Schlüsselwörter
Vena saphena parva - Parvakrosse - Rezidivvarikose der V. saphena parva - Mündungsanomalien
Key words
small saphenous vein - saphenopopliteal junction - saphenopopliteal recurrence - junction
anomalies
Von den jährlich ca. 350 000 durchgeführten Eingriffen am epifaszialen Venensystem
entfallen etwa 10–19 %, in unserem eigenen Krankengut 15 %, auf die Chirurgie der
V.-saphena-parva-Krosse. Nähere Einzelheiten diesbezüglich haben wir in einer Übersichtsarbeit
kürzlich in der Zeitschrift Phlebologie gegeben [28]. Nach Hach [10] beträgt die Häufigkeit der V. saphena parva im Vergleich zur V. saphena magna 1:6.
Frauen sind doppelt so häufig betroffen wie Männer. Das linke Bein ist leicht bevorzugt
[8] ([Abb. 1]).
Abb. 1 Eindrucksvolle kräftige Stammvarikose der V. saphena parva am linken Bein. Der subfasziale
Verlauf bis zur Krosse ist mittels Farbstift markiert.
Die Parvakrossektomie
Eine Krossektomie der V. saphena magna im Sinne der von Hach geforderten „Abtragung
der Stammvenen unmittelbar an der Einmündung in die tiefe Leitvene und die Resektion
der Schleusenregion nach Dissektion der in die Krosse einmündenden kleinen Seitenäste“
ist immer möglich. Hier gibt es keine Ausnahmen oder anatomischen Gründe, die ein
solches Vorgehen nicht zulassen. Ein belassener Stumpf nach Magnakrossektomie – gleich
wie lang – ist ein technischer Fehler und häufig Ursache für die Entwicklung einer
Rezidivvarikose. Dies hat die deutsche Leistenrezidiv-Studie eindrucksvoll belegt
[18].
Damit haben Mumme et al. die alte Erkenntnis von G. Salzmann, dem langjährigen Oberarzt
von Prof. Hach, untermauert, die lautete: Die Ursache der Rezidivvarikose ist nicht
die angeborene venöse Insuffizienz, sondern die nicht erworbene chirurgische Effizienz
([Abb. 2], [3]).
Abb. 2 Korrekte Krossektomie der V. saphena magna (VSM). Ligatur im Niveau der tiefen Vene.
Abb. 3 Rekrossektomie mit belassenem Magnastumpf. Eindeutiger technischer Fehler bei der
Erstoperation. Kein Neovaskulat!
Dass trotz dieser klaren Vorgabe vielfach, gerade im angloamerikanischen Schrifttum,
diese fundamentalen Prinzipien einer sauberen Krossektomie nicht beachtet werden,
haben wir wiederholt ausführlich dargelegt [11]
[28]
[29]. Im Gegensatz zur Magnakrossektomie bestehen bei der V.-saphena-parva-Varikose keine
allgemein anerkannten Richtlinien hinsichtlich ihrer Versorgung im Einmündungsbereich
in die tiefe Vene. Hach und Mumme [10] beschreiben die Parvakrossektomie als Abtragung der V. saphena parva unmittelbar
in der Einmündung in die V. poplitea mit ggf. notwendiger Ligatur der Muskelvenen
([Abb. 4], [5]).
Abb. 4 Schematische Darstellung des OP-Situs in der Fossa poplitea.
Abb. 5 Korrekte Parvakrossektomie mit Ligatur der in die Parvakrosse einmündenen Vv. gastrocnemiae.
Die aktuellen Leitlinien zur Therapie der Varikose [2] geben neben der von Hach und Mumme empfohlenen niveaugleichen Ligatur der Parvakrosse
auch die mündungsnahe Ligatur an. Dies deshalb, weil laut Leitlinien eine niveaugleiche
Ligatur häufig, aber nicht immer möglich ist. Eine durchaus sinnvolle Ergänzung zu
den Angaben von Hach und Mumme.
Dabei sollten laut Leitlinien nicht resorbierbare Nahtmaterialen benutzt werden, wie
eine Umfrage unter Varizenchirurgen in Deutschland, Österreich und der Schweiz schon
vor 20 Jahren ergeben hat [15]. Die Verfasser der Leitlinie sehen in der Verwendung von nicht resorbierbarem Nahtmaterial
zur Parva- und Magnakrossektomie die einfachste und kostengünstigste Maßnahme zur
Rezidivverhütung [16]
[23]. Auch Hach und Mumme [10] empfehlen zur Parvakrossektomie eine doppelte Ligatur mit nicht resorbierbarem Nahtmaterial.
