ergopraxis 2020; 13(03): 46-47
DOI: 10.1055/a-1113-2953
Perspektiven
© Georg Thieme Verlag Stuttgart – New York

Voneinander und miteinander lernen – ergotag 2020

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Publication Date:
03 March 2020 (online)

 

    Interdisziplinarität ist in aller Munde – vom 7. bis 9. Februar 2020 wurde sie auch gelebt. Insgesamt kamen rund 800 Therapeuten im Rahmen des ergotags und des physiokongresses in Stuttgart zusammen. Sie hatten unter anderem Gelegenheit, gemeinsam Vorträge zur Handtherapie, neurologischen Rehabilitation oder zu politischen Themen zu besuchen.


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    Einen fesselnden Kongressauftakt lieferte der Arzt und Philosoph Prof. Giovanni Maio. Er betonte, wie wichtig eine gute Beziehung zwischen Therapeut und Patient sei. Dabei sei es zweitrangig, wie gut der Therapeut seine Handgriffe beherrsche – erst die gekonnte zwischenmenschliche Interaktion ließe eine Behandlung gelingen. Das Publikum hing an Maios Lippen, und sowohl erfahrene Kollegen als auch angehende Therapeuten zeigten sich begeistert, wie er ihre Profession aus philosophischer Sicht wertschätzte.

    Premiere feierte der Vortragsstrang zur Handtherapie, dessen Inhalte sich vor allem um die Folgen von Handverletzungen bei älteren Personen drehten. Die Ergotherapeutin Rebecca Groth erklärte: „Ein Körper ist wie ein Beamter, der nichts ohne Aufforderung macht. Knorpel etwa wird weniger, wenn wir ihn nicht belasten.“ Sie betonte, wie häufig sich geriatrische Klienten in einem Teufelskreis aus Immobilisation, neuromuskulären Beeinträchtigungen, Stürzen und Frakturen befinden. Die bekannte Frage nach dem Huhn und dem Ei bleibt dabei nicht aus.

    Während des Neuroreha-Tags beeindruckte Ergotherapeut Jakob Tiebel mit einer App, die er in engagierter Eigenleistung entwickelte. Mit ihrer Hilfe können Therapeuten die wertvollen Erkenntnisse der S2e-Leitlinie „Rehabilitation der Mobilität nach Schlaganfall“ (ReMoS) in die tägliche Praxis übertragen. So erfahren sie binnen Sekunden, welche Interventionen bei welcher Klientel etwa zur Steigerung der Gehfähigkeit oder der Gangsicherheit beitragen – und welche Evidenz dahintersteckt. Also: www.bit.ly/ReMoS besuchen und das Programm ausprobieren.

    Den ergotag, der unter dem Motto „Herausforderungen im Therapiealltag meistern!“ stattfand, eröffnete Karin Bishop. Die Ergotherapeutin aus England stellte zwei Kampagnen ihres Berufsverbands Royal College of Occupational Therapists (RCOT) vor, die sich einem ganz zentralen Problem widmeten: Die Gesellschaft weiß nicht, was Ergotherapie ist und was sie bewirken kann. Bislang meinen viele: „Occupational Therapy is nice but not essential.” Karin Bishop möchte das ändern, denn: „Who wants to be nice?!” Mit vielen Postkarten, Broschüren, Videos und interaktiven Medien stellt das RCOT den britischen Ergotherapeuten Materialien zur Verfügung, um gegenüber Klienten, Verordnern, der Gesellschaft, der Politik und Kostenträgern zu erklären, wie wichtig die ergotherapeutische Versorgung ist. Ein inspirierender Vortrag, der viele Ideen auch für die Therapeuten hierzulande lieferte.

