gehören neben dem Allgemeinzustand
des Patienten das Zeitfenster bis zur Diagnose und zur entsprechenden Therapie, die
Ursache, das Ausmaß und die Lokalisation. Eine frühe Diagnose (< 24 h) ist für ein
optimales Therapieergebnis entscheidend.
Cave
Bei einer Überschreitung des 24-h-Intervalls für die Diagnose steigt die Mortalität
auf bis zu 40% an.
In Einzelfällen und nach Risiko-Nutzen-Abwägung kann eine Perforation konservativ
therapiert werden. Dies trifft meist auf asymptomatische Perforationen zu, die erst
mehr als 24 Stunden nach einer Intervention detektiert werden [2]. Für die Entscheidung zwischen nicht operativem und operativem Verfahren sollte
der klinische Zustand des Patienten und der Schweregrad der Sepsis beurteilt werden
[3].
Merke
Das Letalitätsrisiko steigt mit dem Vorliegen einer Ösophagusnekrose, einer ausgedehnten
Ruptur mit Vorliegen einer Mediastinitis und dem Intervall zwischen Perforationsereignis
und definitiver Therapie deutlich an.
Zur Einschätzung der Morbidität und Mortalität nach Ösophagusperforation wurde anhand
von klinischen Parametern der Pittsburgh Perforation Severity Score (PSS) erstellt
[4]. Eine Übersicht über den PSS zeigt [Tab. 2].
Tab. 2 Schweregrad der Ösophagusperforation (Perforation Severity Score, PSS).
Punkte
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1 =
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2 =
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3 =
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klinische Parameter
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-
Fieber (> 38 °C)
-
freie Perforation (Breischluck, CT)
-
Diagnosezeitpunkt > 24 h
-
respiratorische Einschränkung (Atemfrequenz > 30, Beatmung)
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|
Entsprechend dem Schweregrad der Ösophagusperforation kann eine Einteilung in 3 Risikogruppen
(niedrig, mittel und hoch) erfolgen [5]. Ein möglicher Algorithmus für die Behandlungsstrategie entsprechend Risikogruppe
ist in [Tab. 3] zusammengefasst.
Tab. 3 Empfohlene Behandlungsstrategie in Abhängigkeit von PSS nach [5].
PSS
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Behandlungsstrategie
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niedriges Risiko (PSS ≤ 2)
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mittleres Risiko (PSS3 – 5)
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-
nichtoperative Verfahren streng selektionieren
-
bei Kontamination in der Regel operative Verfahren, je nach Größe, Ausmaß, Lokalisation
und vorbestehender Pathologie
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hohes Risiko (PSS > 5)
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-
operative Verfahren je nach Größe, Ausmaß, Lokalisation und vorbestehender Pathologie
-
Individualisierte Strategie bei Malignom
|
Merke
Die Unterscheidung zwischen einer gedeckten und freien Perforation ist entscheidend.
-
Niedriges Risiko (PSS ≤ 2):
-
Intramurale Läsion: Patienten mit einer intramuralen Läsion ohne Hinweis auf eine freie Perforation und
einen PSS von 0 – 2 können in der Regel konservativ behandelt werden. Die konservative
Behandlung beinhaltet die Überwachung auf der Intensivstation, Nahrungskarenz mit
ausreichender Volumentherapie und parenterale Ernährung, Gabe eines Breitspektrumantibiotikums,
eine Protonenpumpeninhibitor-(PPI-)Therapie zur Vermeidung eines weiteren chemischen
Schadens und die Oberkörperhochlagerung. Eine zusätzliche antimykotische Therapie
sollte insbesondere bei distalen Ösophagusperforationen und Patienten mit Immunsuppression
in Erwägung gezogen werden. Eine erneute Darstellung der Leckage mit Endoskopie und
Breischluck sollte nach 48 – 72 h erfolgen, um die Fortführung der konservativen Therapie
mit ggf. Beginn des Kostaufbaus mit zunächst flüssiger Kost zu evaluieren.
