Notfallmedizin up2date 2020; 15(02): 169-183
DOI: 10.1055/a-1068-3521
Neurologische Notfälle

Notfallmanagement epileptischer Anfälle

Ralph Schreiner

Etwa 8 – 10% der Bevölkerung erleiden im Laufe des Lebens zumindest einen epileptischen Anfall. Etwa 3% erkranken mit zunehmender Tendenz aufgrund der epidemiologischen Altersentwicklung an einer Epilepsie [1]. Epileptische Anfälle sind deshalb eine häufige Ursache für die Alarmierung des Rettungsdienstes und für 1 – 2% der Notfallaufnahmen in Kliniken verantwortlich [2]. Notfallmediziner und Neurologen müssen in der Lage sein, einen epileptischen Anfall zu erkennen und zu behandeln.

Kernaussagen
  • Epileptische Anfälle sind eine häufige Ursache für Rettungsdiensteinsätze und Notfallaufnahmen und müssen durch Notfallmediziner und Neurologen korrekt diagnostiziert und behandelt werden.

  • Fehldiagnosen sind häufig. Die wichtigsten Differenzialdiagnosen sind eine (konvulsive) Synkope sowie der psychogene nicht epileptische Anfall. Eine differenzierte Anamnese und Fremdanamnese sind essenziell.

  • Bei erstmaligen oder unklaren Anfällen verdoppelt eine rasche EEG-Diagnostik noch am gleichen Tag die Wahrscheinlichkeit für den Nachweis epilepsietypischer Entladungen.

  • Provokationsfaktoren sind nicht selten für einen erstmaligen Anfall verantwortlich und auch für Rezidive bei einer bereits bekannten Epilepsie relevant.

  • Akute symptomatische Anfälle erfordern insbesondere bei einer akuten Hirnschädigung eine antikonvulsive Prophylaxe, die im Verlauf evaluiert werden muss.

  • Benzodiazepine eignen sich als Notfallmedikamente bei prolongierten Anfällen und Anfallsrezidiven am gleichen Tag. Mittel der Wahl sind

    • Midazolam bukkal oder intranasal,

    • Diazepam rektal sowie

    • Lorazepam sublingual (späterer Wirkungseintritt).

  • Der Status epilepticus (SE) ist definiert als Anfall, der eine Dauer von 5 Minuten überschreitet, oder als eine Anfallsserie, zwischen denen keine vollständige Erholung eintritt.

  • Die Therapie des konvulsiven SE erfolgt stufenadaptiert:

    • In der Initialphase werden hochdosiert Benzodiazepine gegeben.

    • Beim etablierten SE erfolgt eine intravenöse Gabe von Antikonvulsiva.

    • Beim refraktären SE ist eine Burst-Suppression-Narkose anzustreben.



Publication History

Article published online:
04 June 2020

Georg Thieme Verlag KG
Stuttgart · New York