Der besondere Variantenreichtum der Parvamündungssituation mit teilweise ventraler
bzw. lateroventraler Einmündung der V. saphena parva in die tiefe Leitvene ist ein
Grund, weshalb eine niveaugleiche Parvakrossektomie nicht in allen Fällen durchgeführt
wird [13]
[14]
[33]. In wenigen Ausnahmefällen ist daher eine mündungsnahe Ligatur der V. saphena parva
entsprechend den aktuellen Leitlinien sicherer und nebenwirkungsärmer. Dies betrifft
sowohl Anomalien der Parvakrosse als auch Besonderheiten in der topografischen Situation
der motorischen Nerven in der Kniekehle. Bevor eine Verletzung der tiefen Vene bzw.
eine motorische Nervenläsion riskiert wird, indem man eine niveaugleiche Parvakrossektomie
erzwingt, ist nach unserer Meinung eine mündungsnahe Ligatur sinnvoller und nebenwirkungsärmer.
Mit zunehmender Erfahrung des Operateurs steigt jedoch die Quote der niveaugleichen
Parvakrossektomie [28]. Die Parvakrossektomie wird in einem nicht unerheblichen Prozentsatz durch in die
Parvakrosse einmündende Muskelvenen erschwert. In seinem Phlebografie-Standardwerk
„Phlebografie der Bein- und Beckenvenen“ [8] gibt Hach an, dass die V. saphena parva und die Vv. gastrocnemiae in 32 % der Fälle
mit einem gemeinsamen Stamm in die V. poplitea einmünden. Eine Unterbindung der Muskelvenen
bzw. eine exakte Ligatur der V. saphena parva im Bereich der saphenopoplitealen Junktionszone
blockiert den Abstrom des Blutes aus den Gastrocnemiusvenen auch ohne direkte Ligatur
derselben. In einer kleinen Kohortenstudie an 55 Patienten beobachteten wir in 38 %
der Fälle, in Analogie zu den 32 % bei Hach, direkt in die Parvakrosse einmündende
Gastrocnemiusvenen [30].
Nach Ligatur dieser Muskelvenen sahen wir 14 Tage postoperativ nur in 6 % eine Muskelvenenthrombose
der ligierten Gastrocnemiusvenen. Unter anderem auch aufgrund der Ektasie und Dünnwandigkeit
dieser Gastrocnemiusvenen ist die korrekte Parvakrossektomie ein anspruchsvoller venenchirurgischer
Eingriff, der beim Operateur eine große chirurgische Erfahrung voraussetzt [10] ([Tab. 1]).
Tab. 1
Probleme, die bei der Parvakrossektomie auftreten können.
hohe Einmündung
|
Überkreuzung motorischer Nerven im unmittelbaren Krossenbereich
|
ventrale Mündung
|
Mehrfacheinmündung der VSP
|
Kaliberreduktion der lateralen Kniekehlenperforansvene in Mündungsnähe
|
Einmündung von Gastrocnemiusvenen in die Parvakrosse
|
Gastrocnemiusinsuffizienz mit klinischem Bild der Parvavarikose
|
Präoperative Diagnostik
Jeder Parvakrossektomie muss eine subtile bildgebende Diagnostik vorausgehen. Dies
erfolgt heutzutage in den allermeisten Fällen mittels Farbduplexsonografie, nur noch
selten per aszendierender Pressphlebografie, ggf. ergänzt durch eine Varikografie
[8]. Es ist das große Verdienst von W. Hach, die besonderen Mündungsvarianten der Parvakrosse
phlebografisch herausgearbeitet und damit überhaupt erst eine sich am Ursprung des
Refluxes (Rezirkulationskreislauf nach Hach) orientierte operative Vorgehensweise
ermöglicht zu haben [9] ([Abb. 6], [7], [8]).
Abb. 6 Phlebografische Darstellung der Parvakrosse: klassische Einmündungssituation. Die
V. gastroncnemia mündet isoliert distal in der V. poplitea.
Abb. 7 Phlebografische Darstellung der Parvakrosse: atypisch gedoppelte Mündungssituation.
