Einleitung
Im Jahr 1931 behandelte der US-amerikanische Chirurg John Gibbon eine junge Patientin
mit schwerer Lungenembolie bis zu ihrem Tod. (John Gibbon hat die Patientin mit Lungenembolie
zwar behandelt, hat aber noch keine ECLS eingesetzt. Die erste wurde in den 60er-Jahren
von Robert Bartlett eingesetzt) [1]. Die genaue Beschreibung dieses Falles gilt als die Geburtsstunde des Konzepts der
extrakorporalen Lungenunterstützung (ECLS: extracorporeal life support): „Während
dieser langen Nacht sah ich die Patientin hilflos beim Kampf um ihr Leben. Ihr Blut
wurde dunkler und die Venen dicker. Mir kam die Idee, ob es möglich wäre, das Blut
kontinuierlich aus den erweiterten Venen der Patientin zu entziehen, dieses mit Sauerstoff
anzureichern, Kohlendioxid daraus zu eliminieren und anschließend das rote, sauerstoffgesättigte
Blut wieder über die Arterien in die Blutbahn der Patientin zu transfundieren. Somit
hätten wir ihr Leben retten können, in dem wir einen Teil der Herz- und Lungenarbeit
der Patientin außerhalb des Körpers ausführen“ [1].
85 Jahre später ist diese Vision zu einer standardisierten Therapie in verschiedenen
klinischen Situationen geworden. Im Jahr 2012 meldete die „Extracorporeal Life Support
Organization“ (ELSO) 3280 Fälle mit extrakoporaler respiratorischer Unterstützung
bei Erwachsenen zwischen 1986 und 2012 [2]. Die ECLS wird in vielen Fällen für die Therapie des akuten Atemnotsyndroms (ARDS)
eingesetzt [3]
[4]. Das Einsatzspektrum hat sich jedoch in den letzten Jahren aufgrund der technischen
Entwicklungen der verschiedenen extrakorporalen Verfahren, der Gasaustauschmembranen
und der unterschiedlichen Kanülierungstechniken erheblich erweitert [5]. Der perioperative Einsatz der ECLS in der Thoraxchirurgie ist ein neues Konzept
mit zunehmender Akzeptanz und vielversprechenden Ergebnissen [6]
[7]. Diese Übersichtsarbeit fokussiert auf die Anwendung der ECLS in der Thoraxchirurgie.
Darüber hinaus werden die verschiedenen Kanülierungsmodi hinsichtlich der zugrunde
liegenden pathophysiologischen Bedingungen diskutiert.
Der Einsatz von ECLS im Rahmen thoraxchirurgischer Interventionen kann in verschiedenen
Situationen erforderlich sein. Die ECLS-Anwendung kann bereits in der präoperativen
Phase beginnen und sich während der gesamten intraoperativen Phase und in einigen
Fällen sogar während des postoperativen Verlaufs erstrecken. Dementsprechend unterscheidet
man zwischen den unterschiedlichen Einsatzzeitpunkten der ECLS:
-
präoperativ: Überbrückung zur Operation oder Lungentransplantation
-
intraoperativ: Unterstützung während der Operation
-
perioperativ: Unterstützung zur Erholung über die Operation hinaus
-
postoperativ: Überbrückung bis zur Erholung z. B. bei postoperativ akutem Atemnotsyndrom
(ARDS) oder Sepsis
Die ECLS kann auch perioperativ zur Unterstützung der Atmungstherapie und/oder Physiotherapie
bei Patienten in sehr schwachem physischen Zustand und muskulärer Erschöpfung, insbesondere
der Atempumpe, eingesetzt werden. [Abb. 1] stellt das Ibbenbürener Konzept für perioperative ECLS dar.
Abb. 1 ECLS in der Thoraxchirurgie: Ibbenbürener Algorithmus.
Präoperative ECLS (Überbrückung zur Operation)
Präoperative ECLS (Überbrückung zur Operation)
Überbrückung zur Lungentransplantation
Die Lungentransplantation ist die Therapie der Wahl für Patienten mit fortgeschrittenen
Lungenerkrankungen und Lungenversagen im Endstadium. Trotz des hohen Bedarfs besteht
ein erheblicher Mangel an Spenderorganen. Dementsprechend führt der Organmangel zu
einer hohen Mortalität bei Patienten auf der Warteliste (bis zu 40 %) [8]. Auch kann sich der klinische Zustand von Patienten auf der Warteliste zur Lungentransplantation
akut verschlechtern, und es kann sich z. B. ein akut-auf-chronisches Atempumpenversagen
entwickeln, was zumeist eine invasive mechanische Beatmung erfordert. In den meisten
Fällen können die potenziellen Organempfänger bis zur Transplantation nicht überleben.
