ergopraxis 2020; 13(06): 44-46
DOI: 10.1055/a-1157-4015
Perspektiven
© Georg Thieme Verlag Stuttgart – New York

Gesunder Hormoncocktail – Kommunikation als betriebliche Gesundheitsförderung

Lisa Holtmeier
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Publication Date:
08 June 2020 (online)

 

Gesunde Menschen sind motivierter, leistungsfähiger und konzentrierter. Daher können Arbeitgeber die Wirkung von gesunder Kommunikation gezielt einsetzen, denn sie führt unter anderem zur Ausschüttung von Endorphin – und damit zu zufriedenen Mitarbeitern.


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Lisa Holtmeier

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Lisa Holtmeier ist Ergotherapeutin BSc, Gründerin von WORDSEED, Kommunikationscoach und Podcasterin. Sie hält Vorträge, gibt Fortbildungen und coacht Praxen im Bereich der gesunden Kommunikation. Kommunikation wird in ihrer Arbeit als betriebliche Gesundheitsförderung eingesetzt. WORDSEED: Worte säen – Gesundheit, Zufriedenheit und Motivation ernten.

Wir kommunizieren jeden Tag auf unterschiedlichste Art und Weise. WhatsApp, Facebook, Instagram, per Mail, und manchmal ist sogar ein Telefonat oder ein Gespräch vis-à-vis dabei. Die Kommunikation ist, objektiv betrachtet, leichter denn je. Doch ist sie auch gesund?

Gesundheitsfördernder Austausch

Gesund durch Kommunikation. Geht das? Klar! Krank durch Kommunikation geht ja schließlich auch. Vielleicht kennen Sie die Situation, dass Ihnen ein Gespräch noch im Nachhinein Kopfzerbrechen bereitet oder dass Sie sich durch Worte anderer verletzt gefühlt haben. Das ist kein gefühlsduseliger Quatsch, sondern ganz rational und neurologisch zu erklären. Gesunde Kommunikation oder auch gesundheitsorientierte Kommunikation bedeutet, durch Austausch mit anderen die eigene Gesundheit und die des Gesprächspartners zu fördern. Sie ist übrigens nicht zu verwechseln mit Gesundheitskommunikation. Dieser Forschungszeig beschäftigt sich mit der Vermittlung gesundheitsrelevanter und medizinischer Informationen.


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Worte sortieren

Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass verschiedene Worte unterschiedliche Hirnareale ansprechen. So fanden Forscher durch diagnostische Verfahren wie Magnetresonanztomografien heraus, dass Worte, die „verletzend“ auf das Individuum wirken, gleiche Areale aktiv werden lassen wie physische Schmerzen. Diese Erkenntnis zeigt, dass Worte im wahrsten Sinne des Wortes verletzen und wehtun können. Kopfschmerzen beispielsweise werden in der gleichen Hirnregion verortet. Welche Worte diesen Schmerz auslösen ist allerdings höchst individuell und abhängig von gemachten Erfahrungen, der Erziehung, sozialen und kulturellen Einflüssen. Ich habe noch ein Beispiel für Sie: Bei verschiedenen Worten wie Kaffee, Salat oder Orangensaft wurde eine erhöhte Aktivität des Geruchs- und Geschmackszentrums im Gehirn beobachtet. Worte werden im Gehirn also „einsortiert“.

Manche Gespräche haben sogar minimale Auswirkungen auf die Körpertemperatur. Wird ein Gesprächspartner als „warm“ oder „warmherzig“ empfunden, steigt die eigene Körpertemperatur minimal an. Gegensätzlich funktioniert dieses Phänomen ebenfalls. Empfinden Sie Ihren Mitmenschen als „kalt“, dann sinkt Ihre Körpertemperatur ein klein wenig. Sie merken vielleicht schon, dass Worte einen sehr hohen Einfluss auf unseren Körper haben. Doch es geht noch weiter.

Dopamin steigert unter anderem die Motivation und Konzentration.


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Hormoncocktail to go

Worte begünstigen die Ausschüttung verschiedenster Hormone. Dabei macht es keinen Unterschied, ob es sich um innere Dialoge oder um Konversationen mit anderen Menschen handelt. Wertschätzende Worte führen zur vermehrten Ausschüttung von Endorphin, Adrenalin, Oxytocin und Dopamin. Diese Hormone wirken gesundheitsfördernd und tragen zum Wohlbefinden bei.