Abb. 8 Phlebografische Darstellung der Parvakrosse: völlig atypische Mündungssituation;
der Pfeil markiert die Einmündung der V. saphena parva in die V. poplitea. Das Zentimeterraster
erleichtert die Schnittführung intraoperativ.
Die topografisch-anatomische Übersicht ist in der Duplexdiagnostik heutzutage nicht
mehr in der Art gegeben wie auf den übersichtlicheren phlebografischen Aufnahmen.
Unstrittig ist jedoch, dass die Farbduplexsonografie heute die Phlebografie ersetzt
hat ([Abb. 9]).
Abb. 9 Farbduplexsonografie der Parvakrosse: Einmündung der V. gastrocnemia in die V. saphena
parva.
Die unterschiedlichen Mündungshöhen der V. saphena parva in das tiefe Venensystem
hat Hach mit exakten Prozentangaben in seinem Standardwerk „Venenchirurgie“ [10] ausführlich beschrieben. Eigene, noch mittels Pressphlebografie durchgeführte Untersuchungen
zur Mündungssituation der V. saphena parva haben ergeben, dass in ca. 50 % der Fälle
die Parvamündung 2 bis 5 cm oberhalb des röntgenologischen Kniegelenkspaltes liegt
[31]. In weiteren rund 30 % der Fälle lag die Einmündung 5 bis 8 cm oberhalb des Kniegelenkspaltes.
Ventrale Einmündungen, dorsolaterale Einmündungen, Mündungsaneurysmen sowie in die
Parvakrosse einmündende, teils ektatisch veränderte Gastrocnemiusvenen kommen vor
([Tab. 2]).
Tab. 2
Mündungsvarianten der Parvakrosse mittels aszendierender Pressphlebografie nach Hach.
Mündungshöhe (n = 127)
|
Mündungsanomalien (n = 140)
|
unterhalb kniegelenkspalt
|
n = 0 (0,0 %)
|
ventrale Mündung
|
n = 10 (7,1 %)
|
bis 2 cm oberhalb
|
n = 7 (5,6 %)
|
laterale Mündung
|
n = 22 (15,7 %)
|
2 bis 5 cm oberhalb
|
n = 66 (52,4 %)
|
Aneurysma
|
n = 20 (14,1 %)
|
5 bis 8 cm oberhalb
|
n = 42 (33,3 %)
|
|
|
8 bis 11 cm oberhalb
|
n = 8 (6,3 %)
|
|
|
11 bis 15 cm oberhalb
|
n = 1 (0,8 %)
|
|
|
15 bis 20 cm oberhalb
|
n = 1 (0,8 %)
|
|
|
oberhalb 20 cm
|
n = 1 (0,8 %)
|
|
|
keine Angaben
|
n = 13 (9,3 %)
|
|
|
Am häufigsten findet sich eine spitzwinklige, ca. 3 bis 4 cm oberhalb der Kniegelenksfalte
lokalisierte Parvakrosse. Aber auch sehr torquierte Mündungsanomalien bzw. siphon-
oder doppelsiphonartige Mündungsverläufe der V. saphena parva werden beobachtet ([Abb. 10]).
Abb. 10 Sonografische Darstellung einer siphonartigen Parvaeinmündung.
Die präoperative Diagnostik vor einer Parvakrossektomie erfolgt am stehenden Patienten
mit leicht gebeugtem Knie. Dabei ist zu fordern, dass die Untersuchung durch den Operateur
selbst vorgenommen wird. Die exakte Mündungshöhe lässt sich durch kleine Druckmarkierungen
mittels Kugelschreiber leicht festlegen. Mündungshöhe und Mündungsverlauf der V. saphena
parva sind hiernach mittels Farbstifts einfach zu markieren. Ergänzend zu der beschriebenen
bildgebenden Farbduplexuntersuchung führen wir präoperativ eine Phlebodynamometrie
durch ([Abb. 11]).
Abb. 11 Normalisierung der Druckkurve nach Kompression der proximalen V. saphena parva. mk = mit
Kompression; ok = ohne Kompression.
Nur wenn diese Funktionsdiagnostik zu einer Normalisierung der venösen Hämodynamik
nach manueller Ausschaltung des pathologischen Rezirkulationskreises nach Hach führt,
sehen wir eine Indikation zu einem aktiven Vorgehen. Der Farbduplex reicht uns allein
als OP-Kriterium nicht aus!
OP-Technik
Die OP muss in Bauchlage mit um 30 Grad gebeugtem Kniegelenk erfolgen [10]
[28].