-
Transmurale Perforation: Bei Patienten mit Hinweisen auf eine transmurale Leckage mit freier Perforation und
Kontamination in der niedrigen PSS-Gruppe sollte zwischen der endoskopischen Vakuum-Schwamm-Therapie
(EVT), einer endoskopischen Stentanlage und einer Primärnaht bzw. der Reparatur und
Drainage abgewogen werden. Eine transmurale Perforation ist in der Regel mit einer
Mediastinitis und bei Anschluss an die Pleurahöhlen mit einem Pleuraempyem vergesellschaftet.
Bei einer Mitbeteiligung der Pleura sollten die Pleurahöhlen frühzeitig lavagiert
und drainiert werden. Häufig ist auch eine Dekortikation der viszeralen Pleura im
Verlauf erforderlich.
-
Mittleres Risiko (PSS 3 – 5): Bei Patienten der mittleren Gruppe (PSS 3 – 5) ohne
Vorhandensein von Malignomen sollte bei Kontamination und vorbestehender Pathologie
des Ösophagus in der Regel ein Notfalleingriff erwogen werden. Liegt ausschließlich
eine Perforation mit Kontamination vor, wird eine Primärnaht bzw. Reparatur mit Drainage
empfohlen. Hier kann auch in Einzelfällen ein endoskopisches Stenting oder eine Vakuumtherapie
erfolgen.
-
Hohes Risiko (PSS > 5): Ab einem PSS von mehr als 5 steigt die Mortalität auf 27%
[4]. Bei der hohen PSS-Gruppe verringert die frühe und aggressive Therapie mit einem
operativen Verfahren entsprechend Größe, Ausmaß, Lokalisation und vorbestehender Pathologie
die Mortalität signifikant. Im Falle eines vorliegenden Ösophaguskarzinoms bei Patienten
in der mittleren und hohen PSS-Gruppe ist immer eine individualisierte Strategie erforderlich.
Diese besteht in der Regel aus einer transthorakalen Ösophagektomie – entweder als
Diskontinuitätsresektion oder mit Rekonstruktion mittels Magenschlauchhochzug (je
nach Schweregrad der begleitenden Mediastinitis und Sepsis).
Die Kriterien für eine nicht operative Behandlungsstrategie bei Ösophagusperforation
sind in den aktuellen WSES-Leitlinien (World Society of Emergency Surgery-Guidelines
[6]) konkret definiert und in [Tab. 4] zusammengefasst.
Tab. 4 Kriterien für die nicht operative bzw. endoskopische Behandlung der Ösophagusperforation
nach 2019 WSES-Leitlinien [6].
Parameter
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Beschreibung
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Zeitfenster von der Diagnose zur entsprechenden Therapie
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< 24 h
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klinische Präsentation
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keine Symptome, keine Sepsiszeichen
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radiologische Kriterien
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-
zervikale oder thorakale Lokalisation der Perforation
-
gedeckte Perforation
-
intramuraler Defekt
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minimale periösophageale Extravasation von Kontrastmittel (Cave: Barium ist bei Perforation
kontraindiziert) mit intraösophagealer Drainage (Breischluck)
-
fehlende massive Kontamination der Pleura
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ösophageale Parameter
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keine vorliegende ösophageale Grunderkrankung
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andere
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Endoskopische Verfahren
Endoskopische Clips
Im Wesentlichen sind 2 verschiedene Typen von Clips vorhanden: Als „Standard-Clips“
werden Hämo-Clips verwendet, die zur endoskopischen Blutstillung entwickelt wurden.
Sie werden durch den Arbeitskanal des Endoskops eingeführt („through the scope“, TTS)
([Abb. 3 a]). Zudem sind auf das Endoskop zu montierende Over-the-Scope-Clips (OTSC) erhältlich
[Abb. 3 b]).
Abb. 3 Endoskopische Verfahren zur Behandlung einer Perforation des oberen GIT. a Through-the-Scope-Clips (TTS). b Over-the-Scope-Clip (OTSC). c Endoskopische Vakuum-Schwamm-Therapie (EVT). d Selbstexpandierende Metallstents (SEMS).
Merke
Clips werden zum Verschluss von Perforationen, die unmittelbar bei der Intervention
auftreten, eingesetzt.
Während mit einem TTS nur oberflächliche Wandschichten adaptiert werden können, erlaubt
die Anwendung des OTSC einen transmuralen Verschluss einschließlich der Tunica muscularis.