    Mit einer ganz anderen Herausforderung beschäftigte sich Elfriede Galler, die als Ergotherapeutin in Österreich arbeitet. Schon seit vielen Jahren betreut sie Lernende, die im Rahmen ihrer Berufsausbildung ein Praktikum in ihrer Einrichtung absolvieren. Ihr fiel auf, dass die Studierenden Wissen mitbringen, von dem sie noch nie gehört hatte. Denn ihre eigene Ausbildung liegt schon Jahrzehnte zurück. Sie hatte das Gefühl, nicht mehr „auf dem Laufenden“ zu sein und den Lernenden nicht die praktische Ausbildung bieten zu können, die sie benötigen. So entschloss sie sich, ein evidenzbasiertes Anforderungsprofil zu den Kompetenzen zu entwickeln, die ein Praxislehrender heutzutage mitbringen muss. Mit viel Witz erzählte sie von dem Prozess, in dem sie sich das wissenschaftliche Arbeiten aneignete. Das Ergebnis ihrer Masterarbeit präsentierte sie dem Publikum. Sie kann also stolz behaupten, sich dieser Herausforderung gestellt zu haben – ein passender Abschluss des ergotags 2020.

    Wer beim nächsten ergotag und physiokongress dabei sein möchte, sollte sich schon mal den 5.–7. Februar 2021 notieren.

    mru

    Kinder entwickeln im Tun mit anderen ein positives Selbstbild.
    Stefanie Völler sprach über das Gruppenkonzept „Ich bin stark!“.

    Reden wir mit Klienten über ihre sexuelle Identität, sollten wir auch unsere eigene kennen.
    Jens Schneider referierte über Sexualität als Betätigungsanliegen.

    Das Prickeln einer eiskalten Limonade spüren – das gibt mir im Alltag Kraft.
    Franziska Heigl stellte den Mini-AktivitätenAnsatz vor.

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    Abb.: Thieme Gruppe
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    Ein Ergotherapeut, der auch Therapie-Apps entwickeln kann: Jakob Tiebel
    Abb.: Thieme Gruppe
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    Mit viel Humor berichtete Elfriede Galler, wie sie sich das wissenschaftliche Arbeiten selbst beibrachte.
    Abb.: Thieme Gruppe
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    Karin Bishop (links) eröffnete den ergotag damit, wie Ergotherapeuten für ihre Profession werben können und inspirierte nicht nur die ergopraxis-Herausgeberinnen Christina Janssen (Mitte) und Simone Gritsch (rechts).
    Abb.: Thieme Gruppe
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    Handtherapeutin Rebecca Groth fokussierte die Behandlung älterer Klienten.
    Abb.: Thieme Gruppe
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    Prof. Giovanni Maio zog das Publikum mit seiner philosophischen Sicht auf die Therapie in den Bann.
    Abb.: Thieme Gruppe
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    Am Thieme-Stand auf der Fachmesse TheraPro hatten die Besucher Gelegenheit, in der neuesten Literatur zu stöbern und die ergopraxis-Redaktion kennenzulernen.
    Abb.: Thieme Gruppe

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    Abb.: Thieme Gruppe
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    Ein Ergotherapeut, der auch Therapie-Apps entwickeln kann: Jakob Tiebel
    Abb.: Thieme Gruppe
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    Mit viel Humor berichtete Elfriede Galler, wie sie sich das wissenschaftliche Arbeiten selbst beibrachte.
    Abb.: Thieme Gruppe
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    Karin Bishop (links) eröffnete den ergotag damit, wie Ergotherapeuten für ihre Profession werben können und inspirierte nicht nur die ergopraxis-Herausgeberinnen Christina Janssen (Mitte) und Simone Gritsch (rechts).
    Abb.: Thieme Gruppe
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    Handtherapeutin Rebecca Groth fokussierte die Behandlung älterer Klienten.
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    Prof. Giovanni Maio zog das Publikum mit seiner philosophischen Sicht auf die Therapie in den Bann.
    Abb.: Thieme Gruppe
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    Am Thieme-Stand auf der Fachmesse TheraPro hatten die Besucher Gelegenheit, in der neuesten Literatur zu stöbern und die ergopraxis-Redaktion kennenzulernen.
    Abb.: Thieme Gruppe