Bei kombinierten Eingriffen im V.-saphena-magna- und -parva-Versorgungsgebiet ist
eine intraoperative Umlagerung des Patienten notwendig. Operationen der V. saphena
parva in Seitenlage bzw. in Rückenlage mit eleviertem Bein erschweren eine korrekte
Parvakrossektomie und gehen mit einem erhöhten Verletzungsrisiko von Nachbarstrukturen
einher und sollten daher unterbleiben!
Die Resultate der nachfolgend zitierten retrospektiven Parva-Studie beruhen ausnahmslos
auf einer Operation in Bauchlage. Die exakte OP-Technik haben wir kürzlich beschrieben
[28]. Die quere Schnittführung in der Kniekehle muss je nach anatomischer Situation,
Vorhandensein von Mündungsanomalien, der Höhe der Parvaeinmündung in Relation zum
Kniegelenk und der Dicke des Beines ausreichend groß gewählt werden. Eine gute chirurgische
Übersicht hat Priorität vor einer kleinen Narbe! Ein zu kleiner Schnitt verringert
die Übersicht, erhöht das Operationsrisiko und geht mit einem erhöhten Krossenrezidivrisiko
einher [10].
Eine Parvakrossektomie muss ein trockener Eingriff sein. Jegliche Gefäßverletzungen
sind zu vermeiden. Die Chirurgie der Parvakrosse erfordert ein „feines Händchen“.
Wundspreizer dürfen wegen des Verletzungsrisikos von Nerven bzw. dünnwandigen Venen
(Gastrocnemiusvenen, ektatische Parvakrosse) nicht eingesetzt werden. Bei uns hat
sich das 4-Hände-Prinzip bewährt (2-mal Roux-Haken, 2-mal Langenbeck-Haken). Man benötigt
deshalb als OP-Team bei einer Parvakrossektomie 2 OP-Schwestern bzw. 1 OP-Schwester
und 1 ärztlichen Assistenten. Bei der Krossektomie der V. saphena parva und insbesondere
bei der Rezidivkrossektomie der V. saphena parva sind Verletzungen der motorischen
Nerven denkbar [28].
Wir suchen bei einer Parvakrossektomie den N. tibialis daher direkt auf, präparieren
ihn langstreckig und verlagern ihn, sofern zur niveaugleichen Ligatur nötig, vorsichtig
mittels Langenbeck-Haken, besser mittels breitem Vesselloop, zur Seite; streng dem
operativen Prinzip folgend „was ich sehe, mach ich nicht kaputt“.
Der kräftige N. tibialis liegt bei der Parvakrossektomie mitten im OP-Feld, häufig
direkt auf dem Dach der V. poplitea. Der N. tibialis liegt in 54 % der Fälle medial
und in 51 % lateral der V. saphena parva [17]. Der N. peroneus muss nur bei sehr lateralem Mündungsverlauf der V. saphena parva
aufgesucht, aber dann auch langstreckig sehr vorsichtig präpariert werden. Der N. peroneus
ist eine „Mimose“. Er nimmt jeglichen Druck oder Zug übel. Man darf ihn ansehen, aber
nicht mit der Pinzette anfassen. Der N. peronaeus muss sehr sorgsam, vorsichtig, zart
präpariert und gegebenenfalls sorgsam zur Seite verlagert werden. Zuweilen liegt die
Parvakrosse direkt unter der y-förmigen Gabelung des N. ischiadicus in den N. peroneus
und den N. tibialis ([Abb. 12], [13], [14]).
Abb. 12 OP-Situs Fossa poplitea; Nähe des N. tibialis (N. tib.) zur V. saphena parva (VSP).
Abb. 13 OP-Situs V.-saphena-parva-Krosse mit motorischen Nerven. VSP = V. saphena parva;
N.tib = N. tibialis; N. peron = N. peroneus; V. popl = V. poplitea.
Abb. 14 OP-Situs V.-saphena-parva-Krosse mit motorischen Nerven. VSP = V. saphena parva;
N.tib = N. tibialis; N. peron = N. peroneus; V. popl = V. poplitea.
In diesen Fällen ist eine vorsichtige subtile, langstreckige Freilegung der 3 Nerven
angezeigt. Ohne Zug oder Spannung erfolgt dann eine Verlagerung der V. saphena parva
unter den Nerven hindurch nach medial oder lateral, je nach anatomischer Situation,
bis die Parvakrosse eindeutig verifiziert und sorgfältig präpariert werden kann, um
eine niveaugleiche Parvakrossektomie durchzuführen ([Abb. 15]).
