Flugmedizin · Tropenmedizin · Reisemedizin - FTR 2020; 27(03): 105
DOI: 10.1055/a-1143-2313
Editorial
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Aktuelle Lage der Flugmedizin

Torsten M. Pippig
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Publication Date:
16 June 2020 (online)

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen!

In diesen Tagen und Monaten und wahrscheinlich bis 2021 und 2022 wird Deutschland, Europa und die Welt durch die Coronapandemie geprägt und stark belastet sein. Die Welt wird danach eine andere sein. Ich schreibe dieses Editorial am 19. Mai 2020, die FTR erscheint am 16. Juni 2020, meine Worte könnten dann überholt sein. Alle Bereiche der Gesellschaft, Wirtschaft, Kultur, Sport und der Arbeitswelt sind seit März schwer betroffen, auch die Luftfahrtbranche. Der Luftverkehr verbindet Menschen und Kulturen weltweit. Unternehmen erschließen mit dem Luftverkehr neue Märkte auf allen Kontinenten. Flugverbindungen sichern Beschäftigung. Im Jahr 2019 gab es ca. 47 Mio. Flüge in der weltweiten Luftfahrt. 2009 wurden 159 Mio. Flugpassagiere in Deutschland registriert, 2019 waren es 227 Mio. (+ 70 %). Im Jahr 2017 sicherten die Luftverkehrswirtschaft und die Luftfahrtindustrie Beschäftigung für rund 848 700 Menschen in Deutschland. Es gibt in Deutschland ca. 60 Airlines, die größte Fluggesellschaft ist die Lufthansa mit 130 000 Mitarbeitern und 763 Maschinen (zum Vergleich British-Airways 45 000/275, KLM 32 000/122). 10 000 Mitarbeiter der LH und 12 000 von BA könnten ihre Arbeitsplätze, auch Piloten und Kabinenpersonal, verlieren. Wie es wirklich weitergeht, das weiß derzeit niemand. Am 17. März startete das Auswärtige Amt, zusammen mit Reiseveranstaltern und Fluggesellschaften, nachdem viele Länder ihre Grenzen geschlossen und Flugverbindungen gekappt hatten, die größte Rückholaktion in der Geschichte der Bundesrepublik. Insgesamt kehrten 240 000 Reisende nach Hause zurück. Eine einmalige Leistung, die es nicht noch einmal geben wird. Weniger Fluggesellschaften und weniger Flugzeuge bedeuten weniger Flugreisen, weniger Piloten und Flugbegleiter und folgend weniger Fliegerärzte? Oder kommt es doch anders?

Auch die flugmedizinische Aus-, Fort- und Weiterbildung ist unvorbereitet und hart getroffen worden. Veranstaltungen und Kongresse wurden abgesagt (Kölner Fliegertage, 1. ICAM in Paris), andere wurden in den Herbst verschoben (Jahrestagung der ÖGLM in Niederöblarn, 91. AsMA in Paris, 37. Bayerische Fliegerärztetagung in Olching), andere hoffen durchgeführt werden zu können (58. DGLRM in Schleißheim, Fliegerarzttagung der Bundeswehr in Dresden, E/28 Refresher der DAF in Seeheim). Eine besondere Herausforderung für die DGLRM und die DAF wird die Durchführung des diesjährigen Basic-Kurs und Advanced-Kurs für die Ausbildung zum Aeromedical Examiner (AME) werden. Jeder Arzt und auch Fliegerarzt muss sich fort- und weiterbilden, 10 Fortbildungsstunden pro Jahr und 30 Stunden in 3 Jahren. Dies ist eine Bedingung für die Erst- und Nachlizensierung der Fliegerärzte (AME) durch die Behörden (LBA und BAF). Die aktuelle Situation und auch die Folgen werden uns zwingen, neue Wege der Wissensvermittlung zu finden und anzuwenden. Aber, wir sind Ärzte und unsere Probanden oder Patienten sind Menschen. Die Anamnese, die körperliche Untersuchung, die Anwendung moderner diagnostischer Verfahren und die Begutachtung ist eine ärztliche Kunst, die man nicht (nur) am PC, mit dem Tablet oder im Lehrbuch erlernt. Die Vergangheit lehrt uns, die fliegerärztliche Begutachtung ist eine verantwortungsvolle Aufgabe, egal ob Segelflieger oder Kapitän eines Airliners. Auch deshalb setzt sich unsere Gesellschaft für den Erhalt der Zusatzbezeichnung „Flugmedizin“ ein.

Nun zur aktuellen Ausgabe, die unter dem Leitthema „Flugmedizin“ steht. Die 5 publizierten Artikel beschreiben die Breite der Themen in der Flugmedizin. Ich danke allen Autoren. Den Leser bitte ich, die Aufsätze kritisch zu lesen. Lob und Anerkennung sind gewünscht, ebenso kritische Kommentare und Anmerkungen. Nur der Austausch untereinander und die Kommunikation miteinander bringen uns wirklich weiter. Nutzen Sie die FTR, um selbst zu publizieren, ein erfahrenes Redaktionsteam und die Verantwortlichen der Fachgesellschaften werden Ihnen helfen.