Diejenigen Patienten, die unter diesen Umständen bis zur Transplantation überleben,
zeigen insgesamt deutlich schlechtere postoperative Ergebnisse [9]
[10]. Durch den rechtzeitigen Einsatz der ECLS kann die mechanische Beatmung in vielen
Fällen deeskaliert oder sogar vermieden werden. Oft kann eine protektive Form der
mechanischen Ventilation erreicht und eine schnellere Rekonvaleszenz erzielt werden.
Es wurden bereits verschiedene ECLS-Modi in Abhängigkeit von der Art der notwendigen
Unterstützung und des respiratorischen Versagens beschrieben [6]
[8]
[11]
[12]. In einer eigenen Arbeit wurde erstmals über den erfolgreichen Einsatz des arteriovenösen
pumpenlosen interventionellen Lungenunterstützungssystems (iLA) zur Überbrückung von
Patienten mit schwerer ventilationsrefraktärer Hyperkapnie und respiratorischer Azidose
zur Lungentransplantation berichtet [6]
[8]. In einer weiteren Arbeit der gleichen Gruppe wurde eine venovenöse ECLS (v-v-ECLS)
beim wachen, nicht intubierten Patienten auf der Warteliste zur Lungentransplantation
mit hypoxischem Lungenversagen angewendet [12]. Im Vergleich zu mechanisch beatmeten Patienten zeigten Patienten, die eine (Wach-)v-v-ECLS-Therapie
erhalten hatten, ein besseres Überleben 6 Monate nach Lungentransplantation sowie
kürzere postoperative Beatmungszeiten und eine Tendenz zu kürzerem postoperativen
Krankenhausaufenthalt [12]. Bei Patienten mit begleitender pulmonaler Hypertonie und Rechtsherzversagen konnte
eine venoarterielle (Wach-)ECLS (v-a-ECLS) zur Überbrückung bis zur Transplantation
erfolgreich eingesetzt werden [11]. Durch die sog. Wach-ECLS-Therapie wird es den Patienten ermöglicht, eigenständige
Entscheidungen in Bezug auf ihre weitere Versorgung zu treffen und sich z. B. auch
aktiv an der Atem- und Physiotherapie zu beteiligen [13].
Überbrückung zur Lungenvolumenreduktion
Die chirurgische Lungenvolumenreduktion (LVRS) stellt eine gut etablierte Behandlungsoption
für Patienten im Endstadium einer schweren chronisch obstruktiven Lungenerkrankung
(COPD) mit ausgeprägtem Lungenemphysem und Versagen der Atempumpe dar [14]
[15]. Patienten mit COPD und rezidivierenden bronchopulmonalen Infekten entwickeln häufig
eine akute Exazerbation der Erkrankung (AECOPD), die häufig mit schwerer Hyperkapnie
vergesellschaftet ist. Trotz der nicht invasiven Beatmung (NIV) ist in vielen Fällen
eine Eskalation der Therapie zur invasiven mechanischen Beatmung notwendig. Diese
geht mit diversen Komplikationen, wie z. B. beatmungsassoziierter Pneumonie (VAP)
und Barotrauma, einher [16]. Bei Patienten mit schwerer Hyperkapnie, bei denen die NIV-Therapie versagt, sollte
eine ECLS-Therapie in Betracht gezogen werden, um eine invasive mechanische Beatmung
und die daraus resultierenden Komplikationen zu vermeiden. Kluge et al. berichteten
über den ersten erfolgreichen Einsatz der pumplosen ECLS (iLA) bei Patienten mit AECOPD
und schwerer Hyperkapnie zur Vermeidung der invasiven Ventilation [16]. Weitere Studien berichteten über den Einsatz von Single-Site low-Flow v-v-ECLS
bei Patienten mit schwerer Hyperkapnie zur Vermeidung der mechanischen Beatmung. Somit
können die potenziellen, mit der arteriellen Kanülierung assoziierten Komplikationen,
wie Minderdurchblutung bis hin zur Ischämie mit Kompartmentsyndrom der unteren Extremitäten,
verhindert werden [17]
[18]. In einer Pilotstudie unserer Klinik wurden 4 Patienten mit fortgeschrittenem Lungenemphysem
mit schwerer Hyperkapnie und akutem Atempumpenversagen mittels einer Single-Site low-Flow
v-v-ECLS zur LVRS überbrückt. Nach Etablierung der v-v-ECLS konnte bei allen Patienten
eine Normokapnie erreicht werden. Eine Entwöhnung von der mechanischen Beatmung war
jedoch aufgrund des anhaltenden Versagens der Atempumpe nicht möglich. Daher wurde
die Indikation zur chirurgischen LVRS gestellt. Bei allen Patienten wurde unter v-v-ECLS
eine einseitige anatomische Resektion des emphysematösen Lungenoberlappens durchgeführt.