Ein suboptimal platzierter TTS kann aus diesem Grund unkompliziert wieder entfernt
werden, für die Entfernung eines OTSC ist ein spezieller bipolarer Impulsgenerator
notwendig. Es können mehrere TTS nebeneinander platziert werden, wobei die Applikation
von mehr als einem OTSC aufgrund der starken Clip-Kompression und hoher Zugfestigkeit
anspruchsvoll ist. Kleinere Läsionen bis ca. 1 (max. 2) cm werden häufig mittels TTS
verschlossen, bei größeren Läsionen wird der OTSC empfohlen. In einer multizentrischen
prospektiven Studie konnten bei 89% der Patienten große iatrogene Perforationen mittels
OTSC erfolgreich verschlossen werden [7]. Beim Verschluss chronischer Fisteln zeigte der OTSC eine initiale Erfolgsrate von
89% (42 von 47 Patienten), allerdings kam es bei
46% zu einem Rezidiv [8].
Praxistipp
Es sollte möglichst keine entzündliche Reaktion durch Kontamination der Perforationsstelle
oder Übertritt von gastrointestinalem Inhalt nach extraluminal vorhanden sein. Für
diesen Fall wird entweder eine EVT (s. u.) oder eine zusätzliche externe Drainage
empfohlen. Daher eignet sich der Einsatz von Clips bei Anastomoseninsuffizienzen nur
bedingt.
Endoskopische Nahttechniken
Das OverStitch System ermöglicht eine Vollwandnaht am GIT. Auf das Endoskop wird eine
Metallkappe mit einem schwenkbaren Hebel aufgesetzt, auf dem eine Nadel aufgebracht
werden kann. Die Geweberänder einer Perforation werden zwischen die Enden der Metallkappe
gezogen und Vollwandnähte durchgeführt. Einzelknopf- oder auch fortlaufende Nähte
sind mit dem System möglich. Der Einsatz des Gerätes ist durch die Erreichbarkeit
der Läsion und begrenzte Abwicklung des Endoskops limitiert. Der Verschluss von Perforationen
und Fisteln ist möglich, wobei beim Verschluss chronischer Fisteln die Langzeitergebnisse
auch enttäuschend sind [9], [10].
Selbstexpandierende Stents
Selbstexpandierende Metallstents (SEMS) werden hauptsächlich im Ösophagus und gastroösophagealen
Übergang eingesetzt und in ungecoverte (ucSEMS), teilgecoverte (pcSEMS) sowie vollgecoverte
Stents (fcSEMS) eingeteilt.
Neben SEMS sind auch selbstexpandierende Plastikstents verfügbar, diese werden aber
aufgrund des komplizierteren Applikationsmechanismus und der sehr hohen Migrationsrate
deutlich seltener verwendet.
SEMS sind sowohl in schmalkalibrigem Durchmesser als TTS-Mechanismus als auch als
Over-the-Wire (OTW) verfügbar. OTW-SEMS erreichen einen größeren Stentdurchmesser
bis ca. 25 – 28 mm und eignen sich somit besser zur Therapie von transmuralen Defekten
als TTS-SEMS.
Cave
Die ucSEMS sollten aufgrund des unvollständigen Verschlusses eines Defektes nicht
zur Therapie von Leckagen eingesetzt werden.
Die fcSEMS weisen eine hohe Verschlussrate von transmuralen Läsionen auf, zeigen aber
ein höheres Migrationsrisiko als pcSEMS. Stentmigrationen können durch eine zusätzliche
Fixierung mittels endoskopischer Naht vermieden werden [11]. Dieses komplexe Vorgehen sollte allerdings hoch spezialisierten Einrichtungen vorbehalten
bleiben. Die pcSEMS führen dagegen zur Hypertrophie und zum Einwachsen von Granulationsgewebe
im ungecoverten Anteil. Sie lassen sich deswegen häufig nicht ohne Komplikationen
entfernen. Generell sollten SEMS, die zum Verschluss von Wanddefekten gelegt wurden,
nach ca. 6 – 10 Wochen wieder entfernt werden.