Das Peptid Endorphin wirkt schmerzstillend. Durch eine anerkennende und wertschätzende Gesprächsführung kommt es zur vermehrten Endorphinausschüttung. Der Begriff Endorphin setzt sich aus „endogen“ und „Morphin“ zusammen. Es kommt also zur körpereigenen Opioidherstellung. Somit können Schmerzen gelindert werden oder treten teilweise gar nicht erst in voller Intensität auf.

Neben Endorphin wird durch einen herzlichen Dialog Adrenalin ausgeschüttet. Es lässt Menschen auf gesunde Art und Weise leistungsfähig sein. Häufig wird Adrenalin ausschließlich mit Angst und Stress in Verbindung gebracht. Menschen brauchen dieses Hormon aber auch, um fit und leistungsfähig zu sein. Adrenalin motiviert und feuert an!

Oxytocin ist im Volksmund auch als Kuschel- oder Bindungshormon bekannt. Früher kannte man es ausschließlich als Geburts- und Wehenhormon. Heute weiß man, dass es zur emotionalen Bindung beiträgt. Insbesondere für alle Arbeitgeber, die ihre Mitarbeiter an die Praxis binden möchten, ist es sehr wichtig. Wertschätzende Dialoge führen zur Oxytocinausschüttung und ermöglichen somit die Festigung emotionaler Bindungen und stärken das zwischenmenschliche Vertrauen im Team. Aus diesem Grund ist es äußerst empfehlenswert, Teamsitzungen dafür zu nutzen, Wertschätzung auszusprechen. Wichtig: Jeder darf Wertschätzung erhalten – die Teammitglieder untereinander, aber auch der Chef oder die Chefin!

Dopamin wird umgangssprachlich als Glückshormon bezeichnet und hat viele gesundheitsfördernde Auswirkungen. Es steigert die Motivation, die Konzentration, führt unter anderem zu einer positiveren Grundstimmung, ermöglicht eine verbesserte Wahrnehmungsfähigkeit und wirkt regulierend bei Stress. All diese Bereiche sind in der therapeutischen Arbeit sehr wichtig. Wird im Team gesund kommuniziert, sind die Mitarbeiter gelassener und stressresistenter, und wir alle wissen, dass es in der therapeutischen Arbeit durchaus mal hektisch werden kann. Wenig Stress führt zugleich zu mehr Gesundheit.


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Kommunikation

Die Rezeptur

Zu einer gesunden Kommunikation gehören folgende Zutaten:

  • Wertschätzung: Worte mit wertschätzendem Charakter erhöhen die Ausschüttung von Dopamin, Adrenalin, Oxytocin und Endorphin.

  • Respekt: Schon René Borbonus sagte: „Respekt ist der Sauerstoff unter den sozialen Elementen.“

  • Transparenz: Eindeutige Kommunikation beugt Missverständnissen und Konflikten vor.

  • Akzeptanz: Gesunde Kommunikation bedeutet, Situationen und Gegebenheiten hinnehmen und akzeptieren, wenn man sie nicht ändern kann.

  • Positive Formulierungen führen zu mehr Verständnis und verursachen weniger Stress.

  • Zukunftsorientierung und Lösungsorientierung: Diese Faktoren reduzieren Stress und lösen Konflikte nachhaltig und effizienter.

  • Achtsamkeit: Es ist wichtig, achtsam zuzuhören und achtsam zu sein bei der Wahl seiner eigenen Worte.

  • Fragen statt sagen: Fragen ermöglichen Teilhabe, sie geben das Gefühl, gebraucht zu werden, und schaffen ein Miteinander.

  • Aktives Zuhören: Die Natur hat uns nicht umsonst zwei Ohren und nur einen Mund gegeben. Wir sollten unseren Mitmenschen mehr zuhören!

  • Informationen: die Balance zwischen Informationsflut und Informationsdefiziten finden

  • Ressourcenorientierung: Sich auf die Ressourcen und auf das Positive zu fokussieren, spielt eine große Rolle.

  • Möglichst wert- und urteilsfrei sprechen: Wir bewerten viel zu schnell. Das stresst uns selbst und tut auch dem Gespräch nichts Gutes.