Intraoperativ konnte durch die ECLS eine lungenprotektive Einzellungenventilation
erreicht werden. Postoperativ konnte die Beatmung bei allen Patienten zeitnah deeskaliert
und entwöhnt werden [19]. Der perioperative Einsatz einer Single-Site low-Flow v-v-ECLS im Rahmen einer LVRS
bei Patienten mit schwerem Lungenemphysem und Hyperkapnie bei massiver intrathorakaler
Überblähung stellt ein sicheres und effektives Verfahren dar. Insbesondere erhöht
es die intraoperative Sicherheit, unterstützt die Deeskalation der Beatmung sowie
die Atemtherapie (auch bei bereits tracheotomierten Patienten) und vermindert die
Rate von postoperativen Komplikationen, wie z. B. Re-Intubation.
Intraoperative ECLS
Schwere intraoperative Komplikationen
Während thoraxchirurgischer Eingriffe können schwerwiegende Komplikationen, wie massive
Blutungen, Herzstillstand oder respiratorische Instabilität, auftreten. In solchen
Fällen können, abhängig von der zugrunde liegenden Ursache, die verschiedenen ECLS-Modi
zum Einsatz kommen. Deshalb sind ausreichende Kenntnisse über die verschiedenen ECLS-Modi
unabdingbar. Dies ist insofern notwendig, um den richtigen ECLS-Modus an die individuelle
Patientensituation anzupassen [20]. Bei einer akuten hämodynamischen Instabilität wird eine hämodynamische Unterstützung
erforderlich. Hier kann ein kardiopulmonaler Bypass (CPB) oder eine v-a-ECLS etabliert
werden. Im Falle einer akuten respiratorischen Instabilität ohne hämodynamische Beeinträchtigung,
ist eine High-Flow v-v-ECLS ausreichend. Die ECLS-Kanülierung kann offen chirurgisch
oder perkutan durch Punktion erfolgen und ist abhängig von dem ausgewählten ECLS-Modus
und von den pathophysiologischen Gegebenheiten des Patienten.
Eingeschränkte Lungenfunktion
Patienten mit Lungenkarzinom, bei denen eine erweiterte Lungenresektion geplant ist,
werden grundsätzlich präoperativ hinsichtlich der funktionellen Operabilität evaluiert.
Gemäß internationalen Leitlinien werden Patienten in Abhängigkeit von den kardiopulmonalen
Untersuchungsergebnissen in unterschiedliche Risikogruppen eingeteilt. Patienten mit
einer maximalen Sauerstoffaufnahme (VO2max) von weniger als 35% des Sollwerts gelten laut Leitlinien als inoperabel [21]
[22]. In Fällen, bei denen ein radikales thoraxchirurgisches Vorgehen in Bezug auf die
onkologische Krankheitssituation vorteilhaft wäre, kann die intraoperative Anwendung
von ECLS die Sicherheit erhöhen und die funktionelle Operabilität ermöglichen. Kürzlich
konnten wir über den erfolgreichen Einsatz der Single-Site low-Flow v-v-ECLS zur sicheren
Durchführung ausgedehnter Tumorresektionen bei Patienten mit bereits präoperativ eingeschränkter
pulmonaler Funktion berichten [23]. Bereits pneumonektomierte Patienten mit neu diagnostiziertem nicht kleinzelligem
Lungenkarzinom der kontralateralen Lunge stellen hier eine besondere Herausforderung
hinsichtlich der eingeschränkten Lungenfunktion dar. Diese Patienten gelten meistens
als inoperabel und werden mit einer Radiotherapie alternativ behandelt. In den seltenen
Fällen, wo eine chirurgische Resektion des Tumors erfolgen soll, werden die Patienten
häufig in intermittierenden Apnoephasen operiert. Aufgrund dessen werden hier oft
Keilresektionen der verdächtigen Läsionen durchgeführt. Wir haben bereits über die
sichere und effektive Applikation einer Single-Site low-Flow v-v-ECLS zur Minimierung
des perioperativen Risikos bei dieser Patientengruppe berichtet. Unter ECLS war eine
Apnoephase von bis zu 45 Minuten gut tolerierbar, welche die Durchführung einer anatomischen
und onkologisch gerechten Segmentresektion mit systemischer Lymphadenektomie als gefordertes
onkologisches Vorgehen ermöglichte [7]
[23]. Bei Patienten mit vorausgegangener Pneumonektomie, bei denen Metastasen der Gegenseite
festgestellt worden waren, sollte eine Double-Site high-Flow v-v-ECLS intraoperativ
eingesetzt werden. Diese ermöglicht eine optimale Atelektase der Lunge, um eine vollständige
und sichere Metastasektomie durchzuführen, und bietet dabei die Option, den kompletten
Gasaustausch extrakoporal zu gewährleisten [24].