Die Vorteile von SEMS sind der sofortige Verschluss, die Verringerung der Wahrscheinlichkeit
des Ausbildens von Stenosen und die Möglichkeit der zeitnahen Wiederaufnahme oraler
Kost [12] ([Abb. 3 d]). In einer retrospektiven Analyse konnten die Lokalisation der Insuffizienz im oberen
Ösophagus, Lage des Stents über den gastroösophagealen Übergang hinaus, eine Verletzung
des Ösophagus länger als 6 cm und Insuffizienzen im Conduit als Risikofaktoren für
ein Therapieversagen identifiziert werden [13]. In einer großen Studie mit 88 Patienten wurden SEMS zur Behandlung von Defekten
am oberen GIT verwendet. Eine korrekte Positionierung war in allen Fällen möglich,
die Gesamterfolgsrate lag bei 84%. Stentmigrationen traten bei 11%, schwere Komplikationen
bei 6% der Patienten auf [14].
Endoskopische Vakuum-Schwamm-Therapie (EVT)
Bei der EVT handelt es sich um ein minimalinvasives Verfahren, das hauptsächlich zur
Behandlung postoperativer Anastomoseninsuffizienzen eingesetzt wird. ([Abb. 3 c]). Es wird hierbei ein Polyurethanschwamm mit kontinuierlicher Unterdrucktherapie
zur Stimulation der Wundheilung und gleichzeitiger Drainage der Insuffizienzhöhle
verwendet. Abhängig von der Größe der Läsion kann der Schwamm entsprechend angepasst
werden. Bei größeren Läsionen ist die Platzierung des Schwamms direkt in der Insuffizienzhöhle
sinnvoll, dieser kann aber auch endoluminal eingelegt werden. Nach endoskopischer
Inspektion des Defektes empfiehlt sich zunächst die Einlage einer nasojejunalen Sonde
zur enteralen Ernährung für die Dauer der EVT, da eine orale Kostaufnahme nicht möglich
ist. Im Anschluss wird ein Übertubus über das Endoskop eingeführt und darüber der
Schwamm in die Läsion eingeführt (alternativ auch im Nachschleppverfahren). Nach Entfernung
des
Übertubus wird die Lage des Schwammes endoskopisch kontrolliert und der Schwamm
über den nasal ausgeleiteten Verbindungsschlauch mit einer Vakuumpumpe mit − 100 bis
− 125 mmHg Sogleistung verbunden. Der Schwamm sollte nach 72 Stunden gewechselt werden.
In der Regel sind 5 – 7 EVT-Zyklen zum Verschluss einer Läsion notwendig. Nach jeder
Schwammentfernung sollte der Defekt inspiziert werden. Ziel ist die Ausbildung von
frischem Granulationsgewebe mit vollständigem Verschluss der Läsion. Bei Nachweis
von avitalem Gewebe mit viel Fibrin sollte die Therapie fortgesetzt werden. Zu beachten
ist, dass bei evtl. in die Läsion gleichzeitig einliegender chirurgischer Drainage
diese abgeklemmt werden sollte, da ansonsten die Unterdrucktherapie keinen ausreichenden
Effekt erzielt. Der Vorteil der EVT besteht in diesem Zusammenhang darin, dass meist
keine zusätzliche Drainage notwendig wird.
Der erfolgreiche Verschluss von Insuffizienzen wird mit 70 – 100% angegeben, und es
zeigte sich eine reduzierte Mortalität im Vergleich zur erneuten operativen Therapie
[15]. Eine retrospektive Studie verglich EVT mit SEMS bei Insuffizienzen nach Ösophagusresektionen.
Hier zeigte sich eine deutlich höhere Erfolgsrate unter EVT (84,4%) verglichen mit
SEMS (53,8%).
Fazit EVT
Die EVT wird häufig bei Läsionen im Ösophagus eingesetzt. Prinzipiell sind auch duodenale
Defekte mittels EVT therapierbar, hier zeigt sich allerdings ein deutlich erhöhtes
Blutungsrisiko. Der Einsatz bei Perforationen oder Insuffizienzen mit intraperitonealem
Bezug sollte kritisch diskutiert werden, da die Gefahr von lebensbedrohlichen Blutungen
oder Organverletzungen besteht.