Abb. 15 Korrekte niveaugleiche Parvakrossektomie. VSP = V. saphena parva; N.tib = N. tibialis;
N. peron = N. peroneus; V. popl. = V. poplitea.
Jeglicher Druck oder Zug an den beiden Nerven, insbesondere am N. peroneus, sollte
dabei unterlassen werden. Am schonendsten ist eine Verlagerung der Nerven mittels
breitem Vesselloop, manchmal muss aber auch ein schmaler Langenbeck-Haken eingesetzt
werden. Der N. tibialis ist „robust“. Bei ca. 6000 Parvakrossektomien haben wir nie
eine Verletzung oder druckbedingte Schädigungen des N. tibialis beobachtet. Allerdings
kam es 3-mal zu einer druckbedingten passageren Schädigung des N. peroneus in unserem
Krankengut. In allen 3 Fällen kam es zu einer vollständigen Restitutio ad integrum.
Bei einem sehr muskulösen Sporttaucher hat es aber nahezu 1 Jahr gedauert, bis sich
die Fußhebeschwäche völlig zurückgebildet hatte.
Hach zitiert in seinem Standardwerk „Venenchirurgie“ [10] das Krankengut von Helmig aus dem Jahr 1983 [12], der bei 1094 Parvakrossektomien ebenfalls 3 Fälle von passageren Peroneusläsionen
gesehen hat
Insbesondere bei Rezidiveingriffen in der Kniekehle, bei Zustand nach inkompletter
Parvakrossektomie mit kurzem bzw. sehr kurzem Parvastumpf oder bei technisch anspruchsvollen
Operationen sogenannter Neoangiogenesebefunde nach vorausgegangenem Ersteingriff muss
die Indikationsstellung zu einer Rezidivkrossektomie sorgsam überdacht werden. Verbesserung
der venösen Hämodynamik, belegt durch die präoperative Phlebodynamometrie, und operative
Risiken sind sorgfältig gegeneinander abzuwägen. Im Einzelfall ist der Verzicht auf
eine Reoperation angemessener und eine Schaumsklerosierung für den Patienten eher
das Mittel der Wahl. Keineswegs darf ein nachweisbarer diskreter Parvakrossenreflux
in der Kniekehle beim Operateur reflexartig eine Parvarekrossektomie induzieren! Eine
Parvarekrossektomie gehört zu den anspruchsvollsten Eingriffen in der Venenchirurgie.
Das Risiko von schweren Begleitverletzungen (Major-Komplikationen) sowohl von Gefäß-
als auch von motorischen Nervenverletzungen ist gegeben.
Daher hat eine korrekte Indikationsstellung absolute Priorität. Wir führen Rezidivparvakrossektomien
ausschließlich entsprechend den Empfehlungen von Hach [9] als präpopliteale Stumpfligatur durch ([Abb. 16]).
Abb. 16 Pressphlebografie nach Hach: Rezidivvarikose der V. saphena parva mit kurzem Parvastumpf.
Der Eingriff wird immer unter stationären Bedingungen durchgeführt. Eine ambulante
Durchführung dieses Eingriffs halten wir trotz bzw. gerade wegen der eigenen großen
Erfahrung nicht für vertretbar, auch wenn das Kollegen vom Medizinischen Dienst der
Krankenkassen zuweilen anders beurteilen. In der Parvachirurgie erfahrene operierende
Kollegen sind selten, beim MDK gibt es sie noch viel seltener.
Neben einer strengen Indikationsstellung setzt eine Parvarekrossektomie einen in der
Parvachirurgie erfahrenen Operateur, 2 Assistenten (oder 2 OP-Schwestern) und ein
spezifisches Gefäßinstrumentarium voraus (gemeint sind kleine Gefäßklemmchen, eine
Baby-Satinsky-Klemme, etc.). Falls möglich, sollte jedoch auf das Einsetzen dieser
Instrumente verzichtet werden. Schwallartige venöse Blutungen, die einem sofort die
Übersicht nehmen, lassen sich schonender mittels zartem Fingerdruck oder mittels Stieltupfern
oberhalb und unterhalb der Blutungsquelle und dem nachfolgenden Anlegen von Einzelknopfgefäßnähten
5–0 oder 6–0 versorgen. Ruckartiges, robustes, arterielles, gefäßchirurgisches Vorgehen
ist kontraindiziert.