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Betriebliche Gesundheitsförderung

Viele Studien und Fehlzeitenreporte zeigen bereits, dass eine mangelhafte oder fehlende Kommunikation zu massiven krankheitsbedingten Fehlzeiten führen kann. Vorerst nahmen viele Forscher an, dass vor allem die Informationsflut eine deutliche Gesundheitsgefährdung darstellt. Das ist auch korrekt, jedoch wurden die Auswirkungen von Informationsdefiziten völlig außer Acht gelassen. Die Techniker Krankenkasse ermittelte in der Stressstudie von 2016, dass knapp 40 Prozent der Arbeitnehmer durch Informationsdefizite und ungenaue Angaben gestresst waren. Zudem zeigte die Untersuchung, dass 39 Prozent unter mangelnder Anerkennung litten und sich dadurch gestresst fühlten. Dass Stress gesundheitsgefährdende Auswirkungen haben kann, ist schon lange bekannt. Häufig liegt die Ursache in der Kommunikation, woraus der vermehrte Stress resultiert.

Deshalb ist im Sinne der gesunden Kommunikation eine transparente Gesprächsführung sehr empfehlenswert. Transparenz ermöglicht Partizipation, und diese verbessert unser Wohlbefinden. Im Allgemeinen lässt sich sagen: Gesunde Menschen sind in der Regel motivierter, leistungsfähiger und konzentrierter. Das bedeutet zugleich, dass es zu weniger Fehlern kommt und die Arbeitsqualität steigt. Das führt häufig zu einer höheren Zufriedenheit und einer stärkeren emotionalen Bindung. All diese Faktoren begünstigen die wirtschaftliche Basis. Eine gesunde Kommunikation kann eine sehr stabile Basis darstellen, um all dies positiv zu beeinflussen.

Nutzen Sie gesunde Kommunikation als Teambuilding-Maßnahme!


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Nicht was, sondern wie

Oftmals ist es gar nicht so entscheidend, was gesagt wird, sondern wie man es sagt. Auf die Formulierung und den Tonfall kommt es an. Statt „Einer von euch muss noch den Patienten von der Warteliste einplanen“ lieber „Ich würde gerne mit euch schauen, wie wir den Patienten von der Warteliste unterbringen. Welche Ideen habt ihr dazu?“. Häufig gestaltet sich die Kommunikation gesünder, wenn keine Aussagen getroffen, sondern Fragen gestellt werden. Dadurch ermöglichen Sie Teilhabe, geben ein Stück der Verantwortung ab und bieten Gestaltungsfreiräume. Zudem vermitteln Sie Ihrem Team, ein wichtiger Bestandteil der Lösungsfindung zu sein. Hier ein paar Ideen für Fragen:

  • „Welche Ideen habt ihr zu dem Thema?“

  • „Welche Möglichkeiten seht ihr?“

  • „Wie würdet ihr es euch wünschen, wie wir mit dem Thema X umgehen?“

  • „Was fehlt euch noch, um eine Lösung für die Situation zu finden?“

  • „Was könnten wir stattdessen tun?“

  • „Wie könnten wir in Zukunft mit solchen Situationen umgehen?“

Die Fragen dienen der Lösungs- und Zukunftsorientierung. In meinen Coachings stelle ich häufig fest, dass Konflikte nur nicht gelöst werden können, weil immer wieder über die vergangene Situation diskutiert wird. Die Vergangenheit hat noch nie Probleme gelöst. Allein 19 Prozent der gesamten Kosten entstehen Unternehmen durch Konflikte. Destruktive Auseinandersetzungen verursachen neben den finanziellen Einbußen auch einen hohen Verlust an zeitlichen Ressourcen. Demnach verbringen Führungskräfte 30 bis 50 Prozent ihrer wöchentlichen Arbeitszeit mit Konflikten oder Konfliktfolgen. 10 bis 15 Prozent der Arbeitszeit werden für Konfliktbewältigung benötigt. Konfliktpotenzial entsteht vor allem durch mangelnde Anerkennung und Wertschätzung und ist demzufolge an Kommunikation, Führungsverhalten und Feedbackkultur gekoppelt. Die genannten Fragen können dazu beitragen, neue Perspektiven einzunehmen, Herausforderungen konstruktiv zu begegnen und gemeinsam Lösungen zu erarbeiten.


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Dem Team etwas Gutes tun

Im Dialog entstehen meistens die besten Ideen. Mitarbeiter fühlen sich so gut informiert und haben das Gefühl, mitgestalten zu dürfen. Das stärkt wiederum die emotionale Bindung. Ich setze mich mit meinem Unternehmen WORDSEED dafür ein, dass Kommunikation als betriebliche Gesundheitsförderung Anerkennung findet. Viele Unternehmen und Praxen haben bereits verstanden, welche eminenten Auswirkungen unsere Kommunikation hat. Nutzen Sie also gesunde Kommunikation als versteckte Teambuilding-Maßnahme – und das jeden Tag.


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