Cave
Durch den kompletten Verschluss eines Defektes mit SEMS besteht im Gegensatz zu einer
EVT keine Drainagemöglichkeit. Daher sollten SEMS bei iatrogenen Läsionen im Rahmen
von Interventionen eingesetzt werden, bei denen eine Kontamination des Extraluminalraums
weitgehend ausgeschlossen werden kann. Bei zweizeitigen Perforationen oder postoperativen
Insuffizienzen ist die zusätzliche Anlage einer Drainage notwendig.
Fallbeispiel
Die klinische Begutachtung der 79-jährigen Patientin ergab ein mittleres Risiko mit
einem PSS von 4 (Alter, Tachykardie, Leukozytose und Pleuraerguss). Nach interdisziplinärem
Konsens (Chirurgie, Gastroenterologie und Intensivmedizin) wurde sich zunächst für
eine nichtoperative Behandlungsstrategie entschieden. Bei endoskopisch nachweisbarer,
relativ frischer iatrogener Ösophagusperforation ohne Zeichen einer Ösophagusnekrose
oder einer ausgeprägten Mediastinitis erfolgte die endoskopische Vakuumtherapie (EVT)
sowie die Anlage einer nasogastralen Sonde zur Sicherung der enteralen Ernährung ([Abb. 3 c]).
Operatives Vorgehen
Obwohl endoskopische und interventionelle Therapieverfahren wichtige Pfeiler bei der
Behandlung der Ösophagusperforation sind, bleibt eine frühe und aggressive chirurgische
Therapie bei vielen Patienten jedoch weiter erforderlich. Die chirurgische Therapie
der Ösophagusperforation hängt von ihrer Größe, dem Ausmaß der Kontamination und der
Lokalisation innerhalb des Ösophagus ab.
Die Perforation kann prinzipiell in jeder Lokalisation des Ösophagus auftreten. Es
gibt jedoch durch die anatomischen Gegebenheiten verschiedene Prädilektionsstellen.
Merke
Prädilektionsstellen für Ösophagusperforationen sind die luminalen Engstellen im Bereich
des M. cricopharyngeus (zervikal), des Aortenbogens und der Carina (thorakal) sowie
des ösophagogastralen Übergangs.
Zervikale Perforation: Zervikale Perforationen können häufig konservativ behandelt werden. Die Mortalität
zervikaler Perforationen ist mit 5,9% am niedrigsten verglichen mit anderen Lokalisationen
[16]. Besteht die Indikation für ein operatives Vorgehen, erfolgt der Zugang über eine
linksseitige Inzision entlang der Vorderkante des M. sternocleidomastoideus. Die Schilddrüse
und die Trachea können nach medial verlagert werden, um den Ösophagus zu exponieren.
Es ist auf eine Schonung des N. laryngeus recurrens zu achten. Nach Primärnaht des
Defektes kann eine Deckung mittels eines Muskellappens des M. sternocleidomastoideus
erfolgen. Falls eine Exposition der Perforationsstelle nicht möglich ist, ist die
alleinige Drainage häufig ausreichend, da die Kontamination aufgrund der anatomischen
Gegebenheiten begrenzt bleibt. Es sollte allerdings auch der anatomische Raum dorsal
des Ösophagus und ventral der Fascia praevertebralis
dargestellt werden. Zudem sollte die Anlage einer Drainage erfolgen. Bei ausgedehnter
Kontamination kann die Wunde auch offen gelassen werden.
Thorakale Perforation: Bei Perforationen des thorakalen Ösophagus erfolgt die Versorgung der Läsion typischerweise
über einen thorakalen Zugang rechtsseitig im Bereich des 5. oder 6. Interkostalraums
oder bei Perforationen im unteren Drittel über einen linksthorakalen Zugang im Bereich
des 7. oder 8. Interkostalraums.
Merke
Die Mortalität thorakaler Perforationen liegt bei 10,9% [16], wobei abhängig vom Zeitpunkt der Diagnose und Therapieeinleitung sowie der Ursache
der Perforation die Mortalität deutlich erhöht sein kann.