Allerdings ist in der Kniekehle, wenn oberhalb und unterhalb der Blutungsquelle mittels
Tupfer oder Fingern abgedrückt wird, der Raum für eine Gefäßnaht unter Umständen sehr
klein und eine solche daher schwer durchführbar. Deshalb hat sich uns in diesen Fällen
folgendes Vorgehen bewährt:
Die Blutung wird mit mehreren Lagen zusammengeknüllter Kompressen versorgt und dann
eine Löfquist-Manschette bis Mitte Oberschenkel übergestreift, die dann mittels Metallbremse
fixiert wird ([Abb. 17]).
Abb. 17 Löfquist-Manschette mit Metallbremse nach R. Fischer.
Es blutet zwar hiernach in der Kniekehle immer noch minimal, aber nunmehr ist eine
Gefäßnaht viel einfacher und vor allem übersichtlicher durchzuführen. Durchstechungsligaturen,
blindes Abklemmen oder sogenannte Massenligaturen sind unbedingt zu unterlassen! Bei
Notfallsituationen im Rahmen der Parvakrossektomie bzw. Rekrossektomie sollten der
Pschyrembel-Grundsatz und insbesondere der Hach-Grundsatz [10] beachtet werden. Gemeint ist damit: Ruhe bewahren und Ruhe ausströmen, um nachfolgend
die notwendig werdenden weiteren Operationsschritte wohlüberlegt in Ruhe und ohne
Hektik zu planen und durchzuführen.
Kohortenstudie zur Parvakrossektomie
Kohortenstudie zur Parvakrossektomie
Unsere Kohortenstudie umfasst 153 Patienten mit 187 operierten Beinen. Von den 187
operierten Parvakrossen waren 138 weiblichen (74 %) und 49 männlichen (26 %) Geschlechts.
Untersucht und in die Studie einbezogen wurden alle Patienten, die sich 2016 routinemäßig
im Venenzentrum Saarlouis vorgestellt hatten und bei denen im Venenzentrum Saarlouis
in den zurückliegenden Jahren eine Parvakrossektomie durchgeführt worden war.
Studienziel war die Erfassung der duplexsonografischen Parvakrossenbefunde. Ein optimales
Ergebnis lag dann vor, wenn weder ein Parvastumpf noch ein Neovaskulat noch ein sonstiger
pathologischer Krossenbefund in der operierten Kniekehle anzutreffen war. Bei den
pathologischen Befunden wurde differenziert zwischen:
-
Parvastumpf, klinisch relevant,
-
Neovaskulat, klinisch relevant,
-
Parvastumpf oder Neovaskulat, klinisch nicht relevant und
-
neue Mündung einer Rezidivvarikose im Bereich der operierten Kniekehle, klinisch relevant.
Ergebnisse
Bei den 187 nachuntersuchten Beinen lag die Operation in 84 Fällen 1 bis 5 Jahre zurück,
in 82 Fällen 6 bis 10 Jahre und in 21 Fällen 11 bis 19 Jahre.
Einen belassenen Parvastumpf mit klinisch relevanter Rezidivvarikose sahen wir bei
4 Patienten (2,1 %, die Stumpflänge differierte zwischen 3 und 10 mm). Ein sogenanntes
Parvaneovaskulat mit klinisch relevanter Rezidivvarikose wiesen 2 Patienten auf (1,1 %).
Duplexsonografisch einen Krossenstumpf bzw. ein Neovaskulat ohne klinische Rezidivvarikose
hatten 3 Patienten (1,6 %). Einen völlig neuen Insuffizienzpunkt in der Kniekehle,
räumlich getrennt von dem operierten Erstbefund, fanden wir bei 6 Patienten (3,2 %).
Ein derartiger Befund wurde nicht als Rezidiv gewertet. Die Einmündungshöhen variierten
zwischen erstem und zweitem Eingriff durchaus um 3–5 cm. Die Ursache hierfür liegt
möglicherweise darin, dass beim Ersteingriff eine V. saphena parva, beim sogenannten
Rezidiveingriff eine laterale Kniekehlenperforansvene vorlag oder umgekehrt. Dies
sind jedoch seltene Einzelfälle.