Ausgedehnte Resektionen
Die erste Anwendung der ECLS in der Thoraxchirurgie erfolgte in Zusammenhang mit ausgedehnten
Resektion von lokal fortgeschrittenen Malignomen mit Infiltration der großen Gefäßstrukturen,
des Herzens und des Mediastinums [25]. In solchen Fällen wurde eine Herz-Lungen-Maschine (CPB) verwendet, um eine intraoperative
hämodynamische und respiratorische Stabilität und Sicherheit zu ermöglichen. Die Hauptnachteile
des CPB sind die obligatorische vollständige effektive Antikoagulation, meistens mit
Heparin, und das damit erhöhte Blutungsrisiko – sowie die Gefahr der Tumorzellverschleppung
durch das offene Reservoirsystem [26]. Eine Weiterentwicklung im Bereich der intraoperativen ECLS stellt der Einsatz der
venoarteriellen Membranoxygenatoren (v-a-ECMO) bei komplexen tracheobronchialen [27] oder ausgedehnten pulmonalen Resektionen von lokal fortgeschrittenen Tumoren dar
[28]. Hierdurch konnte eine mögliche Tumorzellausbreitung aufgrund des geschlossenen
Kreislaufsystems vermieden werden. Lang et al. veröffentlichten vor Kurzem die größte
Patientenserie mit tracheobronchialen Manschettenresektionen unter v-a-ECLS-Einsatz.
Im Rahmen dieser Arbeit konnte die sichere und effektive Anwendung der v-a-ECLS bei
komplexen Trachearesektionen gezeigt werden [27]. Des Weiteren berichteten einzelne Fallberichte über den intraoperativen v-v-ECLS-Einsatz
zur Resektion bei zentral obstruierenden Tumoren der Atemwege [29]
[30], der Sleeve-Pneumonektomie [31]
[32] und der Ösophaguschirurgie [33]. Kürzlich haben wir die erste Fallserie veröffentlicht, in der die Applikation intraoperativer
v-v-ECLS zur Lungenresektion beschrieben wurde [7]. Bei ausgedehnten Resektionen, wie z. B. der transsternalen linksseitigen Pneumonektomie
mit Carinaresektion, ist die Cross-Field-Beatmung aufgrund des kurzen rechten Hauptbronchus
oft problematisch. Hier bietet die High-Flow femoroatriale v-v-ECLS eine vollständige
respiratorische Unterstützung, ermöglicht eine optimale chirurgische Exposition und
eine sichere Durchführung der Tumorresektion. Aufgrund des venovenösen Charakters
der ECLS kann hierbei ein deutlich weniger aggressives Antikoagulationsregieme gewählt
werden, was das Risiko von Blutungskomplikationen senkt.
Postoperative ECLS (Überbrückung zur Erholung)
Postoperative ECLS (Überbrückung zur Erholung)
Kardiales Versagen
Kardiale Komplikationen wie Arrhythmien und Herzversagen werden regelmäßig nach ausgedehnten
Lungenresektionen beobachtet. U. a. ist die Pneumonektomie mit der höchsten Mortalitäts-
und Morbiditätsrate vergesellschaftet [34]. Nach erfolgter Pneumonektomie nimmt die Belastung des rechten Herzens zu, da etwa
die Hälfte des Gefäßquerschnitts hinter dem rechtsventrikulären Ausflusstrakt ausgeschaltet
wird, was letztendlich zu einem Rechtsherzversagen führen kann. Die Behandlung des
akuten Rechtsherzversagens kann sich sehr schwierig gestalten. Trotz optimaler intensivmedizinischer
Therapie mit dem Ziel, den pulmonalen Gefäßwiderstand zu reduzieren, bietet die ECLS
ein wertvolles Recovery Tool, wenn sie frühzeitig eingesetzt wird. In diesem Fall
stellt die venoarterielle Kanülierung die Methode der Wahl dar. Hier bietet die zentrale
Kanülierung des rechten Atriums und der Aorta ascendens, wenn möglich, die effektivste
rechtsventrikuläre Entlastung. Alternativ kann eine periphere Kanülierung über die
Femoralgefäße, aber auch der A. subclavia, gewählt werden.