Abdominelle Perforation: Bei Perforationen im intraabdominellen Anteil des Ösophagus kann die Versorgung über
einen abdominellen Zugang mittels Medianlaparotomie und anschließender transhiataler
Versorgung erfolgen. Nach Primärnaht wird der Hiatus in seinem posterioren Anteil
mit Einzelknopfnähten verschlossen. Der ösophageale Defekt kann zusätzlich durch Omentum
oder eine Fundusmanschette (90°-Teilmanschette nach Thal, 180°-Teilmanschette nach
Dor oder 270°-Teilmanschette nach Toupet, ggf. mit einer 360°-Manschette nach Nissen)
gedeckt werden. Es sollte die Anlage einer Drainage im Bereich der Naht sowie die
Anlage eines Jejunalkatheters zur enteralen Ernährung erfolgen.
Merke
Die Mortalität abdomineller Perforationen liegt bei 13,2% [16].
Die chirurgische Therapie der Ösophagusperforation umfasst die Naht des Defektes sowie
die Drainage des Mediastinums und der Pleurahöhlen. Man unterscheidet resezierende
und nichtresezierende Verfahren. Eine Übersicht über die verschiedenen chirurgischen
Verfahren findet sich in [Tab. 5].
Tab. 5 Chirurgische Verfahren bei Ösophagusperforationen.
chirurgisches Verfahren
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Details
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Primärnaht mit
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(partielle) Fundoplicatio mit
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-
vorderer 90°-Teilmanschette (Thal)
-
vorderer 180°-Teilmanschette (Dor)
-
270°-Teilmanschette (Toupet)
-
360°-Manschette nach Nissen
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Exklusion/Diversion mit Ösophagostomie, Gastrostomie und Jejunostomie
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Ösophagektomie mit
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Drainagenanlage
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Primärnaht
Die Primärnaht ist das klassische nicht resezierende Verfahren. Nach Débridement des
avitalen Gewebes um die Perforationsstelle erfolgt die Inzision der muskulären Schicht
in Längsrichtung zur Darstellung des mukosalen Defektes. Der Verschluss des Defektes
erfolgt mit Einzelknopfnähten mit resorbierbarem Nahtmaterial und in der Regel zweireihig.
Der Verschluss der Muskelschicht sollte mit resorbierbarem Nahtmaterial erfolgen.
Eine pulmonale Dekortikation wird nur durchgeführt bei ausgedehntem Debris, um die
Entfaltung der Lunge zu gewährleisten. Anschließend sollte je eine Thoraxsaugdrainage
apikal und basal platziert werden. Es empfiehlt sich, anschließend eine Magensonde
zu platzieren.
Für den Fall, dass ein längerer Intensivaufenthalt zu erwarten ist oder auch der Patient
einen schlechten Ernährungszustand aufweist, sollte die chirurgische Anlage eines
Jejunalkatheters erwogen werden.
Plastische Deckung des Defektes
Im Fall einer verspäteten Diagnose (Diagnosezeitpunkt > 24 h) oder bei vermehrter
Kontamination kann zusätzlich eine Deckung der Naht erfolgen. Diese Methoden der Verstärkung
sollen die Fistelrate und Mortalität senken. Hierfür bevorzugt man Muskellappen (M.-intercostalis-Lappen,
Diaphragmalappen) zur Deckung, da die Pleura oftmals zu dünn und der perikardiale
Fettlappen nicht ausreichend durchblutet ist.
Ösophagektomie
Die Ösophagektomie ist das wichtigste resezierende Verfahren.
Merke
Der Vorteil der Ösophagektomie liegt in der kompletten Sanierung der Infektionsquelle.
Die Entscheidung zwischen einem transthorakalen und transhiatalen Vorgehen sollte
individuell unter Berücksichtigung der mediastinalen Kontamination und Lokalisation
erfolgen. Die transthorakale Ösophagektomie wird häufig durchgeführt, wenn bei ausgedehnter
mediastinaler bzw. pleuraler Kontamination simultan eine thorakale Lavage oder Dekortikation
erforderlich ist. Die Entscheidung für einen transhiatalen Zugang fällt hingegen eher
bei minimaler Kontamination. Bei der transhiatalen Ösophagektomie wird das Zwerchfell
gespalten und somit das untere Mediastinum breit eröffnet.