Die Quote der echten duplexsonografischen Parvakrossenrezidive mit oder ohne Klinik
betrug 4,8 % ([Tab. 3]).
Tab. 3
Duplexsonografische Krossenrezidivquote nach Parvachirurgie.
Rezidive
|
Anzahl
(187)
|
Prozent %
|
|
Klin. relevant mit Stumpf
|
4
|
2,1 %
|
3–4,1–5,9–10,1
(Stumpflänge in mm)
|
Klin. relevant mit Neovasculat
|
2
|
1,1 %
|
|
Klin. nicht relevant mit Stumpf/Neovasculat
|
3
|
1,6 %
|
Σ 4,8 %
|
Klin. relevant mit neuer Mündung
|
6
|
3,2 %
|
|
Gesamt
|
15
|
8 %
|
|
Echte Rezidive
|
9
|
8 %–3,2 % = 4,8 %
|
|
Diskussion
Die vorliegende Untersuchung erfüllt keineswegs die Kriterien einer korrekten wissenschaftlichen
Studie. Die nachuntersuchten 187 Beine im Zeitraum von 19 Jahren bzw. 166 Beine in
10 Jahren beziehen sich auf ca. 3800 Parvaoperationen, wobei die Operationen bis 19
Jahre zurücklagen, bzw. 166 nachuntersuchte Beine auf ca. 2000 durchgeführte Parvaoperationen,
wobei die Operation bis zu 10 Jahren zurücklag. Die exakte Nachuntersuchungsquote
in Relation zur Anzahl der durchgeführten Operationen ist also gering und liegt deutlich
unter 10 %. Dennoch geben die Daten Aufschluss über das eigene Wirken im Setting eines
niedergelassenen Phlebologen.
In zwei eigenen Kohortenstudien, die mit dem Anspruch durchgeführt wurden, eine korrekte
Parvacrossektomie durchzuführen, aber eine solche nicht zu erzwingen, ergab nach durchschnittlich
4 Jahren folgende Befunde [31]: In der älteren, 1995 durchgeführten Studie sahen wir duplexsonografische Rezidivraten
im Parvakrossenbereich von 10 % mit einem Parvastumpfnachweis von 14 %. Die zweite,
12 Jahre später durchgeführte Studie ergab pathologische Krossenbefunde in 3 % mit
7 % Parvastümpfen [31]. Aufgrund der zunehmenden operativen Erfahrung kam es zu einer Reduktion der Parvakrossenrezidive,
weil die Anzahl der intraoperativ belassenen Parvastümpfe halbiert wurde.
Die in der Literatur publizierten Ergebnisse der Parvachirurgie sind unbefriedigend
([Tab. 4]). Allerdings muss festgestellt werden, dass in den vorhandenen Studien keine einheitliche
OP-Technik angewandt wurde und darüber hinaus der Rezidivbegriff sehr different definiert
ist [32]. Die hohe Quote nachweisbarer Parvastümpfe ist ein Beleg dafür, dass keine korrekte
saphenopopliteale Ligatur vorgenommen wurde. Von der einfachen subfaszialen Parvaligatur
[5]
[6] bis zur saphenopoplitealen Ligatur [27]
[31]
[34] ist alles vertreten. In der Arbeit von Allegra et al. [1] mit 30 % Krossenrezidiven nach 5 Jahren ist überhaupt keine OP-Technik angegeben.
Die hohe Rezidivquote lässt vermuten, dass hier ebenfalls keine korrekte Krossektomie
vorgenommen wurde, obwohl die Autoren von einem „Stripping oft the SSV from the saphenopoplitealjunktion
to lateral malleolus“ sprechen. Hier zeigt sich wieder die Diskrepanz zwischen Anspruch
und Realität hinsichtlich einer korrekten Parvakrossektomie, wie dies auch die Arbeit
von Winterborn et al. 2004 [35] widerspiegelt. Rebecca Winterborn, eine Mitarbeiterin von Jonathan Earnshaw, einem
renommierten britischen Venenchirurgen, befragte 379 Gefäßchirurgen in Großbritannien
und Irland nach ihrem operativen Vorgehen bei der Parvakrossektomie. 11,5 % der befragten
Kollegen lehnten die Chirurgie der Parvavarikose wegen der Gefahr von Nervenverletzungen
komplett ab. Nur rund 50 % der Kollegen führten eine präoperative Duplexdiagnostik
durch. 20 % operierten nicht in Bauchlage. 13 % ligierten wie Feuerstein [5] 40 Jahre zuvor direkt subfaszial. 76 % führten eine tiefere Ligatur der V. saphena
parva, wo auch immer durch. Exakte Angaben, wo die Ligatur vorgenommen wurden, fehlen
in der Arbeit. Nur 10 % der Operateure nahmen eine Pavakrossektomie entsprechend den
Empfehlungen von Hach und Mumme nach Freilegung der saphenopoplitealen Junktionszone
vor. O`Hare et al. [21] aus der Arbeitsgruppe von Winterborn und Earnshaw berichten von einer retrospektiven
Multicenterstudie in Großbritannien, in der Parvakrossektomie und Stripping mit der
reinen Parvakrossektomie verglichen wurden. Nach 12 Monaten fanden sie in der Krossektomie-/Strippinggruppe
13 %, in der alleinigen Krossektomiegruppe 32 % duplexsonografische Krossenrezidive.
