Rofo 2020; 192(08): 795-796
DOI: 10.1055/a-1199-3183
Beitrag des BDR

Labormedizin, Pathologie, Radiologie – systemrelevant in der Pandemie

 

DVÄD: Bremsen für die ärztliche Diagnostik in der COVID-19-Pandemie lösen

Berlin, 15.06.2020 – Ein Bekenntnis der Selbstverwaltung zur ärztlichen Diagnostik in der COVID-19-Pandemie fordern die Berufsverbände der Labormediziner, Pathologen und Radiologen. Wenn etablierte diagnostische Verfahren noch breiter eingesetzt würden, könnten schwere Krankheitsverläufe in der COVID-19-Pandemie noch frühzeitiger erkannt und wirksamer behandelt werden. Auch für die Frage wie schnell und wie nachhaltig man Kontaktbeschränkungen lockern kann, sei der Aktionsradius der ärztlichen Diagnostiker entscheidend.


#
Zoom Image

In der COVID-19-Pandemie steuern Labormediziner(innen), Radiolog(inn)en und Patholog(inn)en die Patientenversorgung vor allem zu diesen Fragestellungen: Infiziert oder nicht? Stationäre Aufnahme oder Quarantäne? Welche Patient(inn)en sind besonders von schweren Krankheitsverläufen betroffen? Wie verändert sich die epidemische Lage? Zu den Leistungen und Erkenntnissen der drei Fachgebiete und ihren resultierenden Erwartungen an die Entscheider im Gesundheitsbereich informierten die Berufsverbände heute (15.06.) in einer Web-Pressekonferenz des Dachverbandes Ärztlicher Diagnostikfächer (DVÄD):

Labormedizin

Dass Deutschland vergleichsweise niedrige Infektionszahlen und Todesraten verzeichnet, hat viel mit der Sonderstellung der deutschen Labormedizin in Europa zu tun. Mit ihrem Know-how in der Testentwicklung konnten fachärztliche Diagnostiker bundesweit schnell PCR-gestützte SARS-CoV-2-Infektionstests etablieren und ihre Qualität sichern. In wenigen Wochen wurden die Testkapazitäten massiv ausgeweitet. Kurze Transportwege für die Abstriche ins wohnortnahe, medizinische Labor und die digitale Befundübermittlung an die Gesundheitsämter sind entscheidend, um Infektionsketten schnell zu unterbrechen.

Mit bundesweit gelockerten Kontaktbeschränkungen nimmt die Gefahr massiver Infektionsausbrüche wieder zu. Um eine zweite Infektionswelle zu vermeiden, sollen verstärkt Reihentestungen durchgeführt werden, zum Beispiel in Kindertagesstätten. Die Fachärztinnen und Fachärzte für Laboratoriumsmedizin kritisieren, dass Länder und Kommunen diese Tests mit Unterstützung durch den Bundesgesundheitsminister zunehmend an nichtärztliche, gewerbliche Akteure vergeben. „Auch bei den Reihentests geht es um Menschenleben. Ärztliche Beratung und Qualitätssicherung sind hier unverzichtbar – und die schnellen, sicheren Meldewege, die die medizinischen Laboratorien garantieren“, appelliert der Vorsitzende des Berufsverbandes Deutscher Laborärzte Dr. Andreas Bobrowski an die Gesundheitsbehörden. Gravierend dürfte sich auch die am Mittwoch beschlossene massive Honorarkürzung für die Infektionstests in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV)auswirken. Bestandteil einer erfolgreichen „Exit“-Strategie müssten SARS-CoV-2-Antikörpertests sein, die noch immer nicht im Leistungskatalog der GKV verankert wurden.


#

Radiologie

Die Fachärztinnen und Fachärzte für Radiologie untersuchen vor allem auf ärztliche Überweisung Patient(inn)en mit typischen Krankheitssymptomen aber auch asymptomatische Personen mit gesundheitlichen Risikofaktoren (z. B. Tumorpatienten, Dialysepatienten, mehrfach erkrankte Patienten). Ihre CT-Diagnostik (Computertomografie) ist für die Frage „Quarantäne oder Krankenhaus“ mitentscheidend.