Eine sofortige, also primäre Rekonstruktion ist bei begleitender Mediastinitis oder
vorliegendem Pleuraempyem nicht zu empfehlen. In einem solchen Fall wird der Ösophagus
links zervikal vor dem M. sternocleidomastoideus ausgeleitet (Ösophagostomie) und
der Magen unterhalb des ösophagogastralen Übergangs abgesetzt. Bei der Ösophagostomie
ist auf eine Schonung des N. laryngeus recurrens und des N. vagus zu achten. Zur Möglichkeit
der enteralen Ernährung sollte im Rahmen dieses Eingriffs die Anlage eines Jejunalkatheters
erfolgen. Eine Gastrostomie sollte vermieden werden, um im Intervall eine problemlose
Rekonstruktion mittels Magenschlauch durchführen zu können.
Exklusion und Diversion
Dieses Verfahren sollte klinisch instabilen Patienten mit Multiorganversagen oder
Patienten mit einem Ösophaguskarzinom vorbehalten bleiben. Hierbei wird die Perforation
verschlossen und es erfolgt die Drainage mit Débridement. Anschließend erfolgt die
Anlage einer zervikalen Ösophagostomie (Diversion) mit oder ohne Resektion des verbleibenden
Ösophagus und die Anlage einer Gastrostomie und Jejunostomie, um den Anteil der Perforation
auszuschließen (Exklusion). Aufgrund der Notwendigkeit einer aufwendigen zweiten Operation
mit Komplexität, die Passage wiederherzustellen, führt man die Exklusion und Diversion
heutzutage nur selten durch. Der ausgeleitete Ösophagus sollte so lang wie möglich
bleiben und möglichst lateral ausgeleitet werden, um nicht mit einem möglichen Tracheostoma
zu interferieren. Die Wiederherstellung der Kontinuität erfolgt typischerweise frühestens
nach 6 Monaten.
Drainage
Die alleinige Drainagenanlage ist in der Behandlung von zervikalen Perforationen möglich
und wird typischerweise durchgeführt, wenn die Perforationsstelle nicht komplett dargestellt
werden kann. Bei thorakalen und abdominellen Perforationen ist dieses Verfahren kontraindiziert.
Die Platzierung einer T-Drainage wird bei Patienten, die kein ausgedehntes operatives
Verfahren tolerieren, angewandt. Das zugrunde liegende Prinzip ist die Anlage einer
kontrollierten ösophagokutanen Fistel. T-Drainagen können entweder offen oder auch
mittels VATS angelegt werden. Die simultane Drainage und ein Débridement sind dennoch
erforderlich, um den infektiösen Fokus zu kontrollieren.
Da auch nach der Anlage einer T-Drainage ein Defekt innerhalb des Ösophagus verbleibt,
besteht weiterhin ein sehr hohes Risiko der kontinuierlichen Leckage mit Kontamination
und auch einer chronischen Fistelbildung.
Praxistipp
Falls eine Primärnaht aufgrund von vorbestehenden Pathologien des Ösophagus oder schwerster
mediastinaler Sepsis bzw. ungünstigen Lokalverhältnissen nicht möglich ist, besteht
das chirurgische Vorgehen entweder in der Exklusion und Diversion oder einer Ösophagektomie.
Fallbeispiel
Am 9. postinterventionellen Tag und bereits nach einmaligem Wechsel der endoskopischen
endoluminalen Vakuumtherapie kam es zu einer klinischen Verschlechterung der Patientin
mit respiratorischer Insuffizienz und Katecholaminpflichtigkeit einer septischen Genese.
Nach notfallmäßiger Intubation und initialer Stabilisierung erfolgte die endoskopische
Kontrolle und eine erneute Bildgebung mittels CT-Thorax. In der Ösophagoskopie zeigt
sich ein progredienter Defekt an der damaligen Perforationsstelle mit Sichtung in
der Pleurahöhle, welche deutlich mit Fibrin und nekrotischem Material belegt war ([Abb. 4]). Die CT-Thorax ergab das Bild eines ausgedehnten Pleuraempyems ([Abb. 5]). Es wurde die Indikation zur notfallmäßigen chirurgischen Intervention mittels
Thorakotomie zur Empyemdekortikation und Salvage-Ösophagektomie mit kollarer Ausleitung
gestellt. Die Patientin wurde sofort in den OP gebracht.