Pulmonales Versagen
Die ARDS-Rate nach erfolgten Lungenresektionen wurde bereits mit 2,2 % angegeben.
Diese ist, insbesondere nach rechtsseitiger Pneumonektomie, mit einer insgesamt hohen
Mortalitätsrate von etwa 60 % beschrieben [35]. Zusätzlich zur notwendigen Bauchlagerung der Patienten kann die Applikation einer
Single-Site oder Double-Site high-Flow v-v-ECLS im Vergleich zu konventionellen Beatmungsstrategien
[3]
[5]
[37] das Outcome von ARDS-Patienten verbessern und eine protektive Beatmung ermöglichen
[38].
ECLS-Modi in Bezug auf die zugrunde liegende Pathophysiologie
ECLS-Modi in Bezug auf die zugrunde liegende Pathophysiologie
Kohlendioxidelimination
Die extrakorporale CO2-Elimination erfordert lediglich niedrige Blutflussraten durch die ECLS-Gasaustauschmembran
[39]. Dies kann durch eine Single-Site v-v-ECLS unter Verwendung einer Doppellumenkanüle
etabliert werden [23]. Durch den innovativen Aufbau einer solchen Kanüle in Kombination mit der neuen
Generation der Membranoxygenatoren wird eine ausreichende CO2-Elimination erreicht [18]
[40]. Hierbei wird das venöse Blut in die extrakorporale Zirkulation geleitet und nach
CO2-Elimination über denselben Doppellumenkatheter zurückgeführt. Zu diesem Zweck wird
eine Kanülierung der V. jugularis interna oder der V. femoralis durchgeführt. Eine
weitere Alternative zur extrakorporalen CO2-Eliminierung stellt das arteriovenöse pumpenlose interventionelle Lungenunterstützungssystem
(iLA) dar. Hierbei wird das Blut durch den arteriellen Druckgradienten des Patienten
durch das Gasaustauschsystem getrieben ohne Einsatz einer Blutpumpe. Der Hauptnachteil
dieser Technik ist der häufige Bedarf an Vasopressoren zur Aufrechterhaltung eines
ausreichenden Druckgefälles und vaskuläre Komplikationen, die durch die arterielle
Kanülierung entstehen können (bis zu 14 % nach Einsatz des iLA [17]).
Oxygenierung und Kohlendioxidelimination ohne hämodynamische Unterstützung
Hämodynamisch stabile Patienten, die eine vollständige respiratorische Unterstützung
benötigen, profitieren von einer High-Flow v-v-ECLS. Bei diesem ECLS-Modus wird das
Blut aus der V. femoralis in die extrakorporale Zirkulation geleitet und anschließend
über die V. jugularis interna zurückgeführt. Danach passiert das Blut das pulmonale
Gefäßbett, bevor es den systemischen Kreislauf erreicht. Die Sauerstoffsättigung im
Aortenbogen wird daher durch den ECLS-Blutfluss, das residuale venöse Blut im Lungenkreislauf
und den Gasaustausch in der erkrankten Lunge beeinflusst [41]. Im Gegensatz zur klassischen bikavalen Kanülierung ermöglicht der Einsatz einer
speziellen bikavalen Doppellumenkanüle (Avalon Elite®, Maquet, Deutschland) die Etablierung einer Single-Site high-Flow v-v-ECLS [41]. Die Kanüle wird üblicherweise perkutan über die rechte V. jugularis interna eingeführt.
