Sprache · Stimme · Gehör 2020; 44(02): 77
DOI: 10.1055/a-1109-2939
Kommentar

Kommentar zum Schwerpunkt „Kognitive Kommunikationsstörungen“

Annette Baumgärtner
Kommentar zum Schwerpunkt „Kognitive Kommunikationsstörungen“

Kognitive Kommunikationsstörungen („cognitive communication disorders/CCD“) treten meist nach erworbenen Hirnschädigungen wie Schädel-Hirn-Trauma oder Infarkten der rechten Hemisphäre auf; sie können jedoch auch Teil des Störungsbildes bei psychischen Erkrankungen oder dementiellen Entwicklungen sein. Kognitive Kommunikationsstörungen umfassen je nach auslösender Grunderkrankung mehrdimensionale Symptomspektren, die von eingeschränktem Verständnis figurativer Sprache über erschwerte Textverarbeitung bis hin zur gestörten sozialen Kognition reichen können.

Kognitive Kommunikationsstörungen befinden sich somit an der Schnittstelle zwischen Sprache, Kognition und Sozialverhalten, und involvieren mehrere Berufsfelder, allen voran Sprachtherapie und Neuropsychologie. Multiprofessionelle Zusammenarbeit ist erforderlich in der Festlegung einer einheitlichen Terminologie und Klassifikation der komplexen Störungsbilder, und in der systematischen Entwicklung effizienter und evidenzbasierter Diagnostikinstrumente und Behandlungsansätze.

Eine bestmögliche Versorgung von Patienten mit kognitiven Kommunikationsstörungen wird zusätzlich dadurch erschwert, dass (bspw. nach ischämischen Infarkten der rechten Hemisphäre) die Symptome weniger oft erkannt und die Betroffenen daher häufig zu spät (z. B. außerhalb des kritischen Zeitfensters für eine neuroradiologische Intervention) oder erst nach deutlicher Verschlechterung der Symptomatik versorgt werden. Selbst von behandelnden Ärzten oder Therapeuten werden kognitive Kommunikationsstörungen insbesondere bei älteren Betroffenen mitunter als Äußerung normaler Alterungsprozesse missinterpretiert. Zudem sind sich die Patienten der Einschränkungen ihrer Kommunikationsfähigkeit bzw. den sozialen Folgen dieser Veränderungen oft nicht vollständig bewusst oder schätzen sie als weniger bedeutsam für ihre Teilhabe ein als ihre Angehörigen.

All dies zeigt enorme Forschungs- und Entwicklungsbedarfe in multiprofessioneller Diagnostik und Therapie mit dem Ziel einer Verbesserung der Teilhabe von Menschen mit kognitiven Kommunikationsstörungen. Die folgenden Beiträge leisten dazu einen wichtigen Beitrag.

Prof. Annette Baumgärtner, PhD Studiengang Ergotherapie/Logopädie, Universität zu Lübeck



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Article published online:
16 June 2020

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