Abb. 4 Endoskopische Kontrolle der Perforation mit nachweisbarer Größenprogredienz des ösophagealen
Defektes mit paraösophagealer Abszesshöhle.
Abb. 5 CT-morphologisches Bild eines ausgedehnten Pleuraempyems infolge der Ösophagusperforation.
Chirurgisches Vorgehen bei Magen- und Duodenalperforationen
Die Laparoskopie ermöglicht die minimalinvasive Versorgung von Magen- und Duodenalperforationen.
Bei unklarem Situs oder unsicherem Verschluss der Perforation sollte frühzeitig auf
ein offenes Vorgehen konvertiert werden.
Magenulkus
Das operative Vorgehen bei perforiertem vorderwandseitigem Magenulkus ([Abb. 6]) kann in der Regel laparoskopisch sicher versorgt werden.
Abb. 6 Perforiertes Magenulkus mit lokaler Peritonitis.
Operationsschritte:
-
Darstellung der Perforation mit Débridement von avitalem Gewebe
-
Vollwandbiopsie zum Ausschuss eines Malignoms
-
Blutstillung zur Vermeidung eines intramuralen Hämatoms nach Biopsie
-
Verschluss des Defektes mit Einzelknopfnähten mit resorbierbarem Nahtmaterial
-
Omentumplastik
-
Lavage – Drainage
Ulcus duodeni
Das operative Vorgehen beim Ulcus duodeni hängt maßgeblich von der Lokalisation des
Ulkus ab (ggf. auch intraoperative Endoskopie). Bei kreislaufstabilem Patienten und
kleinem postpylorischem vorderwandseitigen Ulkus kann ein laparoskopisches Vorgehen
möglich sein. Bei direkt postpylorischer Perforation sollte der Verschluss durch eine
Pyloroplastik nach Heinecke-Mikulicz erfolgen.
Bei Ulcera im Bereich der Papille oder der Hinterwand der Pars II/III muss der Verlauf
des Ductus hepaticus communis (DHC) beachtet werden. Gegebenenfalls kann hier eine
Cholezystektomie oder Choledochotomie mit Sondenschienung des Ganges hilfreich sein.
Eine Exzisionsbiopsie des Ulkusrandes ist nur bei makroskopisch tumorsuspektem Befund
erforderlich. Bei aktiver Blutung im postpylorischen Duodenum ist eine Quadrantenumstechung
sowie die Ligatur der A. gastroduodenalis und der A. gastroepiploica dextra notwendig,
um Rezidivblutungen zu vermeiden.
Für den primären Verschluss sollte das Duodenum von lateral mobilisiert werden (Kocher-Manöver).
Bei ausgedehnten Befunden kann eine Erweiterung des Eingriffs mit duodenaler Resektion
und Seit-zu-End-Duodenostomie nach Roux-Y und ggf. Anlage einer biliodigestiven Anastomose
oder eine PPPD erforderlich sein. Bei Ulcera der Pars descendens kann ggf. eine Gastroduodenostomie
(Finney oder Jaboulay) für den Defektverschluss genutzt werden.
Operationsschritte:
-
Darstellen und laterale Mobilisation des Duodenums
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Duodenotomie und Umstechung der Blutung
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Zweireihiger Defektverschluss, ggf. Omentumplastik
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Kontrolle auf Bluttrockenheit
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Lavage – Drainage
Praxistipp
Bei perforiertem Magenulkus ist die Vollwandbiopsie zum Ausschluss eines Malignoms
in der Regel erforderlich. Bei perforiertem Ulcus duodeni ist die Exzisionsbiopsie
des Ulkusrandes nur bei makroskopisch tumorsuspektem Befund erforderlich, da eine
Malignität sich eher selten als Ursache der Perforation darstellt.
Abb. 7 Mögliches Vorgehen bei Perforationen am oberen Gastrointestinaltrakt.