Ein weiterer Vorteil dieser Form der v-v-ECLS ist die bessere Mobilisierbarkeit des
Patienten, v. a. wenn es zum Einsatz im Wachzustand kommt. Ein wichtiges Merkmal der
v-v-ECLS ist die Tatsache, dass sie keine hämodynamische Unterstützung bietet. Daher
ist es wichtig, die Funktion des rechten Herzens während der v-v-ECLS-Therapie engmaschig
zu überwachen, da sich eine Rechtsherzinsuffizienz entwickeln kann. In solchen Fällen
ist ggf. eine zusätzliche Kanülierung im laufenden System erforderlich, um Blut direkt
in das arterielle System zurückzuführen. Diese Umstellung wird als venoarteriovenöse
(v-a-v-)ECLS bezeichnet. Hierfür kann z. B. die A. femoralis perkutan punktiert oder
die A. subclavia offen chirurgisch freigelegt werden [42]
[43]
[44]. Nach Erholung des rechten Ventrikels kann die arterielle Kanüle entfernt und die
v-v-ECLS bis zur pulmonalen Rekonvaleszenz fortgeführt werden.
Oxygenierung und Kohlendioxidelimination mit hämodynamischer Unterstützung
Bei Patienten im kardiogenen Schock, mit Herzstillstand oder pulmonaler Hypertonie
mit Rechtsherzversagen stellt die v-a-ECLS den Modus der Wahl dar [5]. Hierbei wird das Blut aus der V. femoralis in die extrakorporale Zirkulation drainiert
und anschließend über die A. femoralis oder A. subclavia zurückgegeben. Durch Zurückführung
des Blutes über die A. femoralis konkurriert der retrograde ECLS-Blutfluss mit dem
antegraden linksventrikulären Ausfluss [45]. Diese sog. „watershed“-Zone befindet sich üblicherweise zwischen der Aorta ascendens
und der A. renalis [41]. Die Lokalisation dieser Zone ist von der linksventrikulären Pumpleistung und dem
ECLS-Blutfluss abhängig [45]. Wenn ein residualer antegrader linksventrikulärer Ausfluss vorhanden ist, werden
die Koronararterien und die ersten Äste des Aortenbogens mit Blut aus dem linken Ventrikel
perfundiert, welches im Fall eines begleitenden Lungenversagens hypoxämisch sein kann.
Organe distal der beschriebenen Zone werden dementsprechend durch den ECLS-Blutfluss
perfundiert. In solchen Fällen kann die ECLS-Therapie in einen venoarterioarteriellen
(v-a-a-)ECLS-Modus eskaliert werden, indem eine arterielle Kanüle in die rechte A. subclavia
eingeführt wird, die einen zusätzlichen antegraden ECLS-Blutfluss gewährleistet, und
somit die zerebrale und Koronarperfusion verbessert. Eine weitere Möglichkeit besteht
darin, auf einen v-a-v-ECLS-Modus umzuschalten, indem eine zusätzliche venöse Kanüle
über die rechte V. jugularis interna eingeführt wird. Somit wird die Oxygenierung
des den rechten Ventrikel erreichenden Blutes erhöht. Dieser Modus erlaubt später,
nach Erholung der hämodynamischen Kompromittierung, die Deeskalation in einen v-v-Modus.
Patienten mit sekundärer pulmonaler Hypertonie und begleitendem rechtsventrikulären
Versagen aufgrund von ARDS oder schwerem Trauma stellen eine besondere Herausforderung
dar. Bei diesen Patienten stellt der venovenoarterielle (v-v-a-)ECLS-Modus die Methode
der Wahl dar. Hier ist eine zusätzliche Drainagekanülierung der V. jugularis interna
notwendig, um eine optimale Entlastung des rechten Ventrikels zu erreichen [5]. Nach Erholung des rechten Ventrikels kann die ECLS auf eine v-v-ECLS zur reinen
Lungenunterstützung deeskaliert werden.
Schlussfolgerung
Die extrakorporale Lungenunterstützung gewinnt in der Thoraxchirurgie zunehmend an
Bedeutung. Unterschiedliche ECLS-Modi können in verschiedenen Situationen während
der perioperativen Phase angewendet werden. Diese werden an die individuelle Situation
des Patienten und an das geplante chirurgische Vorgehen angepasst. Die ECLS ist kein
statisches Verfahren und sollte immer an den aktuellen Zustand des Patienten dynamisch
angepasst werden. Daher ist es notwendig, die Pathophysiologie der vorliegenden Erkrankung
und die ECLS-Grundlagen zu verstehen, um die Therapie entsprechend der klinischen
Situation eskalieren bzw. deeskalieren zu können ([Abb. 2]).
Abb. 2 Die verschiedenen ECLS-Modi abhängig von dem vorliegenden pathophysiologischen Zustand.
V: venös. A: arteriell. Eskalations- (volle Pfeile) und Deeskalationsstrategien (leere
Pfeile).