Zum deutschen Erfolgsweg in der COVID-19-Pandemie tragen Radiologen bei, indem sie bei der Verlaufsdifferenzierung und in der Einschätzung der Krankheitsverläufe die entsprechenden diagnostischen Methoden zeitnah vorhalten.

Mit dem Ziel frühzeitiger Erkennung und Differenzierung von epidemischen Erkrankungen fordert der Berufsverband der Deutschen Radiologen frühzeitig eine weniger krankenhauszentrierte, sondern individuell differenzierte Therapie der Patientinnen und Patienten. Nicht alle COVID-19-Infizierten bedürfen der primären Krankenhausbetreuung.


#

Pathologie

Die Obduktion als klassische Methode der Pathologie hat im Hinblick auf die Corona-Pandemie aktuell wieder erhebliche Bedeutung. „Die Toten lehren die Lebenden“ – dies trifft gerade auf die COVID-19-Erkrankung zu. Anders als früher steht aber heute umfangreiches methodisches Werkzeug zur Verfügung, die Grenzen der Pathologie liegen somit zwischen Sektion und molekularpathologischer Methodik. Letztere erlauben einen tiefen Einblick in die Abläufe bei COVID-19. Die zum Teil bereits publizierten Ergebnisse aus dem Sektionssaal haben die therapeutischen Maßnahmen bei klinisch schwer verlaufender COVID-19-Erkrankung unmittelbar beeinflusst. Die Obduktionsbefunde sollen im Deutschen Register für COVID-19-Erkrankungen zusammengefasst werden.

Bei schweren tödlichen COVID-19-Erkrankungen zeigt sich ein typisches Bild in den Lungen, wie es auch von anderen Viruserkrankungen mit letalem Verlauf bekannt ist. Signifikanter Befund bei Verstorbenen mit COVID-19 sind jedoch Schädigungen des Endothels, der Innenauskleidung großer und kleiner Gefäße. Daraus kann eine lokale Blutpfropfbildung (Thrombose) resultieren, die aus größeren Gefäßen (Venen) auch in die Lungen verschleppt werden kann (Thrombembolie). Aber auch Gefäße im Herzen, den Nieren, der Leber, der Haut und im Darm können betroffen sein und entzündliche Reaktionen zeigen. Eine verbandsinterne Umfrage zeigt für Deutschland, dass die Obduzierten im Mittel 70 Jahre alt waren (69 % Männer, 31 % Frauen) und ganz überwiegend wesentliche Grunderkrankungen vorlagen, der Tod jedoch durch COVID-19 herbeigeführt wurde.


#

DVÄD: was leisten die ärztlichen Diagnostikfächer?

Die ärztlichen Diagnostikfächer sind systemrelevant. Sie üben eine Schlüsselfunktion in der Vorbereitung, Absicherung, Kontrolle und im Monitoring jeglicher Diagnostik und Therapie aus.

Die ärztlichen Diagnostikfächer sind derzeit der innovativste Bereich der Humanmedizin.

Sie tragen zur Effizienz und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen bei: Durch frühe Erkenntnis individueller Krankheitsfaktoren ermöglichen sie eine schnelle, zielgerichtete Behandlung.

Ihre Diagnostik erlaubt, moderne Therapien mit teuren spezifischen Medikamenten bezahlbar einzusetzen. Nicht Diagnostik ist teuer, sondern Therapie.

Die ärztlichen Diagnostikfächer arbeiten sektorenübergreifend und ermöglichen PatientInnen so schnittstellenfreie Wechsel zwischen den ambulanten und stationären Bereichen.

Nach den Richtlinien der Bundesärztekammer sowie durch Akkreditierung und Zertifizierung sichern sie die Qualität ihrer ärztlichen Arbeit über das gesetzlich vorgeschriebene Maß hinaus.

Die interdisziplinäre, intersektorale und teamorientierte Ausrichtung der diagnostischen Fachgebiete ist impulsgebend für die zukünftige Gestaltung der Patientenversorgung.

Kontakt:
Sabine Lingelbach
Tel.: (030)28 04 56 10
E-Mail: kontakt@dväd.de


#
#

Publication History

Article published online:
22 July 2020

© Georg Thieme Verlag KG
Stuttgart · New York


Zoom Image