Bezeichnenderweise wird analog zur Arbeit von Allegra et al. [1] von einer „saphenopoplitealen junktion ligation“ gesprochen. Diese Aussage verwundert,
da Winterborn et al. angeben, dass nur 10 % der britischen Chirurgen die V. poplitea
freilegen. Insofern sind auch hier begründete Zweifel an den Begriffen flush ligation,
high ligation bzw. saphenopopliteal ligation analog zur Magnakrossektomie [11]
[28]
[29] angebracht.
Tab. 4
Literaturübersicht. Rezidivraten nach Operationen der V. saphena parva. NU = Nachuntersuchungsintervall.
Parvakrossektomie und Stripping
|
|
Jahr
|
Autor
|
n
|
NU
|
Rezidiv
|
1996
|
Tong
|
70
|
|
61 %
|
1999
|
Hanzlick
|
41
|
5 Jahre
|
|
2001
|
Vin
|
77
|
9,2 Jahre
|
68 %
|
2003
|
Pukacki
|
42
|
4,9 Jahre
|
78 %
|
2007
|
Allegra
|
132
|
5 Jahre
|
30 %
|
1995
|
Stenger
|
140
|
3,75 Jahre
|
10 %
|
2007
|
Stenger
|
137
|
4,5 Jahre
|
3 %
|
2006
|
Hartmann
|
25
|
14 Jahre
|
12 %
|
2012
|
Samuel
|
50
|
1 Jahr
|
0 %
|
Andere Autoren wie O’Donnel et al. [20] stehen einer saphenopoplitealen Krossenligatur kritisch gegenüber. Ihrer Meinung
nach steigt das postoperative Komplikationsrisiko mit dem Ausmaß der Krossenpräparation
an. Rashid et al. [24] konnten belegen, dass trotz präoperativer Duplexdiagnostik die V.-saphena-parva-Krosse
intraoperativ in 22 % nicht freigelegt wird und in 59 % eine niveaugleiche Ligatur
nicht gelang. Auch in den 3 bislang vorliegenden RCTs, in denen die Parvakrossektomie
und Strippingtechnik mit endoluminalen OP-Methoden verglichen wurden, ist offensichtlich
eine niveaugleiche Parvakrossektomie nicht durchgeführt worden [3]
[19]
[26]. Details zu diesen RCTs haben wir kürzlich publiziert [28]. Insofern kann als Résumé festgehalten werden, dass die Prinzipien einer korrekten
Parvachirurgie, wie Hach und Mumme sie in ihrem Handbuch angeben und wie sie auch
in den aktuellen Leitlinien der deutschen Gesellschaft für Phlebologie aufgeführt
sind, insbesondere im angloamerikanischen Schrifttum keine Würdigung finden und dort
auch nicht nach diesen Kriterien operiert wird. Andererseits dürfen unsere oben aufgelisteten
Daten zumindest als Hinweis dafür verwertet werden, dass unter Beachtung der OP-Empfehlungen
von Hach zur Parvakrossektomie die Rezidivquoten gering sind und denen der Magnakrossektomie
in etwa entsprechen [22]
[23]
[25].
Diesen Artikel widmen wir Herrn Professor Wolfgang Hach zu seinem 90. Geburtstag,
der die deutschsprachige Phlebologie von einer pragmatisch praxisorientierten Therapie
von Beinleiden zu einer wissenschaftlich fundierten medizinischen Fachdisziplin weiterentwickelt
hat.